Kulturnacht ohne Logarithmen

Aus den früheren Musizierabenden sind an vielen Schulen kultige Events geworden - häufig selbst organisiert von Schülern.  

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Am Samstagabend in die Schule statt zur Disco? Etliche von Freiburgs Gymnasiasten sind zumindest einmal im Jahr nicht zum Saturdaynightfever unterwegs, sondern verbringen tatsächlich diesen einen Partyabend in der Schule. Zum Beispiel am Goethe- Gymnasium, am Theodor-Heuss- Gymnasium und zuletzt auch am Rotteck-Gymnasium. Da werden fast unmerklich neue Kulturveranstaltungen üblich. Früher waren das wohl die chefig organisierten Musizierabende für stolze Eltern, heute sind sie - ganz im Sinne eines angesagten "school spirit" - häufig von Schülern selbst organisiert. Für alle.

Samstagabend, Rotteck-Gymnasium. Wahre Menschenmassen strömen in das Schulhaus. Der Anlass ist die "N.O.C." - und hat nichts zu tun mit "national olympic committees", sondern heißt ausgeschrieben: "Night of Culture". Die Aula sieht aus wie ein Planetarium, hunderte von Alusternen zieren die Wände. Und bereits eine halbe Stunde vor Beginn der Kulturnacht sind alle Stühle belegt. Auf dem Boden hocken Schüler, die einen warten gespannt auf die Aufführungen, die anderen fiebern ihren Auftritten entgegen.

Etwas abseits und mit Funkgerät ausgestattet steht Anke Huber aus der 11b. Sie ist nervös. Gemeinsam mit Daniela Kress, Magdalena Riese, Leonie Strohmenger, Christine Kröpelin, Julia Broda und Mathelehrer Rainer Kügele ist sie Hauptorganisatorin der Veranstaltung. Ein Kurzfilm läutet die N.O.C. ein: Bilder von schlafenden Schülern und Schülerinnen und von komplizierten Chemieformeln. Das ist dann aber auch schon der letzte Hinweis an diesem Abend, dass man sich hier auf einer Schulveranstaltung befindet. Von nun an moderieren Maria Glöckle, Leonie Gensitz und Jule Ott: vom parodierten "Erlkönig" bis hin zum sanften Surf der Beach Boys, gesungen vom Oberstufenchor, Streetdance und Steptanz, klassischem Klavier und Jazzigem ist über Stunden richtig viel angesagt.

Als Rainer Kügele letztes Jahr vorschlug eine Schulveranstaltung zu organisieren, um den angeschlagenen Ruf des Rotteck-Gymnasiums aufzubessern, war Anke gleich hellauf begeistert. Einige Wochen später trafen sich dann 40 Schüler und Schülerinnen - und die Idee der "Night of Culture" nahm Gestalt an. Nur: der enorme Arbeitsaufwand schreckte viele anfänglich Interessierte ab. Dafür arbeiteten diejenigen, die übrig blieben mit doppelter Hingabe an dem Projekt. "Teilweise artete das schon in Perfektionismus aus", erzählt Rainer Kügele lachend, "bis halb drei Uhr heute Morgen haben die Schüler an der Raumgestaltung gewerkelt."

Ein Höhepunkt der kulturell vielseitigen Nacht ist erkennbar der preisgekrönte und von Schülern des Rotteck-Gymnasiums gedrehte Film: "Faith - du musst nur daran glauben". Dem merkwürdig liebenswerten blauen Männchen auf der Leinwand folgt eine Parodie auf die RTL-Show-Popstars auf der Bühne. Aus den Bewerbern, die alle Popstars werden wollen, soll eine Band zusammengestellt werden. Hier sind es drei Bewerber und alle drei dürfen Mitglied der neu gegründeten Band werden. Verlierer gibt es bei Rotteck-Popstars nicht. Und dieser Leitgedanke gilt den ganzen Abend. "Hier können Schüler, die vielleicht in der Schule weniger Anerkennung durch gute Noten finden, ihre Talente zur Schau stellen", sagt Anke und erzählt begeistert von den zahlreichen neuen Freundschaften, die bei den Proben unter den Akteuren und den Mitarbeitern des Organisationsteams zustande kamen. Als zum Beispiel der Sänger Nana Boison wegen einer Kehlkopfentzündung befürchten musste, dass er auf seinen Auftritt verzichten müsste, erkundigte sich Mitschüler Merlin Wentz bei seiner Großmutter nach alternativen Heilmethoden. Mit Erfolg, denn Nana begeistert das Publikum an diesem Abend mit kräftiger Stimme.

"Schule ist mehr als nur Vokabeln pauken." "Night-of-Culture"-Helfer

Derweil flitzt Heiko Müller hinter die Bühne. Es gibt Probleme mit der Technik. Das Publikum bekommt davon nichts mit. Rund 20 Jugendliche sind neben den Akteuren heute Abend hier beschäftigt: an der Kasse, hinter der Theke und hinter der Bühne. Woher so viel Engagement für eine Schulveranstaltung? Und warum etwas leisten, das nicht mit guten Noten belohnt wird? Ganz einfach: "Weil es Spaß macht, gemeinsam was auf die Beine zu stellen", meinen die tatkräftigen Helfer. Und: "Wir wollen zeigen, dass Schule nicht nur aus Logarithmen und Vokabeln pauken besteht." Leistung, finden sie alle, ist nicht allein über Noten zu definieren: "Heute sollen die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit bekommen, zu zeigen, was sie alles drauf haben."

"Zuerst hatten wir aber doch Angst, dass wir nicht genügend Akteure finden würden, um ein abendfüllendes Programm zu präsentieren", berichtet Anke von ihren Befürchtungen. Die blieben aber zum Glück unbegründet. Ganz im Gegenteil: Das Organisationsteam wurde geradezu mit Angeboten überrannt, von talentierten Nachwuchskünstlern, die ihr Können auch mal vor Publikum unter Beweis stellen wollten.

Und alles wurde ins Programm genommen, ungekürzt. Einzige Ausnahme: Nach hochprofessionellem zwölfminütigem freestyle Rap fragt der jugendliche HipHopper unverstärkt: "Äh, wer hat den Saft von meinem Mikrofon genommen?" Mit einem bejubelten Auftritt der "A Capella AG" endet der offizielle Teil von Night of Culture. Das Publikum ist begeistert: Alle klatschen, bis die Handflächen brennen. Und um halb drei kann Hausmeister Herdeg die Schultüre schließen. Anke ist glücklich. Die Veranstaltung war ein voller Erfolg. Jetzt will sie nur noch schlafen. Lang wird die Nacht allerdings nicht - am Morgen ist Aufräumen angesagt.
Schlagworte: Rainer Kügele, Nana Boison, Jule Ott

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