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Sicherheit

Neue Grenzkontrollen: Politiker aus Südbaden sind zufrieden

Fabian Klask
  • So, 06. Oktober 2024, 07:00 Uhr
    Südwest

     

Deutschland kontrolliert wieder seine Grenzen zu allen Nachbarländern. Südbaden ist davon besonders betroffen. Politiker aus der Region sprechen über Sinn und Folgen der Kontrollen.

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Die Bundespolizei kontrolliert an der Europabrücke zwischen Kehl und Straßburg - der Verkehr aber soll so wenig wie möglich gestört werden. Foto: Michael Probst (dpa)

Seit knapp drei Wochen kontrolliert Deutschland wieder sämtliche Grenzen zu seinen Nachbarn. Das von Bundesinnenministerin Nancy Faeser ausgegebene Ziel: Die Zahl unerlaubter Einreisen soll zurückgehen. Außerdem, so beschreibt es die SPD-Politikerin, habe die Bundespolizei weitere Aufträge: "Schleuser stoppen, Kriminellen das Handwerk legen, Islamisten erkennen und aufhalten".

Der grenzüberschreitende Verkehr – die Pendler und Unternehmen – aber sollen von den Kontrollen so wenig wie möglich gestört werden – verspricht Berlin. Wie fällt die Bilanz nach den ersten Wochen aus? Welchen Einfluss haben die Kontrollen auf das Zusammenleben – und wirken sie überhaupt?

In Weil am Rhein hat man es gleich mit zwei Grenzen zu tun – zur Schweiz und nach Frankreich. Die Kontrollen "haben am Zusammenleben und auch am Lebensgefühl hier bei uns in der Region nichts verändert", sagt Weils Oberbürgermeisterin Diana Stöcker. In Weil haben sie in dieser Hinsicht schon etwas länger Erfahrungen: Seit 2023 wird an der Grenze zur Schweiz wieder stärker kontrolliert. Da habe man "gute Erfahrungen gemacht", sagt die CDU-Politikerin.

Auch in den Straßenbahnen aus Basel na...Rhein sind Bundespolizisten unterwegs.  | Foto: Philipp von Ditfurth (dpa)
Auch in den Straßenbahnen aus Basel nach Weil am Rhein sind Bundespolizisten unterwegs. Foto: Philipp von Ditfurth (dpa)

Gemeinsamer Appell von Straßburg und Kehl

Wohl kaum eine südbadische Stadt ist so mit den französischen Nachbarn verbunden wie Kehl. Grundsätzlich ist Oberbürgermeister Wolfram Britz (parteilos) kein Anhänger der Grenzkontrollen: "Für das Zusammenleben sind sie grundsätzlich ungut", sagt er. Schnell nach Bekanntwerden der Berliner Pläne hat er mit seiner Straßburger Amtskollegin Jeanne Barseghian telefoniert: "Das Wichtigste war, sofort miteinander zu reden", sagt er. Zusammen veröffentlichten sie einen Appell für maßvolle Kontrollen: "Grenzüberschreitende Lebensentwürfe sind bei uns Alltag", schrieben Barseghian und Britz. Mit dem bisherigen Verlauf aber ist er ganz zufrieden – keine Staus wenigstens, auch Radfahrer und Fußgänger kommen meist ohne längere Stopps über die Rheinbrücken.

Mit einer Zwischenbilanz hält sich die Bundespolizei in der Region bisher zurück: In ihren Tagesmeldungen berichtet die Inspektion Offenburg, die unter anderem für den Übergang zwischen Straßburg und Kehl zuständig ist, aber über einzelne Fälle — so auch über Zurückweisungen nach Frankreich: Am vergangenen Sonntag habe man einen 19-jährigen Georgier mit einem gefälschten slowakischen Personalausweis in der Tram von Straßburg nach Kehl angetroffen. Der Mann wurde zurück nach Frankreich geschickt. In einem zweiten Fall wurde ein 55 Jahre alter Mann aus Nigeria nach Frankreich zurückgewiesen. Der Mann hatte einen gefälschten spanischen Aufenthaltstitel dabei. Beide Männer dürfen nun für die nächsten Jahre nicht mehr nach Deutschland einreisen. Außerdem konnte man bei den Kontrollen vereinzelt gesuchte Straftäter festnehmen.

