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Überblick

Popsongs zur WM: Fußball ist wie Kasatschok

Der Ball ist rund, die Songs zur Weltmeisterschaft in Russland sind aber meistens flach, manche sogar ungenießbar – ein Überblick.  

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Dschinghis Khan und Jay Khan (Mitte) t...r „Moskau“ in Richtung WM.  | Foto: dpa
Dschinghis Khan und Jay Khan (Mitte) trimmen den Schlagerklassiker „Moskau“ in Richtung WM. Foto: dpa
Der Trend bei der Fußballweltmeisterschaft geht schon seit Jahren zum Mehr: Mehr Mannschaften, mehr Sendezeit, mehr auf WM getrimmte Salz- und Zuckerbomben bei den Lebensmitteldiscountern. Klar, dass sich da das Feld der dem Turnier gewidmeten Songs ebenfalls ausdifferenziert. Neben den als offiziell betitelten Stücken wittern auch zahlreiche Trittbrettfahrer das große Geschäft.

Den Anfang macht der "offizielle Fifa Song" "Live It Up". Vorgetragen wird er von Nicky Jam aus Boston, aufgewachsen in Puerto Rico, der sich dazu Unterstützung von der kosovoalbanischen Sängerin Era Istrefi und dem Schauspieler und Teilzeitrapper Will Smith aus den USA holte. Alle drei Länder sind zwar nicht beim Turnier in Russland vertreten, geschweige denn Gastgeber, aber wer wird denn so kleinlich sein? Schließlich soll der Song ja global funktionieren, und da bedient man sich am besten bei breitflächig erfolgreichen Stilen wie Reggaeton, der HipHop und Latinomusik verbindet.

Manchmal hilft

nur noch Ironie

Eine Fußballmannschaft hätte für die Komposition des eher schlicht anmutenden Stückes kaum gereicht – schließlich werden sage und schreibe zwölf Songwriter aufgeführt, dazu kommen noch drei Produzententeams. Ein großer Kader für ein Stück, dessen markantester Part eine "Oooh-oooh"-Passage ist. Auch textlich gibt es eher schlichte Slogans, aber Widerstand ist ohnehin zwecklos: Dem Song kann man kaum entkommen. Kleiner Trost: Gegenüber dem unsäglichen Song zur Europameisterschaft 2016 von David Guetta und Zara Larsson ist eine klare Leistungssteigerung zu verzeichnen.

Weiter geht es mit "Colors" von Jason Darulo: Wer den Weihnachtsmann erfunden hat, braucht natürlich auch einen WM-Song und so ist dieser das "Anthem" von Sponsor Coca-Cola. Auch hier ertönt reichlich "Oooho-oooho-oh", sodass eine gewisse Verwechslungsgefahr besteht. Eine spanisch-englische Version gibt es auch von Maluma, der ein kolumbianischer, genau, Reggaeton-Sänger ist.

In den Bereich "semi-offiziell" fallen die Titel, die die Fernsehsender als Soundtrack für ihre Übertragungen ausgewählt haben. Das ZDF hat sich für "The Bravest" entschieden. Dahinter steht ein Nebenprojekt von Countrysänger Zac Brown aus Nashville namens Sir Rosevelt. Die angemessen dramatische Nummer geht eher in Richtung Elektropop und hat passenderweise das Wort "Champion" im Text. Die ARD entschied sich für "Zusammen" von den Fantastischen Vier und Clueso. Die Stuttgarter HipHopper liefern bewährte Qualität, dazu singt der Erfurter Clueso den entspannten Refrain. Das im Europa-Park Rust gedrehte ironische Video setzt im Kontrast zum Song allerdings auf Zoff und Eifersüchteleien zwischen Fantas Michi Beck und dem Gaststar.

"Und was ist mit mir?" mag sich Max Giesinger gefragt haben. Schließlich landete er mit "80 Millionen" den Überraschungshit zur Europameisterschaft 2016. Sein neuer Titel "Legenden" wirkt allerdings dermaßen kalkuliert-ranschmeißerisch, dass man ihm das Double kaum gönnen will. Genauso klingt "Flutlicht" von Adel Tawil. Textlich ist die von Luca Schneider, dem Neffen von DFB-Teammanager Oliver Bierhoff mitkomponierte Nummer mit Zeilen wie "Denn heute Abend geh’n die Kinder später schlafen" sogar noch eine Spur ungenießbarer. Da hilft nur Ironie – und die bietet der britische Comedian Jack Whitehall. Für seinen Song hat er sich den deutschen Nationalspieler Jérôme Boateng als "The Notorious JB" ans Mikro geholt. Das Ergebnis ist vielleicht kein großer Song, aber vor allem in Kombination mit dem Video angenehm amüsant.

Daneben gibt es noch allerhand Obskures. Benjamin Scholz und Die WMannschaft haben Billy Joels Hit "We Didn’t Start the Fire" mit rustikalem Humor zu "Wir werden wieder Meister" umgetextet. Hochzeitssängerin Christina Lah bietet den unhörbaren Titel "Sieger (Summerdream)" an. Freestyle Arne rappt bei "WM 2018" das Alphabet runter. Die Ganter aus Ostfriesland schunkeln zu "Wir haben wieder eine Mannschaft". Glitzer Gischi verfolgt mit "Tor, Tor, Tor – ich hol mir noch ein Bier" immerhin einen programmatischen Ansatz.

Eines eint all diese sehr unterschiedlichen Songs allerdings: Mit dem Gastgeberland Russland haben sie herzlich wenig zu tun. Rettung kann da eigentlich nur von Ralph Siegel kommen – und der liefert: Seinen unkaputtbaren Tanzflächenfüller "Moskau", mit dem Dschinghis Khan 1979 beim Eurovision Song Contest den undankbaren vierten Platz holten, hat er etwas holprig Richtung Fußball modifiziert und mit Großraumdisco-Sounds unterlegt. Die beiden Stammspielerinnen Edina Pop und Henriette Strobel ergänzte Siegel mit ein paar jungen Tänzern. Jay Khan, ehedem bei der Boyband US 5 und im "Dschungelcamp" zu Hause, übernimmt die zentrale Position am Mikrofon und wird von Siegel mit lyrischen Steilvorlagen gefüttert wie dem Zweizeiler "Fußball ist wie Kasatschok / und wir spielen round the Clock". Um auf Nummer sicher zu gehen, gibt es auch noch englische, spanische und russische Versionen. Kalkuliert komponieren kann eben nicht nur die Fifa.

Ressort: Rock & Pop

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Sa, 09. Juni 2018: PDF-Version herunterladen

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