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Schuldige Opfer

NEU IM KINO: Schriftsteller Jonathan Littell beschäftigt sich als Filmemacher mit Kindersoldaten.  

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Geofrey fährt heute Motorradtaxi. Früher war er Kindersoldat.  | Foto: Neue Visionen Filmverleih
Geofrey fährt heute Motorradtaxi. Früher war er Kindersoldat. Foto: Neue Visionen Filmverleih
Fliegen krabbeln über etwas Totes. Ein Tier, hoffentlich. Schnitt. Kameraflug über den Dschungel. Schnitt. Äste biegen sich zur Seite, Blätter rascheln, Vögel zwitschern, düstere Musik dröhnt aus dem Off. Schon nach den ersten Einstellungen ist klar, dass die nächsten zwei Stunden keine leichten werden: In seinem Dokumentarfilm "Wrong Elements" verhandelt Jonathan Littell die ewige Frage von Schuld und Vergebung am Beispiel afrikanischer Kindersoldaten.

Geofrey, Michael, Lapisa und Nighty sind 12, 13 Jahre alt, als es passiert. Sie wachen auf und blinzeln in den Schein von Taschenlampen. Ihre Entführer malen Kreuze auf ihre Hände und Füße. "Wenn du Dummheiten machst", sagen die Männer, "finden wir dich." Sie gehorchen, lassen alles geschehen, töten. Sie sind jetzt Angehörige der LRA, der Lord’s Resistance Army. Unter dem Kommando des fanatischen Anführers Joseph Kony wurden seit den späten 80er Jahren mehr als 60 000 Jugendliche verschleppt, nur die Hälfte verließ den Dschungel lebend. Dazu gehören Geofrey, Michael, Lapisa und Nighty.

Der Titel ist ein Zitat. "Krieg soll alle falschen Elemente in der Gesellschaft beseitigen." Der Satz stammt von Alice Lakwena, der Anführerin einer religiös-fanatischen Rebellentruppe in Uganda, aus der Konys Kindermiliz hervorging. "Wrong Elements", falsche Elemente, sind auch die Überlebenden. Die früheren Kindersoldaten sind Fremdkörper in der Gesellschaft und müssen mit ihrer Schuld klarkommen – obwohl sie Opfer sind.

Das Thema fasziniert Jonathan Littell. Schon sein Roman "Die Wohlgesinnten" ("Les Bienveillantes") löste eine kontroverse Debatte aus – der Ich-Erzähler war ein früherer SS-Offizier. Zehn Jahre später dreht der Franzose das Thema weiter. "Was passiert", fragt er in einem Interview, "wenn der Straftäter, als Kind entführt, in dem einzigen ihm zur Verfügung stehenden Bezugssystem zum vorsätzlichen Mörder wird?" Joseph Konys Armee ist so gut wie geschlagen, der Rebellenführer Gejagter. Der Film bleibt aktuell. Auch im selbsternannten Islamischen Staat werden Kinder indoktriniert.

Littell hat seine Protagonisten im Alltag begleitet und sie erzählen lassen, aber auch frühere Flüchtlingslager und die Orte von Massakern mit ihnen besucht. "Warst du beteiligt?", fragt Littell in einer der eindrücklichsten Szenen. "Ja", sagt Geofrey. "Der Befehl wurde gegeben, und ein Soldat muss Befehle einhalten."

Formell gesehen ist "Wrong Elements" ein einziges Spiel mit Fremdkörpern. Littell hat sich für das Fernsehformat 4:3 entschieden. Das ist ungewöhnlich für eine Kino-Doku, es soll Enge vermitteln, den Eindruck des Erstickens. Auch der Soundtrack ist ein bewusst gewählter Fremdkörper: Während die Kamera über Urwälder und Savannen schwenkt, sind Passionen von Johann Sebastian Bach und Sonaten von Heinrich Ignaz Franz Biber zu hören, schwere Kost aus dem Barock. Die brutalen Taten wiederum, die sich im Busch abgespielt haben, zeigt Littell in Form von Kinderzeichnungen. All das macht "Wrong Elements" zu einer verstörenden, beklemmenden Dokumentation, die nichts entschuldigt, aber vieles zu verstehen hilft.

Wrong Elements von Jonathan Littell läuft in Freiburg (ab 12 Jahren).

Ressort: Kino

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