Zischup-Interview
"Mich interessieren auch die schrecklichen Fälle"
Was macht ein Strafverteidiger? Und was muss er alles können? Dominik Hammerstein erklärt es dem Schülerreporter Dominic Hupfer vom Berthold-Gymnasium im Interview.
Dominic Hupfer, Klasse 8 b & Berthold-Gymnasium Freiburg
Do, 17. Nov 2011, 18:12 Uhr
Schülertexte
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Dominik Hammerstein: Ich bin Strafverteidiger. Ich verteidige Menschen, die einer Straftat beschuldigt werden, aber auch Menschen, die durch Straftaten geschädigt worden sind.
Zischup: Was muss ein Strafverteidiger machen, wenn er einen Mandanten verteidigt?
Hammerstein: Am Anfang muss mich der Mandant bevollmächtigen. Dann kann ich mit dieser Vollmacht die Strafakte des Mandanten bei der Staatsanwaltschaft anfordern. In dieser steht alles, was die Polizei gegen den Mandanten in der Hand hat. Nun berate ich den Beschuldigten, was er für rechtliche Möglichkeiten hat, sich gegen die Anschuldigungen zu wehren und was er tun muss, um seine Tat, wenn er geständig ist, in milderem Licht erscheinen zu lassen.
Zischup: Können Sie uns ein Beispiel geben?
Hammerstein: Ein Mann hat jemanden geschlagen und schwer verletzt. Dann kann es hilfreich sein, ihm den Weg zu zeigen, wie er den Schaden des Verletzten wieder gut machen kann, weil der Richter ihm das später positiv anrechnet. Bestreitet er die Tat, dann berate ich ihn, wie er seine Unschuld beweisen kann.
Zischup: Wenn Sie nun einen Mandant vor sich haben, der fünf Menschen auf dem Gewissen hat, übernehmen Sie so einen Fall oder lehnen Sie so etwas ab?
Hammerstein: Selbstverständlich übernehme ich ihn. Ich bin zuallererst neugierig, das heißt, mich interessieren auch und gerade die schrecklichen Fälle, weil man auf diese Weise ähnlich, wie ein Psychiater, Dinge erlebt, die andere Menschen nicht erleben. Das finde ich spannend. Entscheidend ist nicht, ob ich einen solchen Menschen verteidige, sondern wie ich ihn verteidige. Im übrigen muss auch der Mensch, der etwas Schlimmes getan hat, ein Anrecht haben, verteidigt zu werden, damit es zu einem gerechten Urteil kommt. Insbesondere möchte der Richter für ein gerechtes Urteil auch positive Dinge und nicht nur negative Dinge zur Person des Beschuldigten hören. Und eine meiner Aufgaben ist es, genau diese Dinge im Gespräch mit meinem Mandanten herauszuarbeiten.
Zischup: Ist es für Sie schwer, so einen Fall durchzubringen, wenn Sie wissen, dass Sie verlieren werden und der Mandant verurteilt wird?
Hammerstein: Es gibt kaum einen Fall, den man von vorne herein verlieren kann, weil Sieg und Niederlage immer davon abhängen, was man als Ziel definiert. Als Strafverteidiger muss ich erkennen, was möglich ist, und nur im Rahmen der Möglichkeiten stellt sich dann die Frage nach dem Erfolg oder auch Misserfolg. Als Strafverteidiger ist man nie Zauberer, sondern allenfalls Künstler des Möglichen.
Zischup: Gibt es an Ihrem Beruf etwas, was Sie jeden Tag aufs Neue fasziniert? Und gibt es andererseits auch Dinge, auf die Sie sich nicht freuen, wenn Sie morgens aufwachen?
Hammerstein: Es gibt viele Dinge, wie im Leben überhaupt, auf die man sich nicht freut, aber eben auch viele Dinge, die einen reizen, auf die man Lust hat. Bei einem Strafverteidiger besteht die Arbeit naturgemäß aus viel Streit und ein solcher Streit kann unterhaltsam sein, wenn die Menschen höflich und respektvoll miteinander umgehen und unschön, wenn solche Regeln nicht eingehalten werden. Gerade wenn es um viel geht, ist das wichtig.
Zischup: Was hat Sie damals an dem Beruf interessiert, als Sie ihn gelernt haben?
Hammerstein: Mich haben immer Menschen interessiert, die die Grenzen und Schranken der Gesellschaft überschreiten, die das tun, was andere nicht tun und sei es noch so böse. Bis hin zu der Frage: Was bringt einen Menschen eigentlich dazu, einen anderen Menschen zu verletzen oder gar zu töten? Die häufigste Frage, die mir gestellt wird, ist folgende: Können Sie jemanden auf Freispruch verteidigen, von dem Sie wissen, dass er die Tat getan hat, insbesondere bei einer schlimmen Tat etwa, wenn es sich um einen Mord handelt? Diese Frage mag interessant klingen, sie kommt aber in der Praxis so gut wie nie vor, jedenfalls wenn es sich um sehr schwere Straftaten handelt.
Zischup: Warum nicht?
Hammerstein: In solchen Fällen gibt üblicherweise ein Täter nicht zu, dass er der Tat schuldig ist. Man ist dann genauso klug wie das Gericht. Und wenn es um kleinere Fälle geht, kann man in der Regel damit leben, mehr zu wissen als das Gericht. Wichtig ist, dass man als Strafverteidiger Distanz zum eigenen Mandanten behält und die Dinge so beurteilt, wie sie sich aus Sicht des Gerichts objektiv zugetragen haben könnten. Über das, was der Mandant mir erzählt hat, darf ich ohnehin wegen meiner Schweigepflicht nicht reden.
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