Fragen und Antworten
Kita- und Schulschließungen wegen Corona – Was das mit sich bringt
Drei Wochen Zwangspause und dann noch mal vierzehn Tage reguläre Osterferien: Die kommende Zeit wird Familien vor eine Geduldsprobe stellen. Was bedeuten die "Corona-Ferien" für Eltern und Kinder?
Jens Schmitz, Thomas Steiner & Agenturen
Sa, 14. Mär 2020, 8:39 Uhr
Südwest
Thema: Corona - Fragen und Antworten
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In Baden-Württemberg werden Schulen und Kindertagesstätten vom kommenden Dienstag an bis zum Ende der regulären Osterferien am 18. April geschlossen. Damit müssen rund 1,5 Millionen Schüler und rund 370 000 Kinder unter sechs Jahren fünf Wochen lang zu Hause bleiben und dort betreut werden. Während in anderen Bundesländern die Schließung schon ab Montag gilt, sollen in Baden-Württemberg die Einrichtungen den kommenden Montag noch nutzen, um ihre Schützlinge und deren Eltern über den Umgang mit der Zwangspause zu informieren.
Auch in diesem Bereich bedürfe es Maßnahmen zu Kontaktreduzierungen, sagt das Kultusministerium, um eine unkontrollierte, schnelle Ausbreitung des Virus zu verhindern. Wenn eine Tagesmutter bis zu fünf oder zwei Tagesmütter zusammen bis zu zehn Kinder betreuten, seien das immer noch mehr, als wenn zwei befreundete Mütter nun gegenseitig die Kinder übernähmen.
Nur für Familien, in denen beide Eltern in wichtigen Infrastrukturbereichen arbeiten, will das Land zusammen mit den Kommunen Betreuungsangebote organisieren. Zu diesen Bereichen gehören etwa medizinisches und pflegerisches Personal, die Medizinproduktion, sogenannte Blaulicht-Berufe, die Bereiche Strom, Wasser, Müll und Verkehr und die Lebensmittelbranche.
Wie die Betreuung organisiert wird, das muss Stuttgart mit den kommunalen Landesverbänden und Trägern noch klären. Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) forderte am Freitag insbesondere Lehrer auf, bei der Kinderbetreuung zu helfen, da sie in der Zeit der Schulschließungen nicht im Urlaub seien.
Wenn Eltern keine Möglichkeit für eine Betreuung finden, dürfen sie zu Hause bleiben, weil es sich um eine sogenannte unverschuldete persönliche Verhinderung handelt. Eltern müssen ja auch ihrer Sorgepflicht für die Kinder nachkommen. Lohn oder Gehalt muss der Arbeitgeber dann nicht zahlen. Die Bundesregierung denkt über Hilfsmöglichkeiten nach, wie Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) am Freitag in Berlin bei der Präsentation der Milliardenhilfen für die Wirtschaft sagte. Nur wenn infizierte Kinder erkranken, haben Eltern einen Anspruch auf Freistellung von bis zu zehn Tagen pro Elternteil im Jahr.
Das Gesundheitsministerium rät, alle nicht notwendigen sozialen Kontakte auf ein Minimum zu reduzieren: "Wenn jeder nur die Hälfte seiner sonst üblichen Kontakte pflegt, ist schon viel erreicht", heißt es. Grundsätzlich gelte: Nur noch das unternehmen, was unbedingt notwendig ist.
Dazu zählt nicht das Training im Sportverein, ohnehin hat etwa der Südbadische Fußballverband am Freitag den Vereinen geraten, den Trainingsbetrieb vorerst bis zum 31. März ruhen zu lassen. Schwimmbäder sind geschlossen. Auch andere Freizeitbeschäftigungen entfallen, so stellten am Freitag die Musikschulen in Lörrach, Freiburg und Offenburg parallel zur Schließung der Schulen den Unterricht vorerst ein. Das heißt nicht, dass Kinder zu Hause bleiben müssen: Familienausflüge in die Natur gelten als ungefährlich.
