Romandebüt

Marc Hofmanns "Der Klassenfeind": Alles nur ein böser Traum?

Marc Hofmanns Romandebüt "Der Klassenfeind" ist eine Lehrersatire, die manchen Schwachsinn heutiger Pädagogik zutage fördert.  

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Marc Hofmann  | Foto: Brit Schilling
Marc Hofmann Foto: Brit Schilling
Nein, Dante – nicht der Fußballer – war kein Lehrer. Da hat er Glück gehabt. Die Gesamtlehrerkonferenz hätte er sonst in den neunten Kreis der Hölle verlegt. Meint Harry Milford, der leider kein Dichter geworden ist. Statt dessen knechtet er als Pädagoge an einem Gymnasium – und die vielen Jahre mit pubertierenden Ignoranten haben ihn verbittert und zum Zyniker gemacht. Mit Ende vierzig ist er in einer emotionalen Sackgasse gelandet: Auch privat läuft nicht mehr viel.

Seine Frau Karen, eine Heilpädagogin, findet Rückhalt und Verständnis bei einem feinstofflich durchdrungenen Kollegen, seine 16-jährige Tochter findet ihn nur noch peinlich und sein 14-jähriger Sohn ist bis auf weiteres überhaupt nicht ansprechbar. Milford braucht Dante gar nicht, um in der Hölle zu sitzen. Der Krieg findet nicht nur im Nahen Osten oder in der Ostukraine statt. Der Krieg ist vor der Haustür. Sein Schauplatz: die Schule.

Marc Hofmann weiß, wovon er schreibt. Er unterrichtet am Stegener Kolleg St. Sebastian Englisch und Deutsch – aber im Gegensatz zu Harry Milford kann von Frustration und Defätismus bei ihm keine Rede sein. "Der Klassenfeind" – so der Titel seines Romandebüts – ist kein Alter Ego. Er ist eine satirisch extrem zugespitzte Figur, doch wäre nichts dran an Harry Milfords Wut und Weltekel, verlöre man schnell das Interesse an ihm. Und das ist nachgeprüft vorhanden: Marc Hofmann, der auch Frontman der Freiburger Band Ständige Vertretung ist, hat seine Lehrersatire zunächst äußerst erfolgreich vor Publikum erprobt, bevor sie in den Druck ging. Der schreibende Kabarettist Jess Jochimsen hat ihn – wie man in der Danksagung lesen kann – zu dem Schritt ermutigt, sich auch als Autor zu versuchen.

Zum Glück. "Der Klassenfeind" besitzt zwei Stärken, die sich aufs Vergnüglichste vereinen: eine genaue Kenntnis der schulischen Verhältnisse und eine große sprachliche Begabung für dialogische Situationskomik. Beim verbalen Schlagabtausch zwischen Harry und dem ihm vermeintlich feindlich gesonnenen Rest der Welt sitzt jedes Wort: Und klar, dass da auch erfrischend politisch Unkorrektes nicht ausgespart bleibt. Vor allem kennt Marc Hofmann die Sprache der Jugend: Die Zusammenstöße zwischen dem zunehmend verzweifelten Lehrer, der, das weiß er genau, den Kampf gegen seine Schüler nicht gewinnen kann, allenfalls mal eine Schlacht, klingen so authentisch, als stände man direkt daneben.

Kein Wunder, dass die Performance der Lektüre vorausging. Dieses Buch muss man hören – und wenn es lautlos im eigenen Kopf vonstatten geht: Bis man herausplatzt vor Lachen. Denn unter dem Siegel der Übertreibung fördert "Der Klassenfeind" manchen Schwachsinn heutiger Pädagogik zutage. Zu den abstrusesten und bösesten Kapiteln gehört die genüssliche Schilderung einer Klassenfahrt, bei der Erlebnispädagogen den Jugendlichen die Erfahrung von solidarischem Verhalten vermitteln sollen. Dass das gründlich schiefgeht – wen wundert’s.

Und wen wundert’s, dass Harry Milfords tägliche Niederlagen, zuletzt tragischerweise auch noch auf amourösem Gebiet, auf eine Katastrophe zusteuern: In dem von seinen Zöglingen zu seiner eigenen Erschütterung nicht geliketen Oberstudienrat braut sich ein ungesundes Gemisch aus verletzter Eitelkeit und Aggression zusammen. Doch bevor Harry Milford endgültig in seine eigene private Hölle abstürzt, naht die Erlösung: Es war alles nur ein böser Traum. Schule ist ganz anders. Wirklich?

Marc Hofmann: Der Klassenfeind. Roman. Tropen Verlag, Stuttgart 2015. 250 Seiten, 12,95 Euro.
Buchpremiere: Der Autor liest am 18. September um 20 Uhr in der Buchhandlung in der Rainhof Scheune, Kirchzarten.




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