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Leichtathletik

Owen Ansah mit historischem deutschen Rekord, Johannes Vetter aus Offenburg dagegen bei Olympia nicht dabei

  • Christian Kunz (dpa) & Georg Gulde

  • So, 30. Juni 2024, 20:23 Uhr
    Leichtathletik

     

Ein historischer Moment bei der nationalen Leichtathletik-Meisterschaft in Braunschweig: Als erster deutscher Sprinter knackt Owen Ansah die 10-Sekunden-Schallmauer.

Lief als erster Deutscher bei zulässigem Rückenwind die 100 Meter unter zehn Sekunden: Owen Ansah (in Rot) Foto: Sven Hoppe (dpa)
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Nach der geknackten 10-Sekunden-Marke posierte Owen Ansah voller Stolz und mit einem breiten Lächeln vor der Anzeigetafel. 9,99 Sekunden – als erster deutscher Sprinter hat der 23-Jährige über die 100 Meter eine magische Marke geknackt. "Es musste irgendwann mal passieren. Heute ist es passiert", sagte der deutsche Meister Ansah, "und ich bin mega-happy, dass ich der Erste bin."

Auf der besonders prestigeträchtigen Sprint-Strecke, auf der Armin Hary (FSV Frankfurt) 1960 in Zürich als Erster – handgestoppt – nach 10 Sekunden ins Ziel kam, verbesserte Ansah am Samstag bei der deutschen Leichtathletik-Meisterschaft in Braunschweig den acht Jahre alten nationalen Rekord des Wattenscheiders Julian Reus (10,01) um zwei Hundertstelsekunden. Schwüles Sommerwetter und ein Rückenwind von 0,5 Metern pro Sekunde (bei Rekordrennen sind 2,0 Meter pro Sekunde erlaubt) begünstigten die Bestleistung am Samstag.

"Man holt sich einen Rekord. Es kommt nicht einfach so. Man muss Tag für Tag hart trainieren", sagte Ansah. 13.517 Zuschauer feierten ihn mit riesigem Applaus auf der Ehrenrunde. ARD-Experte Frank Busemann war begeistert. "Wir warten seit Jahrzehnten darauf. Das braucht die Leichtathletik, das tut so gut, so ein Ding auf die Bahn zu nageln", sagte der frühere Weltklasse-Zehnkämpfer.

Ansah startet für den Hamburger SV und trainiert in Mannheim unter dem früheren Weitsprung-Europameister Sebastian Bayer. Der Trainer sprach von einem Kapitel "Sportgeschichte" nach dem Coup seines Athleten. "Als erster Deutscher unter zehn Sekunden. Ich hoffe, dass das ein positiver Schub ist", sagte der 38-jährige Bayer. Der Weltrekord von Jamaikas Ausnahmesprinter Usain Bolt, den dieser im Jahr 2009 in Berlin aufstellte, liegt indes in einer anderen Dimension und bei 9,58 Sekunden.

Ansah schenkte den Sieg vor dem Kölner Favoriten Joshua Hartmann (10,06) dem Idol: seinem Vater. Dessen Geburtstag ist rund um die Titelkämpfe in Braunschweig. "Er hat gesagt, er wünscht sich gerne die Goldmedaille", sagte der Sprinter. Erledigt – und wie! Ansah darf sich nun auf einen olympischen Einzelstart und ein Staffel-Rennen freuen.

"Mein Vorbild ist mein Papa. Er ist damals nach Deutschland gekommen, ohne irgendwas zu haben", sagte der 23-Jährige über den Mann, der aus Ghana stammt und einst selbst Leichtathletik betrieb. Auf dessen Anraten hin – und die Motivation durch seinen Sportlehrer in der siebten Klasse – kam auch Owen Ansah zur Leichtathletik. Für ihn sind Rekord und Paris-Ticket die vorläufigen Höhepunkte nach einer langen Leidenszeit. Der 23-Jährige wurde im Vorjahr von einem Ödem am Schambein ausgebremst. Sechs Monate konnte er nicht trainieren. "Das war schon eine harte Zeit, aber die gehört dazu", sagte der HSV-Sportler. Umso schöner, wenn es sich dann wie auf der blauen Braunschweiger Bahn auszahlt.

