Breisgau-Hochschwarzwald
Psychologe: Traumatisierten Flüchtlingen Verständnis zeigen
Wie angemessen mit einem traumatisierten Flüchtling umgehen? Diese Frage stellen sich viele Flüchtlingshelfer. Beantworten kann sie der psychologische Psychotherapeut Karsten Böhm.
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BZ: Gibt es unterschiedliche Traumata?
Böhm: Ja, man unterscheidet das kurzfristige Trauma (Typ 1), das beispielsweise bei einem Unfall erlitten wird, und das langdauernde Trauma (Typ 2), wie wir es von Missbrauchsopfern kennen.
BZ: Unter welchem Traumatyp leiden Flüchtlinge am häufigsten?
Böhm: Flüchtlinge leiden sehr häufig unter langfristigen Traumata, die Kriegserlebnisse oder Folter als Ursache haben. Die Welt dieser Betroffenen wird durch die traumatisierenden Ereignisse oft total zerstört, das Sicherheitsgefühl wird ausgelöscht. Nicht selten ist aber auch die Flucht selbst von gefährlichen und belastenden Ereignissen geprägt.
BZ: Welche psychischen Folgen können diese Traumata auslösen?
Böhm: Die Symptome der psychischen Belastung reichen von offensichtlichen, starken posttraumatischen Belastungsstörungen bis hin zu eher verdeckten Symptomen wie Alkoholsucht, Depression oder somatischen Störungen.
BZ: Welche Besonderheiten gibt es in Bezug auf Flüchtlinge zu beachten?
Böhm: In den Kulturkreisen der Flüchtlinge werden psychische Probleme häufig eher verschwiegen, umso mehr werden körperliche Probleme gezeigt, da diese sozial akzeptierter sind, das heißt die Symptomatik verlagert sich nicht selten auf somatische Beschwerden.
BZ: Ein Flüchtlingshelfer verspürt den Impuls, einem traumatisierten Flüchtling zu helfen. Wie kann er das tun?
Böhm: Zunächst ist es wichtig, den Gesprächspartner nicht zu einem Ausdruck über seine Erlebnisse zu drängen. Es hilft dem betroffenen Menschen, wenn ein Verständnis und echte Betroffenheit zum Ausdruck gebracht wird. Bei Sprachbarrieren kann dies auch ohne Worte durch Gesten und Mimik geschehen – vielleicht auch darin, den anderen einfach in den Arm zu nehmen, wenn dies von beiden Seiten gewollt wird. Der Flüchtlingshelfer sollte aus den oben genannten Gründen bei Flüchtlingen Klagen über körperliches Unwohlsein ernst nehmen, und nicht als Lappalie abtun.
BZ: Was ist mit der Seele eines Traumaopfers passiert?
Böhm: Mit dem erlittenen Trauma geht meist eine tiefe Erschütterung der Person einher. Nicht nur, dass das subjektive Sicherheitsgefühl gestört ist, zusätzlich treten Schuld- und Schamgefühle auf, insbesondere bei Folteropfern. Um weiterhin überleben zu können, werden die Ereignisse daher verdrängt, was aber die Verarbeitung des Traumas unmöglich machen kann. Viele Traumapatienten können nicht trauern. Trauer um etwas, das man geliebt, aber verloren hat, gehört später jedoch zum Genesungsprozess. Es geht damit oft um solche abgespaltene Gefühle und der inneren Flucht vor den Erlebnissen und der Überflutung mit schrecklichen Bildern und Erfahrungen.
BZ: Wie kann sich ein Flüchtlingshelfer davor schützen, in den "Traumasumpf" mit hinabgezogen zu werden?
Böhm: Auf keinen Fall sollte man eine Symbiose mit dem Flüchtling eingehen und die Schwere des Erlebten auf die Helferschulter laden. Klappt die sprachliche Verständigung besser, kann man seine Betroffenheit auch verbal zum Ausdruck bringen, jedoch ohne sich mit den Erlebnissen des Traumatisierten zu identifizieren. Für Ängste sollte Verständnis gezeigt werden, ein Vergleich mit anderen Traumata ist jedoch wenig hilfreich – jedes Trauma ist einzigartig und einzigartig schwer. Was der traumatisierte Flüchtling braucht, ist ein soziales Sicherheitsnetz, in das er mit Hilfe der Helfer eingebunden werden kann. Der Helfer sollte aber nicht zu tief am Trauma "arbeiten", die nachhaltige Verarbeitung des Traumas sollte professionellen Therapeuten überlassen werden.
BZ: Wie können diese dem Traumapatienten bei der Gesundwerdung helfen?
Böhm: Eine Verdrängung des Traumas, was viele Opfer zu ihrem eigenen Schutz zunächst entwickeln, behindert später dessen Verarbeitung. Therapeutisch werden einerseits Ressourcen und hilfreiche Strategien beim Patienten aufgebaut und andererseits die belastenden Erinnerungen mittels einer Traumabearbeitung reduziert. Wir wollen dem Patienten helfen, seine Schuldgefühle zu verlieren und das Leben wieder annehmen zu können. Die Reaktionen des Betroffenen sind gesund, auch wenn sie Scham- und Schuldgefühle hervorrufen können – das Trauma selbst ist krank. Der Patient soll dabei seine Erlebnisse nicht vergessen, sondern lernen, sie als Erfahrung in seinem Leben zu betrauern und damit als Teil seiner Lebensgeschichte zu begreifen.
BZ: Was wünschen Sie sich als Therapieerfolg?
Böhm: Wenn der Patient aus seiner Opferrolle herauskommt und zum Überlebenden wird: "Ich habe (während des Traumaerlebnisses) getan, was ich konnte, jetzt habe ich Kontrolle über meine Erinnerungen und kann mich wieder auf meine Gegenwart und Zukunft konzentrieren – und das Leben mit all seinen Facetten erleben."
Karsten Böhm arbeitet als leitender Psychologe und Psychologischer Psychotherapeut an der Privatklinik Friedenweiler, die als private Akutklinik einen Schwerpunkt auf Depressions-, Burnout-, Trauma- und Zwangsbehandlungen hat. Seit 2004 beschäftigt er sich mit Studien zur Posttraumtischen Belastungsstörung. Dr. Böhm ist Supervisor für die Traumatherapiemethode EMDR.
- Psychologe: Traumatisierte Flüchtlinge früh behandeln
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