Mundart lieben, Hochdeutsch lernen
Um im Beruf kompetent zu wirken, verzichten viele auf Dialekt / Doch der hat auch Vorteile / Zu Besuch in einem Sprachkurs.
Isabella Hafner
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BOLSTERLANG. Im Allgäu lernen Allgäuer Hochdeutsch. Und in Düsseldorf versuchen es die Rheinländer. Weil immer mehr Menschen im Job überregional tätig sind, sind Hochdeutsch-Schmieden im Kommen. Aber steht der Dialekt deshalb auf dem Abstellgleis? Mitnichten! Denn Dialektsprecher haben auch Vorteile.
Willikonsky lebt gerne im Allgäu. Doch als Logopädin weiß sie auch: "Die Allgäuer öffnen ihren Kiefer zu wenig, das ‚R‘ ist ihnen nach vorn gerutscht, es mangelt an Klang und Deutlichkeit. So wirken sie schwerer zugänglich und abgewandt, obwohl sie das nicht sind." Auch wenn sie Englisch oder Französisch sprechen, höre man den Dialekt durch und damit ein ländliches Image.
"Eigentlich bräuchte man keine Hochdeutsch-Kurse", sagt sie. "Aber immer mehr Menschen sind beruflich überregional tätig. Es ist erleichternd, wenn sie sich im Gespräch oder Vortrag nicht auf die Sprache konzentrieren müssen."
Die Allgäuer Sprachschule ist dabei kein Unikum. Auch in anderen Städten gibt es entsprechende Kurse, bei denen sich Schwaben oder Rheinländer ihren Dialekt abtrainieren können. Bei einem Düsseldorfer Sprachinstitut heißt es: "Es geht nicht darum, die eigene Herkunft und Heimat zu verleugnen. Regionale sprachliche Besonderheiten sind schützenswert und tragen zur Sprachvielfalt bei." Im Job sei es aber von Vorteil "dialektfreies Hochdeutsch tadellos zu beherrschen". Und der Weg dahin sei nicht leicht: "Einen hinderlichen Dialekt loszuwerden und akzentfrei zu sprechen ist nicht so einfach."
Markus Zieris möchte genau dies erreichen. Daher hat der Allgäuer Mediengestalter einen Kurs in Bolsterlang absolviert. "Ich habe Kunden im Allgäu und in Hamburg. Da wird sofort gefragt, wo ich herkomme und ob da alle so sprechen." Für den 49-Jährigen sei das zwar oft ein netter Gesprächseinstieg, doch manchmal lenke es von der Sache ab.
Laut Willikonsky kann jeder Dialektsprecher Hochdeutsch lernen. Erst mal gehe es darum, gewisse Wörter auszutauschen. "Grüß Gott" wirke im Norden fromm, und dann gebe es noch die "Viertel vor, Viertel nach und Dreiviertel"-Missverständnisse bei der Frage der Uhrzeit. Die Trainerin will Dialekte nicht austreiben. "Das geht auch nicht, es ist wie Radfahren", sagt sie. "Zwar spricht weniger Dialekt, wer eine Zeit lang nicht in der Heimat war. Aber kaum ruft jemand von dort an, wird umgeschaltet. Wir haben immer das Bedürfnis uns anzupassen."
Dialektsprecher wirkten zudem oft sympathischer, sagt sie und nennt die singenden Rheinländer und Badener. Die meisten Menschen hätten heute nur noch eine dialektale Färbung. Vor allem in Städten sprechen Kinder Hochdeutsch.
Über ein mögliches Schulfach "Mundart" wird daher immer wieder diskutiert. Wissenschaftlicher Konsens ist, dass Dialektkinder, die auch Hochdeutsch beherrschen, sprachlich vergleichbar sind mit mehrsprachig aufwachsenden Kindern. Längst gibt es Unterrichtsmaterialien für die Dialektförderung, doch nach Angaben des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband genießt Dialekt zwar breite Akzeptanz, wird jedoch an nur wenigen Schulen aktiv gefördert. Dialekt- haben gegenüber Hochdeutschsprechern dabei einen weiteren Vorteil, wie Willikonsky betont. Umgekehrt sei es fast unmöglich, einen Dialekt später zu lernen. "Das hört sich immer peinlich-bemüht an", sagt die Expertin.
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