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Politik

Scholz oder doch Pistorius? In der SPD rumort es wegen der Kanzlerkandidatenfrage

14 Wochen vor der Bundestagswahl ist die SPD laut Umfragen abgeschlagen. Soll man noch rasch den Kandidaten auswechseln? Der regiert vorerst weiter – fast, als wäre nichts geschehen.  

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  | Foto: Christian Charisius (dpa)
Foto: Christian Charisius (dpa)

Die SPD-Führung stemmt sich trotz wachsender Zweifel in der Partei gegen eine Auswechslung ihres designierten Kanzlerkandidaten Olaf Scholz (SPD). Parteichefin Saskia Esken sagte auf die Frage, ob die SPD unter gewissen Umständen statt Scholz den in Umfragen beliebteren Verteidigungsminister Boris Pistorius zum Kanzlerkandidaten machen könnte: "Das machen wir mit Sicherheit nicht noch auf der Strecke."

Pistorius hat in Umfragen weit bessere Popularitätswerte als der Bundeskanzler. Der SPD-Kreisverband Bamberg forderte Scholz daher zum Verzicht auf eine weitere Kandidatur auf. "Bei all seinen Verdiensten, würde man mit einem Kanzlerkandidaten Scholz derzeit sehenden Auges in eine unnötige Wahlniederlage hineinlaufen. Daher muss die SPD jetzt die Bremse ziehen und mit einem neuen und äußerst beliebten Kanzlerkandidaten Pistorius eine neue Dynamik für den bereits anlaufenden Bundestagswahlkampf erzeugen", sagte der Vorsitzende Olaf Seifert in einer Mitteilung des Kreisverbands. Bayerns SPD-Landeschefin Ronja Endres hatte sich dagegen auf Nachfrage klar hinter Scholz gestellt.

Mehrere SPD-Politiker wollen Pistorius

Auch der ehemalige SPD-Landesvorsitzende in Thüringen, Andreas Bausewein, hatte sich schon für Pistorius ausgesprochen. "Wir leben in einer Zeit, in der Personen Parteien ziehen", sagte Bausewein, der bis Ende Juni Oberbürgermeister von Erfurt war, dem "Stern". "Wenn die SPD eine Chance haben will, die Union zu besiegen, dann heißt unsere beste Chance Boris Pistorius." Bausewein forderte eine schnelle Entscheidung.

Der sozialdemokratische Oberbürgermeister von Gotha, Knut Kreuch, sagte dem "Spiegel", in der SPD werde sich bald die Einsicht durchsetzen, dass für einen Erfolg ein Wandel nötig sei. Der SPD sei nicht geholfen, wenn sie im nächsten Bundestag nur noch 100 Abgeordnete habe. "Deshalb sollte sie nicht mit Olaf Scholz antreten", so Kreuch. Pistorius komme von unten, habe die Leute schon als Oberbürgermeister erreicht. "So einen brauchen wir jetzt."

Er ist der aktuell beliebteste deutsche Politiker: Boris Pistorius  | Foto: Bernd von Jutrczenka (dpa)
Er ist der aktuell beliebteste deutsche Politiker: Boris Pistorius Foto: Bernd von Jutrczenka (dpa)

Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt, Rüdiger Erben, hatte sich ebenfalls für Pistorius positioniert: "Er wäre zweifelsohne das beste Angebot für die Wähler, weil er die Menschen besser erreicht", sagte er dem "Spiegel". Den SPD-Vorsitzenden von Osnabrück, Robert Alferink, zitierte das Magazin: "Seit Tagen werden die Stimmen lauter, die sich für Boris als Kanzlerkandidaten aussprechen." Pistorius war von 2006 bis 2013 Oberbürgermeister in Osnabrück. Auch aus Hamburg, Scholz" Heimatstadt, war Unterstützung für den Niedersachsen laut geworden.

Scholz wird für seine "Emotionen" gelobt

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hatte hingegen die in der Partei schon seit Längerem vorgesehene Aufstellung des Bundeskanzlers als erneuter Kanzlerkandidat bereits begrüßt. Scholz stehe für Vertrauen, Kompetenz und Erfahrung, sagte Mützenich am Dienstag vor einer Fraktionssitzung im Bundestag. Und er habe "die nötigen Emotionen, die er in diesen Wahlkampf hineintragen kann". Das werde ihn vom Unionskandidaten Friedrich Merz (CDU) abheben, sagte Mützenich.

Dies ist vor dem Hintergrund auffällig, da Scholz immer wieder vorgeworfen wird, gerade keine Emotionen zu zeigen und die Bevölkerung nicht zugewandt genug anzusprechen. Mützenich hielt solchen Vorhaltungen entgegen, Scholz werde die Menschen, insbesondere aber auch die Partei überzeugen. Neu gewählt werden soll in Deutschland am 23. Februar.

