Pandemie
Sorgt die Corona-Mutation aus England für eine dritte Welle?
Die Zahl der Corona-Infektionen stagniert, doch der Anteil der Virusmutanten steigt deutlich. Was das bedeutet, ist noch ungewiss. Das wichtigste Mittel gegen die Folgen einer dritten Welle ist das Impfen.
dpa & Thomas Steiner
Fr, 19. Feb 2021, 10:12 Uhr
Gesundheit & Ernährung
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Die Sorge in Deutschland gilt derzeit insbesondere der Variante B.1.1.7, die zuerst in Großbritannien Ende des vergangenen Jahres entdeckt wurde. Sie gilt als deutlich ansteckender als frühere Corona-Formen. In einer US-Studie wird geschätzt, dass es 35 Prozent bis 45 Prozent sind. Möglich wird das durch veränderte Viruseigenschaften, die es der Mutante offenbar erleichtern, an körpereigene Zellen anzudocken.
Außerdem wird vermutet, dass sie sich dann wesentlich schneller vermehrt als das Ursprungsvirus, vor allem auch schon im vorderen Nasen- und oberen Rachenraum. Dadurch könnten wesentlich mehr Viren ausgestoßen werden. Mit der größeren Virenlast wächst vermutlich auch die Wahrscheinlichkeit schwerer Krankheitsverläufe. Ähnliches gilt auch für weitere Varianten aus Südafrika und Brasilien, die ebenfalls als besorgniserregend gewertet werden.
Bessere Übertragbarkeit bedeutet, dass auf einen Infizierten auf einen Schlag eine höhere Zahl an Folgefällen kommt. Damit geht eine höhere Reproduktionszahl einher. Das Robert-Koch-Institut geht jetzt davon aus, dass sich die Zahl der mit der Mutante infizierten Menschen jede Woche verdoppelt. Was das für Konsequenzen hat, ist noch unklar. Es könnte sein, dass die Verbreitung von B.1.1.7 zu einem abermaligen Anstieg der Fallzahlen führt, zumal wenn Lockerungen der Anti-Corona-Maßnahmen sie begünstigen.
"AHA reicht aus", sagt Hajo Grundmann, Leiter des Instituts für Infektionsprävention und Krankenhaushygiene der Freiburger Universitätsklinik, "schließlich sind die Übertragungswege ja noch immer die gleichen." Das Wichtigste sei aber "das Durchhalten bei der Reduktion von Kontakten". Deshalb werden die momentanen Forderungen nach Lockerungen von Experten kritisch gesehen.
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Michael Meyer-Hermann, Leiter der Abteilung Systemimmunologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig, sagte der Zeitung Tagesspiegel am Mittwoch: "Je mehr man jetzt aufgrund der fallenden Inzidenzen lockert, desto früher wird die dritte Welle mit B.1.1.7 sich entwickeln."
Sollte sich das Vorkommen der Mutante ungünstiger entwickeln als erwartet, könne es sogar sein, dass die angestrebte Sieben-Tage-Inzidenz von 35 mit dem aktuellen Lockdown nicht mehr zu erreichen sei.
Das "bei weitem wichtigste und beste Mittel" gegen die Pandemie sei das Impfen, sagt der Freiburger Virologe Hartmut Hengel. Deshalb ist die Frage, ob es auch gegen die Mutanten hilft. Generell bereite die britische Variante "am wenigsten Kopfschmerzen", meint der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, Carsten Watzl, und verweist auf entsprechende Studien.
Kniffliger wird es bei der südafrikanischen Mutante: Studienergebnisse warfen jüngst Zweifel an der Wirksamkeit des Astrazeneca-Impfstoffs auf. Es schützt demnach nur minimal vor leichten und moderaten Erkrankungen. Doch die Studie sei relativ klein, und es seien nur jüngere Menschen mit generell eher leichten Verläufen einbezogen worden, meint Watzl. Beim Impfstoff der Hersteller Biontech/Pfizer deuten erste Laborergebnisse auf eine Wirksamkeit auch gegen Schlüsselmutationen der britischen wie auch der südafrikanischen Variante hin.
Sollten Impfstoffe angepasst werden müssen, könnte das insbesondere bei den auf Boten-RNA (mRNA) basierenden Impfstoffen von Biontech, Moderna oder perspektivisch auch Curevac schnell gehen. "Da muss man nur die Buchstabenreihenfolge im genetischen Bauplan ändern", sagt Watzl. Er schätzt, dass eine Umstellung der Produktion in rund sechs Wochen machbar wäre.
Etwa doppelt so lange könnte seiner Einschätzung nach der Prozess bei Vektor-Impfstoffen wie etwa dem von Astrazeneca dauern. Astrazeneca kündigte jüngst eine neue Impfstoff-Generation für den Herbst an, die besser vor Varianten schützen soll. Hinzu kommt noch die Zulassung. Nach Einschätzung von Watzl müsste man für den kompletten Prozess bis zur Anwendung vier bis sechs Monate veranschlagen.
Etliche Stimmen kritisieren die globale Impfstoff-Verteilung und mahnen, das könne auch hierzulande zum Problem werden. Das Argument: Wenn sich das Virus in einigen Weltregionen frei entfalten kann, entstehen mehr Mutationen, die dann irgendwann auch in Deutschland ankommen. "Die Pandemie ist nicht vorbei, wenn Deutschland geimpft ist, sondern wenn die ganze Welt geimpft ist", sagt Watzl.
Die zuerst in Großbritannien entdeckte Variante B.1.1.7 des Coronavirus ist in Frankreich mittlerweile weit verbreitet: 36 Prozent aller positiv Getesteten sind jetzt damit infiziert, wie Gesundheitsminister Olivier Véran am Donnerstagabend in Paris mitteilte. Vor gut einem Monat lag der Anteil bei rund einem Prozent, allerdings wurden damals die Tests auch weniger auf Mutanten analysiert. Andere Virus-Varianten machen in Frankreich nach Vérans Angaben rund fünf Prozent aus. Im Verwaltungsbezirk Moselle an der Grenze zu Deutschland waren hunderte Infektionen mit der südafrikanischen Variante aufgetreten.
In Spanien gehen etwa 20 Prozent der in den vergangenen Tagen registrierten Neuinfektionen auf die britische Variante zurück. Diese Schätzung nannte Gesundheitsministerin Carolina Darias am Donnerstag in Madrid. Bei der Verbreitung der Variante gebe es große regionale Unterschiede, betonte die Ministerin. So handele es sich etwa in Andalusien schon bei 41 Prozent aller Corona-Neuinfektionen um die zuerst mutierte Variante.
In Dänemark wurde nach Zahlen des Gesundheitsinstituts SSI vom Donnerstag die Mutante B.1.1.7 in 47,4 Prozent der sequenzierten Corona-Proben der Vorwoche entdeckt – damit hat sich dieser Wert nach lediglich knapp 2 Prozent Ende Dezember in eineinhalb Monaten um ein Vielfaches erhöht. Das SSI rechnet damit, dass die Variante Anfang März mehr als 80 Prozent aller Corona-Fälle ausmachen wird. AFP/dpa
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