Kultur

Soll Kultur vom Staat gefördert werden? So stehen Leiter südbadischer Kultureinrichtungen dazu

Fast zwei Drittel der Menschen im Land sind an Kultur interessiert - öffentliche Kulturförderung ist vielen hingegen kaum wichtig. Was sagen Leiter südbadischer Einrichtungen dazu?  

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Henrik Ibsens Drama „Peer Gynt&#... derzeit am Theater Freiburg zu sehen.  | Foto: Britt Schilling
Henrik Ibsens Drama „Peer Gynt“ ist derzeit am Theater Freiburg zu sehen. Foto: Britt Schilling

Ist Kultur etwas Wichtiges im Leben? Und sollte sie vom Staat gefördert werden oder sind andere Dinge wichtiger? Das waren Fragen, die Bürgerinnen und Bürgern beim jüngsten BaWü-Check gestellt wurden. Die Umfrage wird regelmäßig vom Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrag der baden-württembergischen Tageszeitungen – darunter die Badische Zeitung – durchgeführt.

Für den neuen BaWü-Check beantworteten 1011 ausgewählte Bürgerinnen und Bürger einen Onlinefragebogen. Das wichtigste Ergebnis: Immerhin 50 Prozent stimmten folgender Aussage zu: "Kulturförderung sollte Aufgabe des Staates sein." Diese Zustimmung bedeutet aber nicht, dass die meisten Bürgerinnen und Bürger hier eine Priorität setzen würden.

Für zehn Bereiche stellte das Allensbacher Institut die Frage, ob Baden-Württemberg dort eher sparen oder eher mehr Geld ausgeben solle. Gesundheitseinrichtungen und Schulen erwiesen sich als die Bereiche, die den Bürgerinnen und Bürgern am wichtigsten sind: 93 bzw. 91 Prozent sagten, hier solle eher mehr Geld ausgegeben werden. Es folgten die Ausstattung der Polizei und die Straßen. Fast am Ende der Liste landeten dagegen Kultureinrichtungen wie Theater und Museen: Hier solle das Land eher sparen, meinten 63 Prozent der Befragten. Lediglich bei großen Bauprojekten sehen noch mehr Leute Sparpotenzial, nämlich 75 Prozent.

Natur am Wohnort ist vielen Leuten wichtiger als ein gutes Kulturangebot

"Auch als Beitrag für mehr Lebensqualität am eigenen Wohnort spielt Kultur für viele eine eher untergeordnete Rolle", heißt es im Bericht des Allensbacher Instituts zum BaWü-Check. Für jeweils rund drei Viertel der Befragten hängt die Lebensqualität davon ab, dass es am Ort viel Natur oder Grünanlagen, eine gute ärztliche Versorgung und gute Einkaufsmöglichkeiten gibt. Dass ein gutes Kulturangebot einen Ort besonders lebenswert macht, meinen nur 30 Prozent der Befragten.

Oliver Rein, Bürgermeister von Breisach, hält dem entgegen: "Kultur und Kultureinrichtungen sind für eine Stadt genauso wichtig wie die Infrastruktur (Straßen, Wege, Plätze). Sie stellen die Seele der Stadt dar, machen sie besonders und verleihen ihr Identität." Breisach fördert eine besondere Einrichtung, das Kulturzentrum Art‘Rhena auf der Rheininsel. Theater, Kleinkunst und Musik in Französisch, Elsässisch und Deutsch werden dort geboten. Es sei "ein Beispiel dafür, wie Kultur Brücken schlägt und Gemeinschaft schafft", sagt Rein.

Und er betont: "Trotz der finanziellen Herausforderungen sind im aktuellen Haushalt keine Streichungen im Kulturbereich vorgesehen. Wir betrachten die Investition in Kultur als essenziell für das Wohl unserer Gemeinschaft. Natürlich müssen wir in Krisenzeiten zwischen Pflichtaufgaben und Freiwilligkeitsaufgaben unterscheiden. Schulen und Krankenhäuser sind unverzichtbar, doch auch Kultur darf nicht vernachlässigt werden."

