Auftritt
Reflexionen übers Reflektieren: Tim Bendzko und Band in der Freiburger Sick-Arena
Wenn einer so bekannt und erfolgreich ist wie der Sänger Tim Bendzko, dann muss er eine Menge Interviews geben. Eine der häufigsten Fragen dabei ist die nach dem tieferen Sinn seiner Lieder, erzählt er am Freitag den mehreren tausend Besuchern seines Konzerts in der Freiburger Sick-Arena.
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"Immer noch Mensch" ist ein typischer Bendzko. Seine Spezialität ist das Irgendwas-Lied. Es handelt vom diffusen Gefühl, das irgendwas verkehrt läuft, ohne so recht zu wissen oder zu sagen, wieso und warum. Zum Irgendwie-Lied gehört die Irgendwie-Beschreibung, die Hinweise gibt, aber schwammig bleibt. "Immer noch Mensch" handelt vom Kopf im Sand, fehlenden Visionen und dem retuschierten Leben, das das Fernsehen als Realität verkauft.
Musik als Ventil, darum geht es bei Bendzko: "Das ist der Grund, warum ich Lieder sing’ / Weil mir sonst das Herz zerspringt / Weil ich mir alles von der Seele schreib / Ich bin die Schwere so leid", so hat er es im Song "Warum ich Lieder singe" auf den Punkt gebracht. Das generelle Unbehagen an der Gegenwart und das Leid an einer unübersichtlichen Welt teilt Bendzko mit vielen. Dass er damit einen Nerv getroffen hat, macht neben den eingängigen Melodien den Erfolg aus.
Dazu kommt: Bendzko wurde zwar bei einem Wettbewerb von Xavier Naidoos Band Söhne Mannheims entdeckt. Anders als seinem Mentor, mit dem ihn die Vorliebe für mittleres Tempo und der zweiflerische Grundton verbindet, ist ihm Selbstüberschätzung fremd. Naidoo mag sich für einen Messias halten. Bendzko weiß, dass es bei ihm allerhöchstens zum Küchen-Philosophen reicht. Da geht es ihm wie 99,9 Prozent der Menschheit. Warum also Lösungen anbieten, wenn man genauso ratlos ist wie alle anderen?
Bendzko konzentriert sich auf das, was er kann – und das macht er gut. Interessant ist der Kontrast, der sich live aus dem Tenor der Musik und dem Auftreten des Künstlers ergibt. Die Lieder sind Reflexionen übers Reflektieren, ein fortwährendes Leiden an der eigenen Welt, die einem dauernd über den Kopf wächst, in der kleine Probleme große Dimensionen annehmen, das Glas meistens halb leer ist und die Aussichten unbeständig bleiben. In seinen Ansagen und Überleitungen gibt sich der jungenhafte Bendzko dagegen als selbstironischer Plauderer, der locker durch den Abend führt. "Erst mal Glückwunsch zu einer wunderbaren Bundesliga-Saison", kommentiert er gleich am Anfang den derzeitigen Erfolg des SC Freiburg – um dann trocken hinterher zu schieben: "Es ist immer gut, bei einem Konzert, bei dem 90 Prozent Frauen sind, mit Fußball anzufangen." Die Pointen sitzen auch, als er zwei Crewmitglieder zum Running Gag macht, um das in diversen Liedern besungene Auf und Ab privater Beziehungen zu erklären.
Aber kaum sind die Lacher verklungen, wirft Bendzko wieder die Menschl-Maschine an, die zuverlässig einen Grauschleier über seine Musik legt. Die zehnköpfige Band inklusive moll-tönigem Streichertrio balanciert die Schwermut mit rockigen Passagen aus, die dem Sound in solchen Momenten ein wuchtiges Pathos geben, wie man es sonst von Bands wie Coldplay kennt. Trotzdem ist die erste Stunde von ruhiger Gleichförmigkeit dominiert. Zum Finale hin ziehen Tempo und Lautstärke an, geht Bendzko mehr aus sich heraus. Die XXL-Version von "Nur noch kurz die Welt retten" mit ihrem Funk-Groove und der Reggaeeinschlag von "Nicht das Ende" sorgen dann für die dringend notwendige Abwechslung. Sein letztes Album hat Bendzko in einem Keller aufgenommen. Vielleicht sollte er das nächste Mal einen sonnigeren Ort wählen. Nicht dass die Melancholie noch zur Masche wird.
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