"Mit dem Klavier meiner Tante fing alles an"
ZISCH-INTERVIEW mit Jochen Frank Schmidt, Komponist und Intendant des Gloria-Theaters in Bad Säckingen, der unter anderem erzählt, wie er Musicals schreibt.
Adrian Herzog, Klasse 4b, Hebelschule, Nollingen (Rheinfelden)
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Zisch-Reporter Adrian Herzog aus der Klasse 4b der Hebelschule in Rheinfelden-Nollingen hat Jochen Frank Schmidt interviewt, Komponist und Intendant des Gloria-Theaters in Bad Säckingen.
Schmidt: Fünf, und jetzt schreibe ich gerade an meinem sechsten.
Zisch: Wie lange braucht man ungefähr, um ein Musical zu schreiben?
Schmidt: Ich brauche normalerweise so zweieinhalb Jahre. Ich muss aber nebenher auch noch viele andere Sachen machen. Ich glaube, wenn ich den ganzen Tag nur Musicals schreiben würde, würde ich’s in einem Jahr schaffen.
Zisch: Was muss man alles beachten, wenn man schreibt?
Schmidt: Man muss ziemlich viel beachten. Es muss einen guten Titel haben, es muss eine Geschichte sein, die es wert ist erzählt zu werden. Die Geschichte muss auch auf der Bühne dargestellt werden können, weil wir ja keinen Film machen, sondern alles live präsentieren. Natürlich muss man auch viele tolle Lieder schreiben, gute Melodien. Das muss alles irgendwie zusammen passen. Und dann geht es in die Details, da gibt es ganz viele Dinge, die aufeinander abgestimmt werden müssen, wenn es ein gutes Musical werden soll.
Zisch: Wie sind Sie dazu gekommen, Komponist zu werden?
Schmidt: Es ging damit los, dass meine Tante ein Klavier hatte, und ich schon als Drei- bis Vierjähriger auf den Tasten herumgedrückt habe. Laut meiner Familie hat das Geklimper in irgendeiner Form sogar Sinn gemacht. Dann habe ich Klavierunterricht gekriegt mit sechs Jahren, aber ich fand es immer total langweilig, die Noten nachzuspielen. Ich habe auch nie gern geübt, deswegen hatte ich auch keine großen Erfolge. Aber, was mich immer interessiert hat, war, warum das schön klingt. Wenn ich diese zwei Töne spiele, ist es "bäääh", und wenn ich diese zwei Töne spiele, klingt es "aaah"! In der Grundschule hatte ich einen Lehrer, der besaß eine Hammond-Orgel mit Begleitautomatik. Das fand ich das Allergrößte! Der konnte mit nur einem Instrument eine ganze Band machen, das fand ich Wahnsinn! Ich habe schon immer versucht, selber Lieder zu schreiben; das erste habe ich mit fünf Jahren geschrieben. Ich habe es mit der Schreibmaschine von meinem Papa getippt und meinem Opa zum Geburtstag geschenkt. Mich hat auch immer interessiert, warum sich Sachen reimen. Ich habe sogar mal in der ersten Klasse ein Buch geschrieben mit allen Reimen, die ich kannte, und habe so ganz einfache Lieder zusammengereimt. So bin ich dazu gekommen, Musik zu machen. Erst sehr spät kam die Autorenarbeit dazu, weil alle meine Deutschlehrer der Überzeugung waren, dass ich schlecht bin.
Zisch: Aus was und wie bauen Sie die Kulissen?
Schmidt: An Kulissen gibt es ganz unterschiedliche Arten. Eine ganz altertümliche Art ist folgende: Man baut einen Rahmen aus Holz, bespannt den mit einer Leinwand und malt dann etwas drauf. Mittlerweile gibt es auch andere Materialien wie Kappa, das ist ultraleichter Schaumstoff, beidseits beklebt mit einer Lage Papier, aber stabil wie ein Brett. Wir machen aber auch viel mit Projektion. Ich war immer ein Fan davon, mit Licht Kulissen zu bauen, weil Licht sehr günstig ist (lacht). Es gibt aber auch Kulissen im Musicalbereich, die sind absolut echt. Ein Schreibtisch ist zum Beispiel ein echter Schreibtisch.
Zisch: Wie schwer ist es, so ein Musical zu machen?
Schmidt: Überhaupt nicht schwer! (lacht) Nein, es ist natürlich sauschwer. Das können nur wenige Leute. Kreativität – wird besonders in unserem Land – von Kindesbeinen an jedem abtrainiert. Und wenn dann jemand überlebt so wie du, dann ist er einer unter Tausenden, der sowas kann. Und ich war halt auch so jemand. Kreativität ist das Schwierigste dabei. Aber für mich ist es nicht schwer; schwieriger wäre es für mich, auf einen Baum zu klettern oder acht Stunden in irgend einem Büro zu sitzen und Zahlen von A nach B zu transferieren!
Zisch: Wie fühlt sich das an, der Chef zu sein?
