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Steuerhinterziehung

Prozessauftakt im Cum-Ex-Skandal mit Schlaglicht auf Kanzler Scholz

Christian Olearius galt als honoriger Kaufmann mit Zugang zur Politik. Nun sitzt der Warburg-Banker auf der Anklagebank. Der Cum-Ex-Prozess wirft auch ein Schlaglicht auf Bundeskanzler Olaf Scholz.  

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Der angeklagte Bankier Christian Olearius (2. von links) zwischen seinen Anwälten im Bonner Landgericht Foto: Thomas Banneyer (dpa)
Bei der Aufarbeitung des Cum-Ex-Steuerskandals hat vor dem Bonner Landgericht ein Strafverfahren gegen den Hamburger Bankier Christian Olearius begonnen. Zum Prozessauftakt am Montag verlas die Staatsanwaltschaft die Anklageschrift gegen den persönlich haftenden Gesellschafter der Privatbank M.M. Warburg. Es geht um 14 Fälle der besonders schweren Steuerhinterziehung zwischen 2006 und 2011 – in der Hochphase der Cum-Ex-Geschäfte, bei denen gar nicht gezahlte Steuern vom Staat erstattet wurden und die Allgemeinheit um Milliarden geprellt wurde. Olearius’ Taten rechnen die Ankläger einen Steuerschaden von 280 Millionen Euro zu. Der 81-Jährige hat die Vorwürfe bislang stets zurückgewiesen. Seine Anwälte wollen sich am Mittwoch äußern. Dem früheren Warburg-Chef drohen bis zu zehn Jahre Haft.

Bei Cum-Ex-Deals inszenierten Banken und andere Finanzakteure ein Verwirrspiel. Rund um den Dividendenstichtag wurden Aktien mit (cum) und ohne (ex) Ausschüttungsanspruch zwischen Beteiligten hin- und hergeschoben. Am Ende erstatteten Finanzämter nicht gezahlte Steuern. 2012 schloss der Staat das Schlupfloch. 2021 entschied der Bundesgerichtshof, dass Cum-Ex-Geschäfte als Steuerhinterziehung zu werten sind.

Der Cum-Ex-Skandal ist der größte Steuerbetrug der Bundesrepublik

Die Staatsanwälte Stephanie Kerkering und David Pagenkemper nannten am Montag die Namen der zentral beteiligten Finanzakteure, darunter den bereits zu zwei Haftstrafen verurteilten Steueranwalt und "Mister Cum-Ex" Hanno Berger. Aus Sicht der Staatsanwälte gehört Olearius zu den Initiatoren des größten Steuerbetrugs der Bundesrepublik. "Der Angeklagte war darüber informiert und steuerte maßgeblich", sagte Kerkering. Er sei in Krisensituationen eingebunden gewesen, um Risiken abzuwenden, und ihm sei bekannt gewesen, dass das Geschäftsmodell auf der Anrechnung beziehungsweise Erstattung von Steuern beruhte, die gar nicht gezahlt worden waren. Bedenken eines Fachmanns zur Rechtmäßigkeit im Jahr 2010 seien bei Olearius laut Anklage ohne Reaktion geblieben.

Brisant ist das Gerichtsverfahren auch wegen eines Bezugs zu Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Den hatte Olearius in den Jahren 2016 und 2017 drei Mal getroffen, damals war der Sozialdemokrat noch Hamburgs Erster Bürgermeister. Der Bankier habe verhindern wollen, dass sein Geldhaus Steuern zurückzahlen musste. Tatsächlich verjährte ein Teil der Ansprüche zunächst – später änderte sich das. 2017 drohte erneut eine Verjährung, die durch das Einschreiten des Bundesfinanzministeriums verhindert wurde. Warburg beglich die Steuerforderungen wegen der Aktiengeschäfte nach eigenen Angaben im Jahr 2020. Die Mehrheitsgesellschafter – also auch Olearius – bezahlten die Beträge "aus ihrem eigenen Vermögen", hatte eine Warburg-Sprecherin vor Verfahrensbeginn mitgeteilt.

Olearius soll seine Kontakte in die Politik genutzt haben, um Rückzahlungen zu verhindern

Olearius habe der Anklageschrift zufolge seine Kontakte in die Politik genutzt und den SPD-Politiker Johannes Kahrs und den ehemaligen Hamburger Innensenator Alfons Pawelczyk für seine Zwecke eingespannt. Außerdem kam es zu den Treffen mit Scholz. "Es ging darum, akut drohende Steuerrückzahlungsbescheide mit Druck auf Entscheidungsträger zu verhindern", sagte Staatsanwalt Pagenkemper. Olearius habe mehrfach das Gespräch mit Scholz gesucht, "was zum Aufbau politischen Drucks in der Finanzbehörde führen sollte". In einem Schreiben, das er Scholz übergab, habe Olearius falsche Angaben gemacht.

Scholz hat die Treffen mit Olearius eingeräumt, sich beim Inhalt dieser Treffen aber auf Erinnerungslücken berufen. Eine Einflussnahme auf die Steuerverfahren gegen die Bank schloss Scholz aus. Ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft untersucht die Rolle führender SPD-Politiker auf den Fall Warburg seit fast drei Jahren, ein Beleg für eine Intervention durch Scholz wurde bisher nicht erbracht. In dem Bonner Prozess dürfte der Name des heutigen Bundeskanzlers in den kommenden Monaten immer wieder fallen. Bisher halten es aber weder die Richter noch die Staatsanwaltschaft für erforderlich, dass Scholz als Zeuge auftritt. (Aktenzeichen 63 KLs 1/229)

Ressort: Wirtschaft

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Di, 19. September 2023: PDF-Version herunterladen

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