T-Shirt-Protest am Präsidiumstisch
Julia Bonk - für die PDS im sächsischen Landtag - ist 18, tut ihre Meinung kund und wurde innerhalb einer Woche zum Medienstar.
JuZ-Mitarbeiter Martin Müller
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Vor gut einem Monat wurde Julia Bonk mit gerade mal 18 Jahren als parteilose Abgeordnete für die PDS in den sächsischen Landtag gewählt. Für Deutschlands jüngste Berufspolitikerin interessieren sich viele - auch die JuZ: Hat man es als junger Mensch in der großen Politik besonders schwer? Letzte Woche fand die konstituierende Sitzung des Landesparlamentes in Dresden statt und Julia ist jetzt auch offiziell Abgeordnete. Schon am nächsten Tag ging ihr Foto um die Welt. Und danach begann ein Medienhype um Julia, der bis heute nicht nachlässt.
"Ich habe bis zum letzten Moment überlegt, ob ich das wirklich machen kann", sagt sie, "aber gerade wir im Landtag müssen doch zeigen, was unsere Meinung zu Nazis in einem demokratischen Parlament ist." Als sie ihre Jacke auszieht, klicken die Auslöser der Kameras im Zehntelsekundentakt. Journalisten der Nachrichtenagenturen hauen in die Tasten ihrer Blackberrys. Fernsehstationen richten in Windeseile die Kamerastative auf den Präsidiumstisch aus.
Selbst Erich Iltgen (CDU) zeigt Verständnis: "Der Landtagspräsident hat zu mir ganz nett gesagt, dass das eigentlich nicht erlaubt ist", erzählt Julia Bonk. Wenn jetzt ein Abgeordneter der rechtsextremen NPD den entsprechenden Antrag stellt, muss Julia Bonk das T-Shirt sofort ausziehen: politische Botschaften auf Kleidung oder Taschen sind in einem Parlament verboten. Doch die Rechten sind auch hier kurzsichtig. Am Tag nach der konstituierenden Sitzung ist denn Julias offener Protest gegen den Einzug der rechten Randpartei in den Landtag auf den Titelseiten aller großen deutschen Zeitungen zu sehen. Die "Welt", die "Frankfurter Rundschau" und "Bild": 86 Blätter drucken Julia Bonks Foto. "Von der Heftigkeit des Medienechos war ich ziemlich überrascht", sagt Julia.
Während der Sitzung ahnt sie noch nicht, was sich über ihr am deutschen Medienhimmel zusammenbraut. Als Schriftführerin im Präsidium hat Julia alle Hände voll zu tun: Listen abgleichen, mitschreiben und selbst abstimmen. Die Sitzung dauert ohne Pause sieben Stunden, danach kurze Fraktionstagung. Die "Bild-Zeitung" berichtet über eine Laufmasche in Julia Bonks Strumpfhose. "So sexy kann Politik sein", lautet die Schlagzeile der Boulevardzeitung über "unsere schöne Julia". "Das ist ein bisschen komisch, wenn die sich plötzlich für meine Strumpfhose interessieren", sagt die jüngste Berufspolitikerin und schaut ungläubig auf das Ganzkörperfoto von sich auf der Titelseite. Freunde rufen Julia an, um ihr zu erzählen, dass sie in der Tagesschau mit ihrem T-Shirt zu sehen war: dieselbe Julia, die vor wenigen Monaten noch auf dem Abi-Ball getanzt hat.
Am nächsten Morgen sitzt sie schon um halb sieben wieder an ihrem Schreibtisch. Ob sie einen Medienberater habe, will eine Zeitung wissen. "Ich bekomme noch nicht mal Hilfe von der Fraktion. Das muss man alles selbst machen", erklärt Julia schnell - auf der anderen Leitung ist ein Mitarbeiter der Talkshow Johannes B. Kerner. Natürlich kommt sie. Arte möchte ein Porträt über junge Politiker machen. Julia sagt zu. "Ich habe noch nicht mal Lampen an den Decken meiner neuen Wohnung." Das ist der "Bild" und dem "Stern" egal - sie laden sich selbst bei Julia Bonk in die Dresdner Neustadt ein. "Focus" hat Fragen zu ihrer Politik und auf der anderen Leitung wartet schon die Kölner Redaktion von RTL-Explosiv. "Die haben mich gefragt, wie privat ein Beitrag über mich werden dürfte." Julia setzt Grenzen und die RTL-Redakteurin "will sich wieder melden". Eine Kölner Telefonnummer taucht nicht mehr auf Julias Handydisplay auf.
"Ich habe nichts gegen die Berichte über meine Person. Aber ich will als Politikerin wahrgenommen werden", erteilt Julia Bonk allzu persönlichen Interviewanfragen eine Abfuhr. So hätte die "Bild-Zeitung" gerne auch etwas freizügigere Fotos geschossen, doch es blieb bei Worten wie "sexy Sächsin" oder "Schmollmund". Das Telefon klingelt wieder: Es geht um einen Auftritt bei Sabine Christiansen. Ob es nicht ein Fehler war, die Botschaft ausgerechnet auf Brusthöhe zu tragen? Julia Bonk: "Ich habe Anrufe von ,Bild'-Lesern bekommen, die mich gerne persönlich kennen lernen wollen." Nach fünfundzwanzig Zeilen Text und drei Fotos. Eine italienische Zeitung möchte gerne ein Porträt machen. "Die meisten Journalisten sind furchtbar schlecht vorbereitet und stellen belanglose Fragen", sagt Julia und würde viel lieber über Hartz IV oder Schulschließungen sprechen. Wenn Julia Bonk in die "Bunte" von heute schaut, wird sie sich wiederfinden. In der Rubrik "Leute von morgen". Und geht es nach den Korrespondenten der großen Zeitungen, liegt eine ganz große politische Karriere noch vor ihr. Vielleicht schon 2006 im Bundestag. Wenn man sie bis dahin über ihr wirklich wichtige Themen sprechen lässt und weniger über Laufmaschen. Da klingelt das Telefon schon wieder: Keine Zeitung, kein Fernsehsender. Ganz besorgt ruft Julias Mutter von einem Urlaub an der Ostsee an: "Ist bei dir wirklich alles in Ordnung?" Ist es.