"Mein Rat wäre: Sei offen und trau dich"
ZISCHUP-INTERVIEW mit Anna Jania, die vor zwölf Jahren zusammen mit ihren beiden Töchtern ihr Heimatland Polen verließ und in Deutschland neu anfing.
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Leicht fiel ihr der Neuanfang in Deutschland nicht. Trotzdem ist Anna Jania geblieben. Ihre Tochter Klaudia Jania, Schülerin der Klasse 9b des Freiburger Wentzinger Gymnasiums, wollte wissen, warum sie überhaupt ihr Heimatland Polen verlassen hat und wie sie auf die vergangenen zwölf Jahre zurückblickt.
Jania: Ich war 30 Jahre alt, also lebe ich hier schon seit fast zwölf Jahren.
Zischup: Wie war dein Leben damals in Polen? Hast du gearbeitet und wie war dein Alltag allgemein?
Jania: Mein Leben in Polen war gut. Ich habe damals in einem Büro gearbeitet, obwohl ich eigentlich gelernte Physiotherapeutin bin. Allerdings war es für mich schwer, eine Arbeitsstelle als Physiotherapeutin zu finden, also bewarb ich mich im Büro. Dieser Job war ausreichend für mich und hat mir auch gefallen. Mein Mann und ich hatten zu der Zeit schon unsere eigene Wohnung. Mein Mann hat schon seit längerem in Deutschland gearbeitet. Er konnte in Polen keinen idealen Job finden und hatte in Deutschland einen besseren Lohn, um die Familie zu versorgen. Die meiste Zeit war ich also alleine mit meinen Kindern. Und wenn ich bei der Arbeit war, hat meine Mutter auf sie aufgepasst.
Zischup: Hattest du schon früher darüber nachgedacht, ins Ausland zu gehen?
Jania: Das war eher spontan. Ich hatte nie wirklich gedacht, dass ich später in ein anderes Land ziehen werde. Das war für mich schwer vorstellbar. Ich hatte in Polen mein ganzes Leben, meine Freunde, meine Familie und meine Arbeit. Ich habe mich sehr wohl gefühlt in meiner Heimat. Klar, als ich dann meine eigene Familie gegründet habe, wurde es knapp mit dem Geld – und mein Mann ist zum Arbeiten nach Deutschland. Am Anfang dachte ich auch noch nicht drüber nach, weg zu ziehen. Aber irgendwann kam der Gedanke schon. Aber erst später.
Zischup: Weshalb bist du nach Deutschland gezogen, wenn du in deiner Heimat zufrieden warst?
Jania: Es ging natürlich auch um Arbeit, doch für mich war das nicht der wichtigste Grund. Mein Mann war die meiste Zeit in Deutschland.Er hatte dort eine feste Arbeit und fing grade damit an, sich selbstständig zu machen. Es war für mich
sehr schwer, meinen Mann so selten zu sehen. Die Kinder waren noch klein und haben das nicht gemerkt. Aber ich wusste, je älter sie werden, desto mehr wird es ihnen auffallen.Wir waren eine Familie, also entschied ich mich dafür, auch als Familie zu leben. Es war für mich eine schwere Entscheidung. Ich hatte keine Ahnung, was auf mich zukommt.
Zischup: Was waren deine größten Zweifel und Ängste, als du in Deutschland neu angefangen hast?
Jania: Ich konnte zu der Zeit kein Wort Deutsch. Ich glaube, das war meine größte Angst. Ich konnte mit niemanden reden. Es war für mich schon eine Überwindung, in den Supermarkt zu gehen, einfach weil ich Angst hatte, dass jemand mich anspricht und ich nicht antworten kann. Meine einzige Erwartung war, dass unsere Familie endlich beisammen ist. Zum Glück waren meine Kinder noch klein. Meine ältere Tochter war sechs Jahre alt und meine andere zweieinhalb. Sie waren im Kindergarten und in der Schule mit anderen Kindern. Meine Töchter haben die deutsche Sprache auch sehr schnell gelernt. Und zu Hause redeten wir immer noch Polnisch, worauf ich jetzt sehr stolz bin. Für mich war es schwerer, Deutsch zu lernen als für meine Kinder.
