London
Modeschöpferin Vivienne Westwood wird 75
Provokationen sind ihr Leben, ob als Mode-Rebellin und Erfinderin der Punk-Uniform, mit ihren Protesten gege Konsum – und selbst bei der Ordensverleihung durch die Queen.
Uli Hesse & dpa
Fr, 8. Apr 2016, 0:00 Uhr
Panorama
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Doch drei Jahre später verlor sie ihr Herz an den Kunststudenten Malcolm McLaren, den Gründer und Manager der Punk-Band Sex Pistols. Er inspirierte Westwood, ihr kleinbürgerliches Hausfrauen-Dasein hinter sich zu lassen und Agitprop-Kleidung zu nähen. Zusammen mit McLaren eröffnete sie 1970 auf der Londoner King’s Road ihre erste Boutique. Schnell entwickelte sich der Laden zum absoluten Trendsetter. Der Name wechselte wie die Mode: "Let it rock", "Too fast to live, too young to die", "SEX", "Seditionaries" (Aufwiegler) und schließlich "World’s End".
Während sie ihre beiden Söhne Ben Westwood und Joseph Corré großzog, schuf sie Sadomaso-Monturen für die Musiker der Sex Pistols und inspirierte die Punk-Mode wie keine Zweite. Auch nach der Trennung von McLaren blieb sie ihrer rebellischen Kreativität treu. Vor allem schräge Schottenkaros und verzerrte Elemente der exaltierten Mode des 18. und 19. Jahrhunderts wurden ihr Markenzeichen: Korsagen, Wespentaillen, Reifröcke für voluminöse Hintern. Das schrille Stilrecycling ist Programm. Als Insignien für ihr Label hat die einstige Punk-Queen einen von einem Saturnring umzirkelten Reichsapfel auserkoren.
Anfang der 90er Jahre legte Westwood auch als Geschäftsfrau richtig los. Bald gehörte sie zu den ganz Großen der Branche, ihre Catwalks zu den Höhepunkten der London Fashion Week. Die britische Königin ließ sich zwar nicht modisch von Westwood inspirieren, hielt ihr Werk aber in Ehren. Sie nahm Westwood 1992 in den "Order of the British Empire" auf. Diese Gelegenheit ließ sich die Modeschöpferin nicht entgehen: Die Fotografen zumindest waren begeistert, als sich bei einem Windstoß herausstellte, dass Westwood auf einen Schlüpfer unter ihrem edlen Rock verzichtet hatte. So geschockt kann die Queen aber nicht gewesen sein, denn 14 Jahre später machte sie Westwood zur Dame.
Provokationen gehören immer noch zu Vivienne Westwoods Repertoire, doch heute trägt sie ihre Überzeugungen lieber als Parolen auf T-Shirts zur Schau, von "I am not a terrorist, please don’t arrest me" bis hin zu "Climate Revolution". Ihr Engagement reicht von Protesten gegen Fracking und Massentourismus auf Kreuzfahrtschiffen bis hin zum Klimawandel. Einmal pro Monat besuche sie den umstrittenen Wikileaks-Aktivisten Julian Assange in der ecuadorianischen Botschaft: "Ich quetsche ihn nach neuen Ideen aus. Ich denke, er ist genial." Und der Botschafts-Kaffee sei wirklich gut. Natürlich ziert eines ihrer T-Shirts der Slogan "I’m Julian Assange."
Inzwischen hat ihr Ehemann und langjähriger Designpartner, der 25 Jahre jüngere Tiroler Andreas Kronthaler, die modischen Zügel übernommen. Im März zeigte er seine erste eigene Kollektion unter dem Namen "Andreas Kronthaler for Vivienne Westwood". Die Beifallsrunde auf dem Laufsteg legten die beiden Händchen haltend zurück. Westwood wie immer mit dunkelrotem Lippenstift, orangefarbenem Lidstrich und Augenbrauen. Die ewige Rebellin.