Neue Besen kehren gut

Der Rapper und Bürgerrechtler Smockey erzählt vom Kampf um die Demokratie in Burkina Faso.  

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Der Rapper und Aktivist Smockey in den Ruinen des Parlamentsgebäudes in Ouagadougou, das während der Proteste gegen Burkina Fasos Regime im Oktober 2014 gestürmt und in Brand gesetzt worden ist. Foto: Outhere
Dass er gerade in Europa ist, um ein paar Konzerte zu geben, wird der Mann aus Burkina Faso als pure Erholung empfinden. Wie ein Durchschnaufen nach dem Chaos, das in seiner Heimatstadt Ouagadougou in den vergangenen Wochen herrschte. "Diese Typen waren sehr entschlossen", erzählt Serge Martin Bambara im Büro seiner Münchner Plattenfirma. "Ich habe viele SMS bekommen, in denen stand: ‚Wenn wir dich kriegen, bringen wir dich um.‘"

Die "Typen", das waren die Kämpfer der alten Garde des gestürzten Präsidenten Blaise Compaoré, die sich im September noch mal mit einem Putsch aufbäumten. Dass sie es auf den Musiker abgesehen hatten, kam nicht von ungefähr. Der 43-Jährige, im Land nur als Smockey bekannt, ist nicht nur ein Protagonist des afrikanischen HipHop. Er führt auch die Bürgerrechtsbewegung Balai Citoyen an, die vor einem Jahr den Autokraten Compaoré aus dem Amt gefegt hat. Im wahrsten Wortsinn: "Balai bedeutet Besen, und er steht als Symbol für unsere Bewegung, die aufräumen will mit Korruption, Ungerechtigkeit, Missmanagement. Ein einzelnes Blatt fegt nicht gut, aber wenn du viele Blätter bündelst wie beim traditionellen afrikanischen Balai, dann kannst du im großen Stil sauber machen."

Das ist in Burkina Faso bitter nötig. Seit Compaoré 1987 durch den Mord am ehemaligen Weggefährten Thomas Sankara die Macht übernommen hatte, herrschte er diktatorisch. Einen Einblick in den damaligen Alltag gibt Smockey mit seinem Song "Le Président, Ma Moto Et Moi": "Ich nehme Compaoré auf meinem Motorrad mit und fahre ihn durch sein Ouagadougou, zeige ihm, dass sich niemand Benzin leisten kann, dass die Krankenhäuser nicht einmal Sauerstoff haben, um die Verletzten zu retten."

Über ein Jahr hat der Balai unter der Führung von Smockey und seinem Reggaekollegen Sams’K Le Jah Tausende mobilisiert, bis die Revolution im Oktober 2014 glückt. Doch es geht nicht reibungslos ab bis zu den geplanten Neuwahlen: Der Septemberputsch der immer noch im Land operierenden Präsidentengarde kostet nochmals 20 Leben. "Als sie einen Minister der Übergangsregierung kidnappten, waren wir sofort wieder auf der Straße und marschierten auf den Präsidentenpalast zu. Sie eröffneten das Feuer, obwohl wir unbewaffnet waren. Dann haben sie gezielt nach den Balai-Anführern gesucht. Ich musste ständig mein Versteck wechseln und war in Sorge um meine Familie. Und dann haben sie mit Raketenwerfern mein Studio zerstört."

Doch der Mut des Balai und seine gute Vernetzung über soziale Medien siegt über Compaorés Schergen. Die Telefongesellschaften denken nicht daran, ihre Netze auf Befehl der Garde zu unterbrechen. Und als eine Delegation der Nachbarstaaten bei Friedensverhandlungen eine Amnestie für die alte Garde rausholen will, ist der Balai unnachgiebig. Nein, jeder soll sich vor Gericht verantworten müssen. Wieder erklärt sich die Armee solidarisch mit der Bewegung.

"Wir müssen stolz auf unsere Generation sein, sie hat ihre Aufgabe erfüllt", sagt Smockey. Doch wie geht es jetzt weiter im Land? "Jeder der 17 Millionen Burkinabe kann Präsident werden", ist der Rapper im Hinblick auf die Wahlen Ende November überzeugt. "Gerade die Jungen müssen wir für die Politik sensibilisieren, zwei Drittel unserer Bevölkerung sind unter 27 Jahre alt." Dabei kommt es natürlich darauf an, dass die auch im Land bleiben. Smockey, der ein Unizeugnis aus Paris in der Tasche hat, macht es vor. "Euch in Europa und in Amerika sage ich: Wenn ihr Afrika helfen wollt, dann helft. Aber hört auf mit euren politischen Spielchen. Denn unsere Länder bluten aus, weil ihr Waffen an Diktatoren exportiert, weil ihr unsere Ressourcen ausbeutet. Je ärmer wir werden, desto mehr werden wir euch stören. Ihr könnt das gerade an den Flüchtlingszahlen ablesen!"

Für den Übergang von Burkina Faso in ein neues Zeitalter liefert Smockey mit seinem Album "Prevolution" den Soundtrack, und es klingt zudem wie ein Tagebuch der vergangenen Jahre. Trotz der brennenden Barrikaden auf dem Cover ist es meilenweit entfernt von einer typischen HipHop-Produktion. Es offenbart sich als regelrecht poetisch und versonnen, umarmt viele Stile von Rap über Reggae und Funk bis hin zu ruhigen Stücken ohne Rhythmussektion und mit traditionellen Gesängen und Balafon.

"Burkina Faso ist sehr offen, was die Musik angeht, es gibt keine Grenzen. Doch im Flow meiner Texte berichte ich von den lokalen Ereignissen. Denn die Worte müssen deine Identität widerspiegeln." Smockey bietet Futter fürs Hirn, erzählt von den Tagen der Revolution und afrikanischen Veteranen, die ihr Blut im Zweiten Weltkrieg für Europas Freiheit gaben. Er analysiert in einer fast schmerzlichen Ballade seine Situation als Mischlingskind und preist die Errungenschaften seines Kindheitshelden Thomas Sankara. Trotz allem ist das Album tanzbar. "Es kommt immer darauf an, warum du tanzt", sagt er zum Schluss des Interviews mit einem Lachen. "Tanzt du nur, weil du glücklich bist, oder weil in dir so viel Dynamik steckt, dass du etwas ändern willst? Das sind zwei sehr verschiedene Tänze!" Momentan hat Burkina Faso Anlass für beide Varianten.

Smockey: Prevolution (Outhere/Indigo), als CD erhältlich ab 13. November
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