Zischup: Dass du deine beiden Kinder zweisprachig erzogen und deine Kultur beibehalten hast, finde ich sehr bewundernswert und wichtig. Du sagst, dass deine Kinder im Kindergarten und in der Schule waren. Hat das dir ermöglicht, in einen Sprachkurs oder sowas in der Art zu gehen?
Jania: Einerseits war es eine Erleichterung, zusammen mit den Kindern hier zu sein. Ich hatte so immer jemanden bei mir, der mich motiviert hat, positiv zu bleiben. Andererseits war es manchmal schwerer für mich, da ich nicht wirklich arbeiten oder in einen Sprachkurs gehen konnte. Da mein Mann tagsüber bei der Arbeit war, musste ich bei meinen Kindern bleiben, zumindest als sie noch klein waren. Am Anfang war ich in einem Abendkurs. Dieser hat aber nicht viel gebracht, und als die Kinder dann älter waren, ging ich in einen Kurs, der von morgens bis 13 Uhr ging, um noch die Kinder abzuholen. Nachdem ich fertig mit dem Sprachkurs war, fing ich an, für ein paar Stunden am Tag zu arbeiten. Und irgendwann konnte ich dann für einen halben Tag zur Arbeit.
Zischup: Warum war es für dich schwer, dich in Deutschland wohl zu fühlen?
Jania: Vieles war sprachbedingt. Ich hatte zwar meinen Kurs fertig und konnte schon einiges auf Deutsch, aber ich war mir trotzdem unsicher. Das hat mich eingeschränkt. Ich hatte Angst davor, auf den Spielplatz oder in den Supermarkt zu gehen. Ich wollte mit niemanden reden, weil ich Angst hatte, dass ich mich lächerlich mache. Als ich nach Deutschland kam, gab es noch nicht so viele Menschen aus anderen Ländern hier. Ich habe mich hier ausgeschlossen gefühlt. Das hat dazu geführt, dass ich mich immer mehr verschloss. Ich hatte hier am Anfang gar keine Freunde. Ich konnte mit niemanden etwas unternehmen. Das kam erst später, als ich kontaktfreudiger wurde und mehr Selbstbewusstsein hatte.
Zischup: Wie fühlst du dich heute in Deutschland?
Jania: Heute geht es mir hier so viel besser. Ich bin glücklich mit meinem Alltag. Ich werde mich hier nie so fühlen wie in Polen, aber das ist normal und auch gut so. Ich kann mich heute mit allen verständigen und habe keine Angst mehr, dass ich etwas falsch sage. Ich habe so viele neue Menschen kennengelernt. Und da meine Kinder jetzt älter sind, kann ich zur Arbeit oder kann auch ab und zu ausgehen. Ich bin so viel offener geworden. Ich denke, es war gut, dass ich die Entscheidung getroffen habe, nach Deutschland zu ziehen. Durch die bessere Arbeit haben wir viel mehr Möglichkeiten, Dinge zu tun, die uns in Polen nicht möglich gewesen wären. Meine Kinder finden sich hier super zurecht und bekommen eine tolle Schulbildung, die ihnen so viele Türen für neue Möglichkeiten eröffnet. Und wir leben alle zusammen als Familie und sind damit sehr glücklich. Ich bereue meine Entscheidung nicht, die ich vor zwölfJahren getroffen habe.
Zischup: Es ist schön zu hören, dass du trotz aller Schwierigkeiten einen Weg zum Glück gefunden hast. Wenn du dir selbst vor zwölf Jahren einen Ratschlag hättest geben können, welcher wäre das gewesen?
Jania: Ich würde sagen: Sei offen und trau dich. Es gibt nichts, für was man sich
schämen sollte, nicht die Sprache und auch nicht die Herkunft. Ich weiß sehr gut, wie schwer es ist, so vieles zurückzulassen, aber sobald man positiv denkt und sich selbst nicht runtermacht, wird es mit der Zeit immer besser.
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