Tiere an die Macht!

"Die Bremer Stadtmusikanten" als packendes Familienstück im Freiburger Stadttheater.  

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Vier Ausgestoßene gegen den Rest der Welt – schon das hört sich nach einer spannenden Geschichte an. Wenn dabei noch so eigenwillige wie konträre Charaktere aufeinanderstoßen und die es gar mit einer Horde wilder Räuber aufnehmen, dann wird daraus ein echtes Abenteuer. Dessen Handlung sich freilich in wenigen Sätzen erzählen ließe. Dass "Die Bremer Stadtmusikanten" nach den Gebrüdern Grimm trotzdem über 75 Minuten als packendes und vielschichtiges Familienstück funktionieren, bewies jetzt die rundum gelungene Premiere im Großen Haus des Stadttheaters Freiburg (Regie: Robin Telfer).

Dabei kommt der Anfang im wahrsten Sinne zweidimensional daher: Eine Landidylle in nostalgischer Kinderbuchmanier füllt den Bühnenprospekt mit Bauernhof, Strohgarben und Sommerhimmel, davor ein rollbares Kastendreieck mit weiteren Landschaftsdetails (Bühne und Kostüme: Sabina Moncys). Das sieht zwar pittoresk aus, hat aber nicht allzu viel Wirkung, sondern fokussiert die Aufmerksamkeit ganz auf die Schauspieler, die im Spagat zwischen Dramatik und Slapstick reichlich Unidyllisches zu erzählen haben: Wie der alte Esel unter der Bauernrute und seiner viel zu schweren Last zusammenbricht, wie der treue Hund nur deshalb vom geliebten Herrn geköpft werden soll, weil er nicht mehr jagen kann – das ist harter Stoff, der Kinderherzen schneller schlagen lässt. Zumal Mathias Lodd als bebrillter Esel so bezaubernd schreit und bockt, während André Benndorff quicklebendig hechelt, jault, mit Schlappohren und Strubbelschwanz wackelt... Doch spätestens, als der herrlich gockelige Hahn (Heiner Bomhard) in den Suppentopf soll und seine Rettung trotz Hackebeilschwingender Bäuerin zur turbulenten Verfolgungsjagd mit Sirtaki gerät, ist klar, wer hier die Gewinner sind: Tiere an die Macht!

Spielfreude und Dialogpingpong

Da ist er dann, dieser verspielte und doch exakt getaktete Witz von Regisseur Robin Telfer, der Kinder so mühelos mitreißt und vor rund zehn Jahren schon "Räuber Hotzenplotz" und das "Sams" zum Stadtgespräch machte. So ganz können "Die Bremer Stadtmusikanten" diesen beiden fulminanten Inszenierungen nicht das Wasser reichen, dazu dürfte das Bühnenbild opulenter und die eingängige Musik trotz vieler schöner Songs (Günter Lehr) profilierter sein, doch in Sachen Schauspiel wird Feinstes geboten: Spürbare Spielfreude, dynamisches Dialogpingpong, expressive Körpersprache samt ausgefeilten Schrullen – alles ist da. Und auch die etwas stereotyp angelegte Katze entwickelt sich mit Lisa Marie Stoiber zur kratzbürstigen Diva mit Schmusepotential, die sich mit dem schlicht gestrickten Hund immer neue Streitscharmützel liefert.

"Etwas Besseres wie den Tod finden wir überall!" so das Motto der vier Flüchtlinge, die sich nur widerstrebend zur Schicksalsgemeinschaft zusammenraufen. Denn wer außer dem dummen Esel will diese Freiheit ohne Futterschüssel und Schlafplatz überhaupt? Bildermächtig wird das im geheimnisvollen Wald in Szene gesetzt: Meterhohe Baumriesen und seltsame Fantasiewesen schälen sich aus dem Theaternebel, die drei Musiker machen im überdimensionierten Jägerstand Urwaldgeräusche, die Angst ist groß, der Hunger heftig. Ausgerechnet der hysterische Hahn legt mit seinem Tenorgeträller den Schalter um – und als aus der Dunkelheit das Licht einer Hütte schimmert, ist endlich Hoffnung in Sicht. Sind ja auch zu bescheuert, diese drei Räuber Schlagzu (Victor Calero), Laufweg (Roger Bonjour) und Denknach (Marie Jordan), die sich gerade so um die Beute kloppen, dass Tisch und Tür zusammenbrechen. Klar, gibt’s jetzt zum Vergnügen des Publikums ein riesiges Tohuwabohu samt lustigem Showdown... Nichtsdestotrotz eine Geschichte um den Wert allen Lebens, um Solidarität, Freundschaft und Mut – und damit lohnendes Denkfutter. Applaus!
– Weitere Vorstellungen bis Februar. Ab 5. BZ-Kartenservice: 0761/4968888.

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