Esken lobt Pistorius - als Verteidigungsminister

Esken sagte nun dem Berlin-Playbook-Podcast des Nachrichtenmagazins "Politico": "Wir sind überzeugt, dass wir mit Olaf Scholz jetzt ins Rennen gehen. Und dann machen den Wahlkampf auch gemeinsam. Und dann gewinnen wir auch gemeinsam." Die dem linken Flügel zuzuordnende SPD-Chefin lobte Pistorius ausdrücklich als Verteidigungsminister: "Er macht es auch wirklich großartig. Und er sagt selbst, genauso wie wir, Olaf Scholz ist unser Kanzlerkandidat, und mit ihm gehen wir in die Wahl."

Olaf Scholz will Kanzlerkandidat der SPD werden.  | Foto: Michael Kappeler (dpa)
Olaf Scholz will Kanzlerkandidat der SPD werden. Foto: Michael Kappeler (dpa)

Scholz hatte zuletzt demonstrativ den Schulterschluss mit den Gewerkschaften gesucht und etwa höhere Mindestlöhne und stabile Renten versprochen. Pistorius hatte mehr Milliarden für die von ihm verantwortete Bundeswehr verlangt. Aber bei den Haushaltsverhandlungen der damals noch bestehenden Ampel hatte der Niedersachse schlechter abgeschnitten, als von ihm selbst und der Truppe gewünscht. In der SPD-Parteizentrale, dem Berliner Willy-Brandt-Haus, wird an einer Wahlkampagne gebastelt, bei der soziale Sicherheit in Deutschland mit im Zentrum stehen soll. Mit Blick auf Russlands Krieg in der Ukraine hatte Scholz betont, innere und äußere Sicherheit dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden. Genau das zu tun hatte Scholz Christian Lindner vorgeworfen - in seiner Begründung für die Entlassung des FDP-Chefs als Finanzminister.

Regierung Scholz teils handlungsunfähig

Die Debatte trifft die oberen Etagen der SPD, während die Regierung unter sozialdemokratischer Führung teils handlungsunfähig ist. Im Bundestag gibt es unklare Mehrheitsverhältnisse. Das Programm im Parlament wurde weiter stark zusammengestrichen, die nächste Sitzungswoche vom 25. bis 29. November fällt voraussichtlich komplett weg. AfD, BSW und Linke konnten sich hinter verschlossenen Türen im Ältestenrat nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur nicht mit ihrem Widerstand gegen einen solchen Schritt durchsetzen. Abgestimmt werden soll über die Streichung an diesem Freitag.

Scholz arbeitet in diesen Tagen weiter normale Kanzlertermine ab, etwa bei einer Feier zum 150-jährigen Bestehen der Wirtschaftsvereinigung Stahl am Vorabend. Da machte er klar, dass er auch nach dem Scheitern der Ampel-Koalition am Ziel eines "Pakts für die Industrie" festhält. Am Freitag ist erneut ein Industriegipfel mit Scholz im Kanzleramt mit Vertretern von Wirtschaftsverbänden, Unternehmen und Gewerkschaften geplant. Nach dem ersten Treffen Ende Oktober hatte Scholz dazu aufgerufen, gemeinsam einen "Pakt für die Industrie" zu schmieden.

Ressort: Deutschland

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Kommentare

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Klaus Kienzler

1445 seit 19. Mär 2019

Die bisherige Leistung des Herrn Pistorius besteht darin, dass er in kurzer Zeit den neuen Bundeswehrjargon gelernt hat, also jammern, jammern und nochmals jammern und Geld, unheimlich viel Geld zu fordern. Da hat der „gute“ Arbeit geleistet. Wir sind jetzt auch überzeugt, dass die Bundeswehr incl. Europa-NATO bisher nur Steinschleudern, Bogen ohne Pfeile und Keulen hat. Dies hat er so überzeugend vorgetragen, dass wir auf einen Schlag 100000000000 Euro mehr Schulden, genannt Sondervermögen, haben. Und weitere Milliarden sind schon fest eingeplant. Und er hat auch eine alte "preußische" Tugend wieder zum Leben erweckt, Befehle ausführen ohne zu denken! Aber da die Menschen gerne sogenannten "Hau-Ruck-Politikern" folgen, stehen seine Chancen so schlecht nicht. Und die Rüstungsindustrie schwebt im siebten Himmel. Immerhin eine tolle Wirtschaftsbelebung in einem Segment dass kurz vor dem Aussterben war. Zwar auf Steuerzahlers Kosten aber eine Beweis dass er "Kanzler" kann. Irgendwie halt!

Ralf U. Müller

1007 seit 19. Apr 2018

"...Kriegsminister Pistolius als (sowieso chancenloser) Kanzlerkandidat - nee, oder?..."

Herr Vaihinger,

ganz schön "närrischer" Kommentar, oder nicht ? Vielleicht sprechen die AfD, die Linke und das BSW Herrn Scholz ja auch ihr Vertrauen aus. Wer weiss...


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