Stuttgarter Innenministerium verweist auf Erfahrungen rund um die Fußball-EM

Auch das baden-württembergische Innenministerium hat noch keine aktuellen Zahlen. In Stuttgart verweist man aber auf die Erfahrungen mit den sechswöchigen Grenzkontrollen rund um die Fußball-EM im Sommer: An den Grenzen Baden-Württembergs zur Schweiz und nach Frankreich seien dabei eine dreistellige Anzahl von offenen Haftbefehlen vollstreckt, über 1500 unerlaubte Einreisen festgestellt worden. Außerdem seien rund 1500 Menschen in die Nachbarländer zurückgewiesen und 26 Schleuser festgenommen worden.

Wie der Kehler Oberbürgermeister sind auch andere Politiker aus der Region erstmal erleichtert, dass die "lageabhängigen Kontrollen" das Grenzleben nicht zu sehr beeinträchtigen. Andreas Schwab, CDU-Europapolitiker aus Südbaden, ist selbst regelmäßig nach Straßburg unterwegs – und erinnert sich noch an die vielen Probleme mit den Grenzschließungen während der Corona-Pandemie. Doch damit sei das aktuelle Vorgehen überhaupt nicht zu vergleichen, sagt Schwab. Auch wenn Nachbarländer wie die Niederlande oder Österreich die Deutschen erst einmal kritisiert hätten, setzt er auf das Verständnis der EU-Nachbarn, die ein großes Interesse daran hätten, "dass die Deutschen sich in Sicherheit fühlen". Der eigentliche Weg sei aber, sagt Schwab, einen Teil der Asylverfahren, wie geplant, an die EU-Außengrenze zu verlagern.

Kehls Oberbürgermeister Wolfram Britz ...Grenze so entspannt bleibt wie bisher.  | Foto: Fabian Klask
Kehls Oberbürgermeister Wolfram Britz hofft darauf, dass die Lage an der Grenze so entspannt bleibt wie bisher. Foto: Fabian Klask

Südbadische Ampel-Abgeordnete sehen aktuell nur wenige Probleme

Auch die südbadischen Abgeordneten der Berliner Ampel-Koalition von SPD, Grünen und FDP stützen grundsätzlich den verschärften Kurs an den Grenzen – euphorisch aber klingen sie nicht. "Ein wesentlicher Teil des Lebensgefühls in unserer Region ist, dass wir die Grenze nicht spüren wollen", sagt etwa der FDP-Bundestagsabgeordnete Martin Gassner-Herz. "Die derzeitige Situation erfordert aber dringend spürbare Maßnahmen gegen illegale Einreisen, solange die Kontrollen an den Außengrenzen der Europäischen Union nicht ausreichen", ergänzt der Offenburger.

Bis vor einigen Monaten hätten es wohl nur wenige für möglich gehalten, dass die Grünen neuen umfassenden Kontrollen an allen deutschen Grenzen zustimmen. Die veränderte Stimmung im Land und nicht zuletzt das Messerattentat von Solingen, wo ein syrischer Asylbewerber drei Menschen getötet hat, haben den Druck auf alle Regierungsparteien erhöht. So stellt sich die Freiburger Bundestagsabgeordnete der Grünen, Chantal Kopf, nicht gegen das Vorgehen, verweist aber darauf, dass die Kontrollen nur in "Ausnahmesituationen" erlaubt sein. Aus der Region hätten sie bisher wenige Beschwerden erreicht, sagt sie. Was Kopf stört: An den Hauptgrenzübergängen zur Schweiz aber, wo schon länger kontrolliert wird, sehe man regelmäßig Lkw-Staus. "Das ist auf Dauer eine unverhältnismäßige Belastung für Wirtschaft und Menschen in der Grenzregion."

Berliner Innenministerium sieht "hohen und anhaltenden Migrationsdruck auf Europa"

Die südbadische SPD-Bundestagsabgeordnete Rita Schwarzelühr-Sutter verteidigt das neue Vorgehen. Es sei "zum Schutz der inneren Sicherheit und zur Reduzierung irregulärer Migration notwendig", sagt die Politikerin aus Lauchringen. Schwarzelühr-Sutter ist Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesinnenministerium. Das Ministerium spricht von "einem hohen und anhaltenden Migrationsdruck auf Europa". Zugleich sagt die Staatssekretärin zu, dass es in den nächsten Monaten ähnlich laufe wie bisher: Die Menschen in den Grenzregionen, Pendler, Handel und Wirtschaft sollen, so die Sozialdemokratin, "so wenig wie möglich von den Kontrollen beeinträchtigt werden". In Kehl, Weil am Rhein und anderswo wird man wohl genau darauf achten.

Ressort: Südwest

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