Kino

Roman Polanskis Thriller "Nach einer wahren Geschichte"

Wahn und Wirklichkeit, Schein und Sein: der 84-jährige Altmeister des Kinos, Roman Polanski, erzählt die Geschichte von zwei Frauen. Und er spielt mit den Erwartungen der Zuschauer.  

Zu den Kommentaren
Mail

Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen

Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.

Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.

Akzeptieren
Mehr Informationen
Delphine (Emmanuelle Seigner, links) und Elle (Eva Green)  | Foto: dpa
Delphine (Emmanuelle Seigner, links) und Elle (Eva Green) Foto: dpa
Wenn die Filmfestspiele von Cannes schon beinahe vorbei sind, bis ein Werk aus dem Hauptprogramm des Vorjahres endlich in die deutschen Kinos kommt, ist das kein besonders gutes Zeichen. Schon gar nicht für einen wie Roman Polanski. Sein Psychothriller "Nach einer wahren Geschichte" nach dem gleichnamigen Roman von Delphine de Vigan hatte 2017 sogar die Ehre, als Beitrag außer Konkurrenz den Wettbewerb zu beschließen – aber er konnte die Hoffnungen der Fachpresse auf das Highlight am Ende eines blassen Cannes-Jahrgangs nicht erfüllen.

Eine Schriftstellerin in der Schaffenskrise

Dabei ist sein Sujet so unerschöpflich wie die Filmkunst selbst: das Vexierspiel von Fiktion und Realität, Wahn und Wirklichkeit, Schein und Sein. Der französisch-polnische Meisterregisseur, der im August 85 Jahre alt wird, hat es ja selbst oft genug inszeniert, zuletzt im Kammerspiel "Venus im Pelz" (2013) mit Mathieu Amalric und Emmanuelle Seigner. Ihr brachte Polanskis Thriller "Frantic" 1988 den Durchbruch, ein Jahr später heiratete sie den 33 Jahre älteren Filmemacher.

Sie spielt auch diesmal die Hauptrolle: eine Schriftstellerin in der Schaffenskrise. Für ihren neuen Roman will Delphine auf keinen Fall wieder ihre eigene Geschichte verarbeiten. Im letzten ging es um den Suizid der Mutter, was sie in der Familie einigermaßen isoliert hat, das Buch aber zum Bestseller werden ließ. In der ersten Szene sehen wir sie bei der Signierstunde auf einer Buchmesse, der Andrang ist groß, die Autorin erschöpft, die Fans werden abgewiesen, auch die schöne, geheimnisvolle Elle (Eva Green, "Casino Royale"). Später begegnen sie sich wieder, Elle, die sich als Ghostwritern von Prominentenbiografien ausgibt, ist zugewandt, verständnisvoll, freundlich, Delphine dankbar: angeregte Gespräche, Seelenverwandtschaft, Lachen, tags darauf ein Kaffee, ein Glas Wein, bald eine Einladung zum Geburtstag, ach, wir wohnen ja sogar in der gleichen Straße!

Der Film macht sich keine Mühe, sein Publikum in der Illusion zu wiegen, das könnte der Beginn einer wunderbaren Freundschaft sein. Elles lauernde Blicke und plötzliche Wutausbrüche, das vom ersten Ton an dräuende Unheil in Alexandre Desplats suggestivem Soundtrack: Keine Frage, das wird übel enden. Nur Delphine scheint es lange nicht zu merken. Ist wohl zu sehr mit sich beschäftigt.

Elle verwandelt sich in Delphine

Für ihre Schreibblockade fällt dem Regisseur, seinem Co-Drehbuchautor Olivier Assayas ("Die Wolken von Sils Maria") und Kameramann Pawel Edelman, der schon Polanskis oscargekröntes Drama "Der Pianist" (2002) drehte, aber leider keine originellere Visualisierung ein als Finger, die ratlos über der Tastatur eines Macbooks kreisen. Derweil macht sich Elle immer dreister breit im Leben der paralysierten Autorin: beantwortet ihre Mails und schottet sie von der Außenwelt ab, bedrängt sie, nicht einen fiktionalen Roman zu schreiben, sondern das verborgene Buch ihrer Seele, schnüffelt in ihren Papieren, färbt sich das Haar, kleidet und frisiert sich wie sie, fährt an ihrer Stelle zu einer Diskussion mit Schülern nach Tours. Die Täuschung gelingt: "Ab jetzt sind wir austauschbar".

Und demnächst müsste jetzt aber wirklich das nackte Grauen entfesselt werden, denkt man sich beim Zuschauen, zumal die beiden Frauen inzwischen in ein einsames Landhaus gezogen sind, weil sich Delphine das Bein gebrochen hat und nicht mehr in ihre Pariser Wohnung hochkommt. Dort gibt es Ratten, Gift, Gewitter und ein dunkles Kellerverlies...

Polanskis Film ist das Warten auf den Horror, den man diesem Regisseur, seit er vor einem halben Jahrhundert "Rosemaries Baby" gedreht hat, ja jederzeit zutraut, und Eva Green seit der TV-Serie "Penny Dreadful" auch. Und wenn’s nicht der Horror ist, dann doch die Auflösung, ob Elle nun real ist, der Feind in Delphines Haus oder doch nur der Feind in ihrem Kopf, wie wir ihn aus etlichen Kinodramen über Schriftsteller kennen.

Spiel mit Suspense und Beklemmung

Zugegeben, der Thriller ist bis zum Finale ziemlich unterhaltsam, weil er gut gespielt ist und mit der Zuschauererwartung auf einen blutigen Showdown jongliert, mit homoerotischen Andeutungen, mit Suspense und Beklemmung. Und der Fipresci-Preis, den er beim Festival von Stockholm gewonnen hat, ist sicher nicht unverdient. Aber der Film nervt halt auch, weil er die psychologische Figurenzeichnung vernachlässigt, den alten Topoi des Genres keine neue Lesart abgewinnt und das Erwartbare nie in atemraubenden Plotwendungen durchkreuzt.

Und das ist einfach zu wenig angesichts des versammelten cineastischen Potenzials vor und hinter der Kamera. Wer einen großen Polanski sehen will, muss also auf das nächste Werk vom Kinogott des Gemetzels warten. Immerhin ist es schon geplant: ein Film über die Dreyfus-Affäre, nach dem Roman von Robert Harris. Der Meister wird sich auch mit 85 nicht zur Ruhe setzen.

"Nach einer wahren Geschichte" von Roman Polanski läuft in Freiburg. Ab 12.
Schlagworte: Roman Polanski, Eva Green, Pawel Edelman
PDF-Version herunterladen Fehler melden

Artikel verlinken

Wenn Sie auf diesen Artikel von badische-zeitung.de verlinken möchten, können Sie einfach und kostenlos folgenden HTML-Code in Ihre Internetseite einbinden:

© 2025 Badische Zeitung. Keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben.
Bitte beachten Sie auch folgende Nutzungshinweise, die Datenschutzerklärung und das Impressum.

Kommentare

Weitere Artikel