Mode
Der Bikini feiert 70. Geburtstag
Zwei Stücke Stoff und ein Riesenskandal. Der Bikini sorgte in seinen ersten Jahren für so viel Diskussionen wie kaum ein anderes Kleidungsstück. Heute wird der frivole Badeanzug 70 Jahre alt.
Di, 5. Jul 2016, 0:00 Uhr
Panorama
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Der ehemalige Automechaniker Réard war allerdings ein PR-Genie und nutzte den Werbespruch des Konkurrenten geschickt für sein eigenes Produkt: Am 5. Juli 1946 präsentierte er seinen "Bikini" genannten Zweiteiler kurzerhand als "kleiner als die kleinste Bademode der Welt". Und das stimmte sogar, denn den Besuchern des Pariser Schwimmbades Molitor klappte angesichts des neuen Kleidungsstücks erst einmal die Kinnlade herunter: So wenig Stoff in der Öffentlichkeit zu präsentieren, hatte sich zuvor noch niemand getraut.
Auch die Models, die sich damals noch Mannequins nannten, trauten sich das nicht, und lehnten entrüstet ab. So kam es, dass die Revue-Tänzerin Micheline Bernardini die neue Badebekleidung vorstellte, die deutlich weniger Haut bedeckte als Heims Atome. Verruchterweise ließ Réards Bikini erstmals den Bauchnabel unbedeckt – damals ein absoluter Tabubruch.
Der Skandal war perfekt. Réard war klar, dass die Moralapostel nicht begeistert sein würden, und rechnete von Anfang an mit dem PR-Effekt der öffentlichen Entrüstung. Aber er verrechnete sich. Die Zeitschriften erwähnten das "schamlose" neue Kleidungsstück, wenn überhaupt, nur am Rande. Im Hollywood-Kino verbot ein strenger Moralkodex, der Hays Production Code von 1930, derart "Unzüchtiges" auf der Leinwand. Selbst in Rio de Janeiro gründete sich 1947 ein Anti-Bikini-Verein. In Rio de Janeiro! Das Geschäft lief für Louis Réard bald sogar so schlecht, dass er wieder Knickerbocker entwerfen musste, die er in der Boutique seiner Mutter verkaufte, um über die Runden zu kommen.
Den Namen "Bikini" fand damals übrigens kaum jemand anstößig. Réard hatte ihn bewusst gewählt, weil er hoffte, sein Bikini würde in der Modewelt "einschlagen wie eine (Atom-)Bombe". Die war damals in aller Munde, denn nur wenige Tage vor der Präsentation im Pariser Schwimmbad hatten im Bikini-Atoll in der Südsee die ersten Atomwaffentests der Nachkriegszeit stattgefunden. Heute würde wohl niemand mehr auf die Idee kommen, seine neueste Bademode nach einem Atomwaffentestgelände zu benennen.
Doch die Zeiten ändern sich – auch was die Moralvorstellungen im Kino betrifft. Schon in den 1950er Jahren empfand man den Hays Code in Hollywood als nicht mehr zeitgemäß, in den 1960ern machte die sexuelle Revolution ihm endgültig den Garaus. Überhaupt waren die Zeiten nun lockerer geworden. Die Zeit des Minirocks und des Bikinis war gekommen. Brigitte Bardot zeigte sich bei den Filmfestspielen von Cannes im Bikini, Marilyn Monroe, Rita Hayworth und Elizabeth Taylor trugen ihn im Film. Unvergessen ist bis heute der Bikini, in dem Ursula Andress in "James Bond – 007 jagt Dr. No" 1962 den Fluten entstieg. Erst zwei Jahre zuvor hatte Brian Hyland mit dem unvergessenen Song "Itsy Bitsy Teenie Weenie Yellow Polka Dot Bikini" weltweit die Charts gestürmt.
Kein Wunder, dass bald zahlreiche Varianten dieser Bademode auf den Markt kamen. 1964 brachte der Wiener Rudi Gernreich den Monokini ohne Oberteil heraus. Vor allem in den 1970er und 1980er Jahren wurden Bikinis mit Tanga beliebt. Am wenigsten Haut bedecken heutige Microkinis und die aufklebbaren Pasties, am meisten wohl Tankinis (Slip mit Tank-Top) und Skirtinis (Bikini-Top mit kurzem Rockunterteil) – und natürlich die Burkinis, Ganzkörperanzüge für muslimische Frauen. Und die sorgten wiederum für entrüstete Reaktionen – in der entgegengesetzten Richtung wie noch vor 70 Jahren.
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