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Studie

Opfer von Gewalttaten fühlen sich bei den Ermittlungen schlecht behandelt

Unsensible Polizeibeamte, kühle Atmosphäre auf den Revieren, bohrende Nachfragen – viele Opfer von Gewalttaten werden durch die Ermittlungsarbeit der Behörden zusätzlich belastet. Zu diesem Schluss kommt eine Studie der Universität Heidelberg, die von der Opferschutzorganisation Weißer Ring in Auftrag gegeben wurde.  

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Opfer von Gewalttaten muss man sensibel befragen.   | Foto: Bormann (Fotolia)
Opfer von Gewalttaten muss man sensibel befragen. Foto: Bormann (Fotolia)

WIESBADEN.

Für Roswitha Müller-Piepenkötter ist es ein typisches Beispiel: Eine Frau, die Opfer sexueller Belästigung wurde, musste sich nach der Tat von einem Polizisten anhören, was ihr da passierte, sei doch "nicht so schlimm". Natürlich habe die davon tief getroffene Frau im Lauf der weiteren Vernehmung "dichtgemacht" und kaum noch Angaben gemacht, sagt die Kuratoriumsvorsitzende der Hilfsorganisation Weißer Ring. Auch wenn eine derartige Unsensibilität nicht der Normalfall sei, belegen die Ergebnisse der Studie doch, dass viele Opfer von Gewalttaten einer starken Belastung bei den Vernehmungen ausgesetzt sind.

Für die Studie werteten die Wissenschaftler vom Kriminologischen Institut der Uni Heidelberg 178 Strafakten mit 251 Erhebungsbögen aus dem gesamten Bundesgebiet aus, führten 87 Interviews mit Opfern und Angehörigen, analysierten 320 an Opfer gerichtete Fragebögen und nahmen an Gruppengesprächen mit Polizisten, Anwälten und Therapeuten teil. Haupterkenntnis: Vor allem die sehr langen und wiederholten Vernehmungen mit zum Teil immer wiederkehrenden Fragen belasten die Opfer. Manche fühlten sich nicht ernstgenommen, abwertend behandelt, in der Glaubwürdigkeit angezweifelt oder sogar angegriffen.

Laut den Forschern schätzen mehr als 60 Prozent der Befragten ihre Belastung im Ermittlungsverfahren als "sehr stark" ein. Dies gelte vor allem für Opfer mit langen und häufigen Vernehmungen. Diese dauern oft mehr als zwei Stunden, bei mehreren Vernehmungen würden die Fragen oft als redundant empfunden. Und bei der Befragung ausländischer Opfer durch Polizei und Justiz wird häufig das Fehlen eines Dolmetschers bemängelt.

Hinzu kommt: Weniger als zwei Prozent der befragten Opfer wurden von einem Rechtsanwalt begleitet, eine Vertrauensperson der Betroffenen war in 8,5 Prozent der Fälle dabei. Dabei sei eine solche Unterstützung für die mitunter traumatisierten Opfer hilfreich. Der Weiße Ring fordert als Konsequenz eine stärkere Stellung der Opferschutzbeauftragten bei der Polizei, die Einführung eines angemessen bezahlten Fachanwalts für Opferrechte sowie die feste Verankerung der Opferperspektive bei der Aus- und Weiterbildung von Polizei und Justiz.

Der stellvertretende BKA-Präsident Peter Henzler betont, ein Patentrezept gebe es nicht. "Vielmehr benötigt man ein hohes Maß an Feingefühl und Erfahrung, um auf die individuellen Ängste und Bedürfnisse von Opfern einzugehen." Ex-BKA-Chef Jörg Ziercke zeigt Verständnis, bittet aber um Verständnis für die Lage der Beamten: Täter nicht vorverurteilen, falsche Anschuldigungen ausmachen und den Opfern gerecht werden – Polizei und Justiz hätten es auch nicht leicht.

Ressort: Panorama

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