Bilanz von 2015

Mehr Drogendelikte rund um baden-württembergische Schulen als in jedem anderen Bundesland

In keinem Bundesland hat die Polizei 2015 mehr Drogendelikte rund um Schulen registriert als in Baden-Württemberg. Alarmierend? Nicht unbedingt, denn es gilt: Je mehr Kontrollen desto mehr Fallzahlen. Außerdem fanden diese überwiegend nach Schulbetrieb statt.  

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Eine Gruppe Schüler auf dem Pausenhof (Symbolbild) Foto: dpa
In keinem Bundesland hat die Polizei 2015 mehr Drogendelikte rund um Schulen registriert als in Baden-Württemberg. Mit 939 Fällen hat sich die Zahl gegenüber 2011 sogar fast verdreifacht. Selbst im bevölkerungsreichsten Land Nordrhein-Westfalen gab es vor zwei Jahren nur 897 Fälle und damit eine Verdoppelung gegenüber 2011. Alarmierende Zahlen? Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) versichert zwar, sie nehme das Thema "sehr ernst" – aber die Entwicklung ist für sie nur Anlass, die Präventionsprogramme zu prüfen.

Wird mehr kontrolliert, steigen die Fallzahlen automatisch an

Die Zurückhaltung ist freilich nachvollziehbar. Das Innenministerium hat bereits im vergangenen Herbst darauf hingewiesen, dass Drogenkriminalität "ein klassisches Kontrolldelikt" sei: Wird mehr kontrolliert, steigen die Fallzahlen automatisch an. Auch ist mit dem Tatort "Schule" keineswegs gesagt, dass der Schulbetrieb oder Schüler davon berührt sind.

Ein Sammelplatz – nicht bloß für Schüler

Die polizeiliche Statistik macht zwar keine Aussagen zur Uhrzeit, aber wie ein Sprecher des Innenministeriums am Montag gegenüber der BZ erklärte, fänden die Kontrollen ganz überwiegend nach Ende des Schulbetriebs bis in die Nachtstunden hinein statt. Und Schulhöfe seien mancherorts beliebter Sammelplatz nicht bloß für Schüler, sondern auch für Jugendliche und Erwachsene aus der Nachbarschaft. Das sagen auch die Zahlen: 2015 waren 34 Kinder, 471 Jugendliche, 212 Heranwachsende und 160 Erwachsene bei Drogendelikten auf Schularealen erwischt worden.

Ministerium: "erhöhten Anzeigenbereitschaft von Aufsichtspersonal"

Das Innenministerium erklärt die Zunahme der Fallzahlen nicht mit vermehrter Drogenkriminalität, sondern, wie der Antwort auf eine Landtagsanfrage vom Oktober vergangenen Jahres zu entnehmen ist, unter anderem mit verstärkten Kontrollen gerade an "jugendspezifischen Treffpunkten" wie Schulhöfen und Schulveranstaltungen, aber ebenso mit einer "erhöhten Anzeigenbereitschaft von Aufsichtspersonal". Und dies wiederum habe vermutlich damit zu tun, dass Schulen und deren Lehrkräfte in den Präventionsprogrammen im Unterricht eng mit Polizisten zusammenarbeiten und so das Vertrauen gewachsen sei. So gebe es immer wieder aus Schulen Hinweise, wenn sich etwa in den Abendstunden auf den Schulhöfen etwas tue.

Konkrete Zahlen zum Drogenkonsum oder zur tatsächlichen Drogenkriminalität über die erfassten Fälle hinaus gibt es nicht. Glaubt man Schulleitern oder Schulpsychologen, gibt es derzeit eher kein drängendes Drogenproblem – dies freilich aus ihrer je begrenzten Übersicht bei mehr als 4000 Schulen im Land. Günter Weng, Leiter der Schulpsychologie im Regierungsbezirk Freiburg, verweist darauf, dass die Zahl der Gewaltdelikte an den Schulen – im Gegensatz zu Drogen ein typisches Anzeigedelikt – in den vergangenen Jahren rückläufig war. Das deute doch daraufhin, dass die Gewaltprävention erfolgreich sei: "Die Sensibilität an den Schulen für dieses Thema ist gewachsen." Das könne ebenso für den Drogenkonsum zutreffen – er spricht von einem relativ konstanten Drogenproblem.

Viele private Partys mit Drogenkonsum

Nach Beobachtungen eines Freiburger Gymnasialdirektors trifft das für seine Schule zu – dies werde auch in Gesprächen mit Schülern bestätigt. Für private Partys gelte das aber nicht, da werde nach seinem Eindruck viel konsumiert, insbesondere neue synthetische Drogen wie Crystal Meths. Nach Auskunft des Innenministeriums ist jedoch Cannabis mit fast 90 Prozent Anteil die eindeutig dominierende Droge in den "Schulhoffällen". Dazu das Innenministerium: "Die andauernde Legalisierungsdiskussion von Cannabisprodukten" oder deren Einsatz in der Medizin seien "Einflussfaktoren", die die Droge bei Jugendlichen ungefährlich oder gar attraktiv erscheinen lasse.

Die Landesstelle für Suchtfragen verzeichnet dementsprechend mehr junge Erwachsene, die sich wegen Cannabis-Konsums an die Beratungsstellen wenden – trotz der Suchtpräventionsprogramme an Schulen. Christa Niemeier, Referentin für Suchtprävention, betont: "Ich finde es problematisch, aus der erfassten Zahl der Drogendelikte einen Rückschluss auf die Qualität der Programme zu ziehen."

Kultusministerin Susanne Eisenmann hält die Präventionsarbeit an den Schulen weiter für geboten. Sie fügt jedoch hinzu: "Eine wichtige Rolle spielen auch die Eltern. Ohne ihre aktive Mitarbeit ist jedes noch so gute Präventionsprogramm wirkungslos."

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