Für den Burghof-Leiter sind Kultureinrichtungen "Herzkammern der Gesellschaft"

Auch der Geschäftsführer und künstlerische Leiter des Lörracher Burghofs, Timo Sadovnik, sagt in Reaktion auf die Ergebnisse des BaWü-Checks: "Kultureinrichtungen sind weit mehr als Orte des Vergnügens – sie sind Herzkammern unserer Gesellschaft. Sie verbinden Menschen, schaffen Gemeinschaft und stiften Identität. Gerade in unsicheren Zeiten geben sie uns Orientierung und bieten Räume für Austausch, Kreativität und Reflexion." Sadovnik betont aber auch: "Kultur ist nicht nur emotional bedeutend, sondern auch ein starker Wirtschaftsfaktor: Sie schafft Arbeitsplätze, zieht Touristen an und stärkt die Attraktivität von Städten und Regionen."

Peter Carp, der Intendant des Theaters Freiburg, sieht das genauso. Kultur sei weit mehr als ein Freizeitvergnügen: "Sie hat einen Bildungsauftrag, stärkt den Gemeinschaftssinn, ist wichtig für die Demokratieförderung und weit mehr als 'nice to have'. Nicht ohne Grund sind der Kulturbereich und die Kunstfreiheit oft das Erste, was rechte oder autoritäre Regierungen abschaffen oder beschneiden." Er stellt auch fest: "Das Publikum kam nach Corona in die Theater zurück, kulturhungriger denn je – auch in Freiburg."

Fast zwei Drittel der Bürgerinnen und Bürger im Land sind an Kultur interessiert, so ein weiteres Ergebnis des aktuellen BaWü-Checks. "Sehr" interessiert sind 18 Prozent, "etwas" interessiert sind 47 Prozent. "Kaum" interessiert zu sein, geben 25 Prozent an, "gar nicht" 8 Prozent. Eine Frage, die immer wieder gestellt wird, ist diese: Sollen vom Staat alle Kultureinrichtungen gefördert werden oder nur diejenigen, die ein größeres Publikum anziehen?

Erwartungsgemäß sagten beim BaWü-Check von den besonders an Kultur Interessierten knapp zwei Drittel, der Staat solle auch Kulturangebote fördern, die kein breites Publikum anziehen. Von der Allgemeinheit sind 28 Prozent der Auffassung, der Staat solle möglichst viele Einrichtungen fördern, etwas mehr Befragte würden nur diejenigen Einrichtungen fördern, die ein breiteres Publikum erreichen.

Kultureinrichtungen zwischen Anspruch und Breitenwirkung

Es ist ein schmaler Grat, auf dem sich Kultureinrichtungen bewegen müssen. Einerseits künstlerischer Anspruch, andererseits die Verpflichtung dem Publikum gegenüber. "Unser Ziel ist es, einer größtmöglichen Zahl von Menschen den Zugang zu kulturellen Erlebnissen zu ermöglichen", sagt Timo Sadovnik vom Burghof in Lörrach. "Eine stärkere Teilhabe erreichen wir beispielsweise durch flexible Preisgestaltungen wie Rabattmodelle." Und besonders wertvoll sei die Zusammenarbeit mit lokalen Akteuren, Schulen und sozialen Einrichtungen: "Solche Kooperationen helfen, Kultur auf breiter Basis zu verankern und neue Zielgruppen zu erschließen. Dabei legen wir großen Wert darauf, die Vielfalt und Qualität unseres Programms zu bewahren und den Kulturauftrag verantwortungsvoll zu erfüllen."

Auch der Breisacher Bürgermeister Rein sieht hier eine große Aufgabe: "Um ein größeres Publikum zu erreichen, sollten Kultureinrichtungen wie Art‘Rhena auf die Bedürfnisse der Bürger eingehen, vielfältige Programme anbieten und Barrieren abbauen", meint er. Auch er setzt auf Kooperationen mit Schulen, genauso wie auf "moderne Kommunikationswege und partizipative Formate".

Das Theater Freiburg verweist mit Blick auf den BaWü-Check noch auf eine Umfrage des Instituts Forsa für die Bertelsmann-Stiftung. Sie habe 2023 ergeben, "dass rund 90 Prozent der befragten Bundesbürgerinnen und -bürger der sogenannten Hochkultur eine große Bedeutung beimessen. Theater, Opern und Museen gehören für 82 Prozent der Befragten zur kulturellen Identität des Landes. Fast ebenso viele, 76 Prozent, sind der Meinung, dass diese kulturelle Infrastruktur auch in Zukunft mit öffentlichen Mitteln finanziert werden sollte." Und es sei im Übrigen problematisch, "wenn in Umfragen versucht wird, Bereiche der staatlichen Förderung gegeneinander auszuspielen".

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