Experten raten Eltern, für einen möglichst geregelten Alltag mit zeitlich klarer Struktur und mit körperlicher Betätigung zu sorgen. Dringend abgeraten wird davon, wie sonst Großeltern zur Kinderbetreuung einzuspannen. Kinder können Überträger des Virus sein, ohne Symptome zu haben, und Senioren zählen zu den besonders gefährdeten Gruppen.
"Ich denke, dass die Eltern froh sind, wenn ihre Kinder mit Lernmaterial versorgt werden", sagt Doro Moritz, Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), "sie machen sich ja nicht nur Sorgen wegen der Ansteckungsgefahr, sondern auch um den Schulerfolg." Die Landesregierung hat die Schulschließung auch deshalb erst für Dienstag beschlossen, weil Schulen und Lehrkräfte noch Zeit haben müssten, den Schülern Vorbereitungsinhalte, Lernpakete, Aufgaben oder Lernpläne zusammenzustellen und zu übermitteln, wie Kultusministerin Eisenmann sagte. Grundsätzlich könne das, so ihr Ministerium weiter, "alles sein, das muss jeweils im jeweiligen pädagogischen Ermessen entschieden werden". Neuer Stoff könne es allerdings nicht sein, sagt Moritz, denn neuer Stoff müsse erklärt werden: "Es kann nur um Dinge gehen wie Wiederholungen, um den Stoff zu festigen." Auch das sei aber eine sinnvolle Aufgabe, die sonst manchmal zu kurz käme. "Nun hätte man zwei Wochen Zeit dafür."
"Jede Schule muss nun individuell klären, was sie machen kann", sagt Doro Moritz. Digitale Kommunikationswege mit den Schülerinnen und Schülern seien meist keine aufgebaut. Über Whats-App-Gruppen dürfe die Schule aus Datenschutzgründen nicht kommunizieren. Allerdings können die Schüler sich weiter über Klassengruppen verständigen und etwa von Lehrern per E-Mail verschickte Aufgaben verteilen. Auch über die Elternvertreter können per Mail Materialien verschickt werden. Allerdings sind auf E-Mail-Listen, die bei Elternabenden erstellt werden, nicht immer alle Familien verzeichnet. Die digitale Kommunikation zwischen Schulen und Schülern ist in Baden-Württemberg unterentwickelt.
Aus Sicht des Landeselternbeirates ist denn auch die Entscheidung zur pauschalen Schließung zwar richtig, das Land sei aber absolut nicht vorbereitet. "Wir haben keine Möglichkeiten, auf digitale Bildungsangebote auszuweichen, weil wir nach wie vor in der Steinzeit sind", kritisiert der Vorsitzende Carsten Rees. "Ella", die digitale Bildungsplattform des Landes, ist nicht einsatzfähig. Das ist anderswo anders: In Ländern wie Dänemark gibt es nationale Plattformen, die schon jetzt flächendeckend begleitend zum herkömmlichen Unterricht eingesetzt werden und nun bei der Schließung der dortigen Schulen die größten Lücken schließen können.
Kultusministerin Eisenmann versuchte am Freitag, diesbezügliche Sorgen zu zerstreuen: Alle anstehenden Abschlussprüfungen werde man gewährleisten, sagte sie. Man arbeite an Szenarien und Notfallplänen, teilte ihr Ministerium mit. In Abstimmung mit den Gesundheitsbehörden werde auch die Möglichkeit für Prüfungen in kleinen Gruppen während der Schließungen erörtert. Eine weitere Option sei, verstärkt flexible Nachtermine anzubieten. "Die Schülerinnen und Schüler werden keinen Nachteil erleiden", sagte Eisenmann. Die Kultusminister aller Bundesländer haben auf ihrer Sitzung am Donnerstag beschlossen, dass die Länder Abschlüsse auf jeden Fall gegenseitig anerkennen. Zudem soll es Absprachen mit Hochschulen und Arbeitgebern geben, um Fristen für Bewerbungen oder Zulassungsverfahren anzupassen.
- Baden-Württemberg im Corona-Modus: "Wir müssen unsere sozialen Kontakte um die Hälfte reduzieren"
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