"Schlafmangel ist für jeden eine Gefahr"
BZ-INTERVIEW mit dem Internisten Werner Grille über durchverhandelte Nächte, Konzentrationsfehler und die richtige Dosis Ruhe.
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Die Jamaika-Sondierer schlagen sich die Nächte um die Ohren – kann dabei etwas Sinnvolles herauskommen? Bernhard Walker sprach darüber mit dem Internisten Werner Grille.
Grille: Nichts Gutes, wobei man zwischen akutem und chronischem Mangel unterscheiden muss. Aber auch bei akutem Mangel, der nur einige Tage anhält, wächst die Anfälligkeit für und Häufigkeit von Fehlern. Bei chronischem Mangel drohen schwere gesundheitliche Schäden wie zum Beispiel Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
BZ: Das klingt nicht gut. Müssen wir uns um das Land sorgen?
Grille (lacht): Also, ich mache bestimmt keine Ferndiagnose, wie es um die Gesundheit der Sondierer bestellt ist. Was ich sage, bezieht sich ausdrücklich nicht auf einzelne Personen in Berlin. Aber Sie fragen mich ja, was die Medizin grundsätzlich über Schlafmangel weiß. Und darüber kann ich gerne Auskunft geben.
BZ: Wann schlägt akuter Mangel in chronischen um?
Grille: Das ist ein fließender Übergang, der beim einen schneller, beim anderen langsamer geht. Das hängt von der individuellen Konstitution ab. Wie viel Schlaf jemand braucht, um erholt und fit zu sein, lässt sich nicht allgemein sagen. Mancher braucht acht oder mehr Stunden, andere deutlich weniger. Klar ist aber eines: Schlafmangel ist für jeden eine Gefahr.
BZ: Ist chronischer Mangel, sagen wir, nach zehn Tagen mit viel zu wenig Schlaf erreicht?
Grille: Sie wollen aus mir eine Antwort herauskitzeln, ob die Jamaika-Sondierer chronisch müde sind. Wie gesagt: keine Ferndiagnose. Aber als Arzt sage ich: Wenn jemand nächtelang auf ist und arbeitet, ist das bestimmt nicht vernünftig.
BZ: Das müssen Krankenschwestern, Ärzte und Feuerwehrleute auch.
Grille: Richtig. Und wir wissen, wie belastet diese Berufsgruppen davon sind. Oft sind Nachtschichten unvermeidlich, aber dann ist es ganz wichtig, dass das Arbeitsumfeld und die häusliche Situation Regeneration erlauben – dass man tagsüber von der Last der Nachtarbeit regenerieren kann.
BZ: Sie würden den Sondierern also raten, nicht durchzumachen, sondern sich, sagen wir, abends um elf Uhr zu vertagen?
Grille: Aus medizinischer Sicht: Ja, weil es vernünftig wäre. Vielleicht steht dem aber die Verhandlungstaktik oder -dynamik entgegen, das weiß ich nicht.
BZ: Warum braucht der Mensch Schlaf? Grille: Weil sich das Gehirn regenerieren muss. Die circadiane Rhythmik bestimmt unseren Körper und unser Leben aus.
BZ: Was hat es damit auf sich?
Grille: Das Wort klingt kompliziert, ich weiß. Es geht aber um etwas sehr Einleuchtendes. So wie es Tag und Nacht gibt, gibt es den Wechsel zwischen Aktivität und Ruhe, zwischen Wachsein und Schlaf. Diese Rhythmik sehen Sie auch bei der Körpertemperatur, die im Lauf eines Tages leicht schwankt oder beim Blutdruck oder beim Blutzuckerspiegel. Man kann sich das wie eine Wellenbewegung vorstellen. Diese innere Uhr darf nicht gestört werden, weil wir sonst Gefahr laufen zu erkranken oder mit ungeeigneten Hilfsmitteln die Entspannung zu suchen, die wir nun mal zwingend brauchen. Für Forschungen zur circadianen Rhythmik wurde dieses Jahr übrigens der Medizin-Nobelpreis verliehen. Dies ist ein Hinweis darauf, wie wichtig dieser Zusammenhang für unsere Gesundheit ist.
BZ: Wie kann man sich Gutes tun?
Grille: Sich immer wieder selbst erden und auf null stellen. Und ausreichend schlafen, wobei ja jeder sehr genau weiß, wie viele Stunden bei ihm nötig sind, um sich ausgeruht und gut zu fühlen.
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