Bei den Frauen feierte Gina Lückenkemper aus Berlin, Europameisterin von 2022 in Berlin, ihren fünften Meistertitel über die 100 Meter. Sie siegte bei minimalem Rückenwind (0,2 Meter pro Sekunde) nach 11,04 Sekunden.

Für die meisten Leichtathleten aus Südbaden verlief die deutsche Meisterschaft wenig erfolgreich. So hatte Jolanda Kallabis (FT 1844 Freiburg), 2023 deutsche Hallenmeisterin über 800 Meter, ihren Startverzicht am Samstag auf Instagram bekanntgegeben: "Kämpfe schon seit einer Woche mit einer viralen Infektion und liege nur auf dem Sofa. Ich hatte mich unglaublich auf Braunschweig gefreut aber es hilft ja nichts… Auskurieren und next stop DM U20", schrieb die 19-Jährige. Kallabis hatte in diesem Jahr bei der DM einen Start über 1500 Meter geplant gehabt. Sie war die Nummer zwei der Meldeliste (4:07,44 Minuten). Den Titel in dieser Disziplin holte dann überraschend Vera Coutellier (Köln/4:12,60).

Einen Karriere-Tiefpunkt erlebte Johannes Vetter, Weltmeister von 2017 in London. Der kräftige Werfer der LG Offenburg scheiterte verletzt klar mit seinem Versuch, beim Saison-Debüt die finale Chance auf ein Olympia-Ticket zu nutzen. Der seit 2022 immer wieder von körperlichen Problemen geplagte deutsche Rekordhalter, der das 800 Gramm schwere Sportgerät 2020 auf 97,76 Meter und damit nur 72 Zentimeter unter dem Weltrekord des Tschechen Jan Zelezny schleuderte, kam in Braunschweig mit 73,16 Metern nur auf Platz sechs. Zu seinem letzten Versuch trat der 31-Jährige gar nicht mehr an. Die Direktnorm für die Spiele in Paris liegt bei 85,50 Metern.

"Die OP ist unumgänglich", sagte Vetter wegen zweier gerissener Bänder im getapten Ellbogen. Danach will er zu alter Stärke zurückkehren und hofft dabei auf Unterstützung durch den Verband. "Ich weiß, dass einfach noch was oder genug im Tank ist, auch wieder an gute Weiten anzuknüpfen", sagte er. Seit 2022 hatte Johannes Vetter wegen einer langwierigen Schulterverletzung im rechten Wurfarm kaum Wettkämpfe bestreiten können. In diesem Jahr hatte der von Bundestrainer Boris Obergföll (50) in Offenburg gecoachte Athlet zudem über eine Wadenblessur und eine Adduktorenverletzung geklagt, so dass er bei der deutschen Meisterschaft seinen ersten Wettkampf in dieser Saison bestritt.

Die aus Freiburg stammende und für den VfB Stuttgart startende Marie-Laurence Jungfleisch, die im Vorjahr in Kassel noch ihren achten deutschen Meistertitel im Hochsprung gewonnen hatte, wurde dieses Mal nur Siebte mit übersprungenen 1,78 Metern. Die 33-Jährige, die sich auf der Zielgeraden ihrer Laufbahn befindet, hatte 2018 in Berlin EM-Bronze gewonnen. Jungfleisch, deren Bestleistung bei zwei Metern steht, hat damit auch die letzte Chance verpasst, in ihrer Geburtsstadt Paris zum dritten Mal an Olympischen Spielen teilzunehmen. 2016 in Rio war sie Siebte geworden, 2021 in Tokio Zehnte. Deutsche Hochsprung-Meisterin wurde die für Paris qualifizierte Imke Onnen (Hannover/1,88).

Fünfter über 800 Meter wurde beim Sieg von Robert Farken (Leipzig/1:48,90 Minuten) der 20-jährige Malik Skupin-Alfa (LG Offenburg/ 1:50,66). Farken siegte auch über 1500 Meter ( 3:37,91).

Ressort: Leichtathletik

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