Schmidt: Man würde denken, dass es sich gut anfühlt. Also, ich muss leider sagen, wahrscheinlich ist es so fifty-fifty; es gibt viele Momente, wo es ziemlich cool ist, der Chef zu sein, weil man sagen kann: ,,Nöö, dat machen wir so!" Dann kann keiner was dagegen sagen, weil man ja der Chef ist. Aber man hat auch viel Verantwortung, auch für die Mitarbeiter. Denn schließlich will ja jeder am Ende seinen Lohn haben. Und wenn man Mist baut als Chef, dann funktioniert das nicht. Als Chef bist du auch manchmal der Böse, weil du auch Sachen sagst, die den Leuten nicht gefallen. Das ist nicht leicht. Aber trotzdem bin ich gerne Chef.
Zisch: Was machen Sie noch, außer Musicals zu schreiben?
Schmidt: Ich habe eine Familie, zwei tolle Kinder und eine Frau, und wir machen viele coole Sachen zusammen: Ausflüge, Urlaube... Mein großer Sohn ist ein sehr guter Fußballer, da gehe ich viel mit ihm Fußballspielen und begleite ihn zu Fußballturnieren. Sonst bleibt nicht mehr viel Zeit, weil ich praktisch mein Hobby zum Beruf gemacht habe. Manchmal gehe ich abends, wenn die Kinder schon schlafen, noch ins Studio und mache Musik oder programmiere ein bisschen.
Zisch: Wie lange sind Sie schon Komponist?
Schmidt: Das erste Lied habe ich wie gesagt geschrieben, als ich fünf Jahre alt war. Wobei ich das, was ich damals für meinen Opa verfasst habe, heute nicht mehr unbedingt als Lied bezeichnen würde. So ein richtiges Lied habe ich das erste Mal mit 14 oder 15 geschrieben. Das heißt, ich bin jetzt seit insgesamt 25 Jahren Komponist.
Zisch: Wie viel Spaß macht es Ihnen, so etwas zu machen?
Schmidt: Es macht mir mega Spaß! Manchmal ist es aber nicht nur Spaß, denn wo Sonne ist, da ist auch Schatten. Oftmals ist es auch so, dass du eine Woche lang – oder sogar einen Monat – da hockst, und es kommt einfach keine gute Idee. Dann denkt man sich schon: Mein Gott, hast du jetzt schon alles geschrieben, alle Melodien, die in deinem Kopf sind, aufgeschrieben? Wie gesagt schreibe ich jetzt an meinem sechsten Musical, ich habe davor zwei Alben für meine Band geschrieben. Das zusammengerechnet sind es über 110 Songs, die ich in meinem Leben geschrieben habe. Dann kommen da noch etwa 50 Songs hinzu, die ich mal irgendwann in die Tonne getreten habe – oder noch mehr! Mit jedem Song wird’s auch schwieriger, weil ich mich oft selber auch kopiere. Und in solchen Momenten macht es dann keinen Spaß.
Zisch: Ihr letztes Musical "Happy Landing" war ja sehr erfolgreich; wie heißt das neue Stück und worum geht es?
Schmidt: Es heißt "Tommy Tailors Traumfabrik" und da geht es um unsere Träume. Viele denken, dass unser Gehirn uns, wenn wir träumen, einen Streich spielt und alles durcheinander würfelt, wenn wir uns ausruhen. Das ist natürlich totaler Blödsinn, weil eigentlich werden unsere Träume in großen Traumfabriken in einem anderen Land hergestellt, das heißt "Immerwo". Diese Träume werden dann in Traumnebeln gespeichert und fliegen Nacht für Nacht zu uns Menschen. Tommy Tailors Traumfabrik, eine der erfolgreichsten Fabriken, gerät in Schwierigkeiten und kann nicht mehr so viele Träume verkaufen. Bald steckt auch das ganze Land in Schwierigkeiten. Da muss Tommy Tailor mit seinen Freunden das Land "Immerwo" retten. Und das wird dann sehr spannend!
Zisch: Wie sind Sie auf diese Idee zu dem Musical gekommen, was hat Sie inspiriert?
Schmidt: Das sind bei mir immer mehrere Ideen, und die verbinde ich dann zu einem Stück. Wir wollten ein Stück schreiben, das in einer anderen Welt spielt. Aber in welcher? Ich habe ja zwei kleine Kinder und meine Frau sagt immer, wenn sie die beiden ins Bett bringt: "Viel Spaß im Traumland!" Das war dann so eine Idee. Wir wollten es auf jeden Fall in einer Welt machen, wo skurrile Figuren vorkommen, wo es Zauberer gibt, Einhörner, Feen und so weiter. Mein Sohn spielt ja ganz gerne Schlagzeug und hat sich von mir mal eine CD ausgeliehen von den "Toten Hosen". Die hat er dann ganz laut laufen lassen und ich habe mit einem Ohr mitgehört. Da gibt es ein Lied: "Auf dem Weg in ein neues Jahrtausend". Ich hörte diese Textzeile: "Bald werden Wunder am Fließband hergestellt." Da wusste ich: Im Musical gibt es eine Traumfabrik!
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