Südbadener in Rio (2)
Luisa Niemesch rang früher Jungs nieder - und hat es mit Ausdauer zu Olympia geschafft
So viel Hartnäckigkeit wird mit einem Ticket zu den Olympischen Spielen belohnt. Ringerin Luisa Niemesch (Abi 1,6) hat sich nie unterkriegen lassen und nervt ihre Gegnerinnen mit ihrem Stil.
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Minuten zuvor hat Landestrainer Mario Sachs die 20-Jährige, die sich als einzige Ringerin aus Südbaden für die Olympischen Spiele in Rio qualifiziert hat, als zielstrebig, fleißig, lernfähig, kompromisslos und ausdauernd beschrieben. Und wenn er auf ihre Stärken auf der Matte zu sprechen kommt, dann sagt er: "Sie kann den Doppelbeinangriff hervorragend. Und sie nervt die Gegnerinnen mit ihrem Stil. Denn sie hält gern Unterarme und Ellenbogen – sie versucht also, die Konkurrentinnen nicht zur Entfaltung kommen zu lassen."
Ein Kampf ist bei der jungen Frau, die bereits mit 17 Jahren ihr Abitur machte (ursprünglich mit der Note 1,9 – durch den Nachteilsausgleich für Leistungssportler auf 1,6 korrigiert), erst beendet, wenn der Mattenleiter abpfeift. Denn Luisa Niemesch ist zäh. Selbst wer gegen sie hoch nach Punkten führt, darf sich seiner Sache nicht zu sicher sein. Als sich Niemesch vor einigen Wochen bei einem Turnier in der Mongolei für die Olympischen Spiele qualifizierte, lag sie im entscheidenden Halbfinale gegen eine russische Athletin mit 0:4 Punkten zurück. Am Ende siegte sie mit 5:4 Punkten. "Meine Gegnerin war platt", sagt sie im ausdrucksstarken Jargon einer Kampfsportlerin.
Vielleicht hat Luisa Niemesch die Kampfkraft in die Wiege gelegt bekommen. Die junge Frau stammt aus dem nordbadischen Weingarten, wo das Ringen eine große Tradition hat, wo die Männer in den Jahren 2011 und 2012 deutscher Mannschaftsmeister wurden. Nur einen Steinwurf entfernt von der Sporthalle wohnt die Familie Niemesch, ihre beiden Brüder betrieben den Sport zuerst. So ging sie mal mit ihnen zum Training und wechselte im Alter von acht Jahren vom Turnen zum Ringen. Am Anfang fand sie es nur "cool". Jungs und Mädchen ringen in jenem Alter noch nicht getrennt voneinander, sondern gegeneinander. "Bei einem Jungen war ich wohl auch der Grund, warum er mit diesem Sport aufgehört hat", sagt Luisa Niemesch – und schmunzelt. Sie hatte gegen ihn gewonnen. Niederlagen gegen Mädchen können weh tun – nicht nur, aber eben auch – in diesem Alter. So geschah es, wie es in einem Randsport, der zudem von wenigen Frauen betrieben wird, oft geschieht: Wer die Ausdauer hat und lange genug dabei bleibt, bei dem stellen sich Erfolge ein. 2007 wurde Luisa Niemesch Dritte bei der deutschen Nachwuchsmeisterschaft, die Medaille stachelte ihren Ehrgeiz an. "Ich sah, dass ich vorankam." Und so ging sie weiter im Nordbadischen zur Schule, aber von 2011 an kam sie für eineinhalb Tage pro Woche nach Freiburg und konnte dort Sport mit Schule verbinden. Teilzeitinternat nennt sich das. Seit 2013 ist sie als BWL-Studentin hier, wohnt in einer Vierer-WG mit Nadine Weinauge und Kevin Henkel, ebenfalls Kader-Ringern, und dem Geher Carl Dohmann, der es wie sie nach Rio geschafft hat.
In Brasilien wird Luisa Niemesch in der Gewichtsklasse bis 58 Kilo starten. "Also müssen noch vier bis fünf Kilo weg", sagt sie ungerührt. Ringeralltag eben. Über eine Platzierung oder gar eine Medaille möchte die junge Frau nicht sprechen, "ich will mein Bestes geben und schaue, was dabei herauskommt". Die Eröffnungsfeier am 5. August wird sie am Fernseher in Deutschland verfolgen, erst am 12. August geht ihr Flieger nach Rio. Der 17. August ist ihr Wettkampftag, dann finden in der Frauen-Gewichtsklasse bis 58 Kilo alle Kämpfe statt. Von der ersten Runde bis zum Finale. Ausdauer ist also gefragt. Aber die hat Luisa Niemesch ja.
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