Mode
Nylonstrümpfe werden 80 Jahre alt
Vor 80 Jahren wurden die Nylonstrümpfe erfunden. Die Frauen rissen sich um den neuen Stoff, es kam zu tumultartigen Szenen.
dpa
Di, 17. Dez 2019, 20:30 Uhr
Panorama
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BERLIN (dpa). "Ein besserer Faden für ein besseres Leben" – unter diesem Slogan präsentierte die amerikanische Firma DuPont vor genau 80 Jahren auf der Weltausstellung in New York ihre Innovation: Nylon. Im Mai 1940 kam es vor Kaufhäusern zu tumultartigen Zuständen. Die Frauen rissen sich um die ersten in Massenproduktion hergestellten Strümpfe aus diesem Material. Sogar die Polizei musste einschreiten.
Eine gigantische Werbekampagne DuPonts befeuerte fortan den Absatz. Ein bestrumpftes Bein, das meterhoch in den Himmel ragt. Zwei Frauen, die bei Messeauftritten eine Art Tauziehen mit den Nylons veranstalteten, um die Qualität zu demonstrieren. Solche Bilder halfen, den Hype zu entfachen. Fast zeitgleich entwickelte der deutsche Chemiker Paul Schlack Ende der 30er-Jahre für die IG Farben eine nahezu identische Faser: Perlon. Statt eines erbitterten Rechtsstreits einigten sich beide Seiten über die Nutzungsrechte und Aufteilung der Märkte.
Die Zeit, in der die Unternehmen durch den Verkauf der Strümpfe säckeweise Geld verdienten, währte aber nicht lange. Bald gingen Nylon und Perlon nur noch in die Kriegsausrüstung, zur Herstellung von Fallschirmen, Zelten, Seilen. Erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs lief die zivile Produktion wieder an – und die Strümpfe wurden zum Renner.
"Bis in die 1970er-Jahre hinein waren Frauen in Hosen verpönt", erinnert Hackspiel-Mikosch. Wer keinen Zugriff auf echte Strümpfe hatte, behalf sich mit Produkten wie "Farbstrumpf Coloral Sonnenbraun", der sich wie ein Make-up auf die Beine auftragen ließ. Die schwarze Naht imitierte man mit einem Kajal-Stift.
Apropos: Jene feine Linie auf der Rückseite des Strumpfes, die Männerfantasien anregte, war nicht als Frivolität gedacht, sondern hatte eine praktische Ursache: Es gab anfangs keine Rundstrickmaschinen für dieses zarte Material. "No run" (Keine Laufmasche), auf diesen Begriff soll der Name Nylon zurückgehen. Was sich jedoch als Illusion erwies. In speziellen Werkstätten wurden die Laufmaschen repariert. Mode war in den 50er-Jahren eben noch kein Wegwerfprodukt.
Dass man Strümpfen überhaupt Aufmerksamkeit schenkte, galt lange als undenkbar. Denn das weibliche Bein war unsichtbar, verborgen unter bodenlangen Röcken. Erst die 1920er-Jahre brachten seine Befreiung und setzten damit den Siegeszug der seidenen Strümpfe in Gang. Strumpf und Mode lebten fortan eine Art Symbiose. Rutschten die Rocksäume nach oben, mussten die Strümpfe mitziehen.
Als dann in den 60er-Jahren der Minirock aufkam, reichten selbst die mit Hüfthaltern getragenen Varianten nicht mehr aus: Die Strumpfhose trat ihren Dienst an. Und auch die Mode selbst bediente sich der Fasern. Die Nyltest-Hemden der 50er- und 60er-Jahre zum Beispiel standen für den grenzenlosen Fortschrittsglauben jener Zeit und waren extrem pflegeleicht. Der große Nachteil: Sie trieften nach wenigen Trageminuten vor Schweiß – begleitet von einem penetranten Geruch.
Ganz groß raus kam Nylon dann wieder in den 80er-Jahren. Allerdings nicht am Bein, sondern auf dem Rücken, in Form von Miuccia Pradas schwarzem Rucksack. "Ich wollte das fast Unmögliche schaffen: Nylon luxuriös machen", sagte sie einmal zu dieser Kreation. Solche Umdeutungen wurden zum Leitbild ihrer Mode. Das vermeintlich Altmodische, gar Hässliche machte sie immer wieder zum Trend. Und siehe da: Für den Sommer 2019 brachte sie sogar den knielangen Nylonstrumpf zurück auf den Laufsteg.
Mittlerweile stehen die Zeichen auf Nachhaltigkeit – das "neue Nylon" heißt Econyl. Gewonnen aus alten Fischernetzen und Plastikmüll. Ab dem Jahr 2021 will Prada überhaupt kein neues Nylon mehr verwenden. Das Label Burberry stellte im Sommer eine Kollektion aus diesem recycelten Material vor, mit Trenchcoats, Kurzmänteln, Parkas und Accessoires. Und selbst Tchibo hat Produkte im Sortiment, die auf Nylonabfällen basieren.
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