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Australien

Kehrt der Tasmanische Tiger zurück?

  • Michelle Ostwald (dpa)

  • Di, 01. November 2022, 21:43 Uhr
    Panorama

     

Australische Wissenschaftler wollen das ausgestorbene Raubtier mittels Gentechnik wieder zum Leben erwecken. Kann das funktionieren?

Das Foto von 1920 zeigt einen der letzten Tasmanischen Tiger. Foto: - (dpa)
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. Das hundeartige Wesen läuft in seinem kleinen Käfig nervös auf und ab. Den hinteren Teil des Rückens zieren lange, dunkle Streifen. Die lange Schnauze beschnüffelt einen Mann, der vor dem engmaschigen Zaun steht. Das Schwarz-Weiß-Video von 1935 zeigt "Benjamin", den letzten bekannten Tasmanischen Tiger. "Durch den Vormarsch der Zivilisation wurde er aus seinem natürlichen Lebensraum vertrieben", erzählt ein Sprecher. Nur ein Jahr später stirbt das ungewöhnliche Tier im Beaumaris Zoo in Tasmaniens Hauptstadt Hobart.

Seit Jahrzehnten gilt die auch als "Beutelwolf" bekannte und nur in Australien heimisch gewesene Art offiziell als ausgestorben. Doch Forscher halten es nun für möglich, den Tasmanischen Tiger wieder zum Leben zu erwecken. "Vor 15 Jahren war die Idee, das Tier tatsächlich zurückzubringen, noch Science-Fiction", sagte Andrew Pask von der Universität Melbourne. Die Technologie, mit der das Projekt arbeite, sei damals noch nicht verfügbar gewesen. Pask leitet das neu ins Leben gerufene "TIGRR Lab" (Thylacine Integrated Genetic Restoration Research).

Es ist ein aufwendiges Unterfangen: Die Forscher mussten zunächst das Erbgut eines Tasmanischen Tigers entziffern, der 100 Jahre lang in Alkohol konserviert worden war. 2018 veröffentlichte Pasks Team die erste vollständige Genomsequenz des Tieres.

Tasmanische Tiger gab es einst auch auf dem australischen Festland und in Neuguinea. Vor etwa 2000 bis 3000 Jahren verschwand dort das Tier, das mit dem verwilderten Hund Dingo konkurrierte und vom Menschen gejagt wurde. Doch im isolierten Tasmanien überlebten die Beutelwölfe – bis die Europäer die Insel im 18. Jahrhundert besiedelten. Das als Schafsmörder bezeichnete Raubtier wurde gejagt, von der Regierung gab es pro geschossenem Exemplar eine Belohnung.

Mit der entzifferten Genomsequenz steht das TIGRR Lab nun aber erst am Anfang seines Mammutvorhabens. "Aus einem toten Exemplar können wir noch kein Leben erschaffen. Wir müssen immer mit etwas Lebendigem beginnen", erklärt Pask. Deshalb werde bei derartigen Projekten, die im Englischen als De-Extinction bezeichnet werden, nach dem nächsten lebenden Verwandten des ausgestorbenen Tieres gesucht. Im Fall des Tasmanischen Tigers traf die Wahl – für Laien etwas überraschend – die Dickschwänzige Schmalfußbeutelmaus. Sie ist ebenfalls auf dem fünften Kontinent endemisch, also nur dort verbreitet.

Die DNA der Maus wird so lange verändert oder "editiert", bis sie dem Erbcode des Tasmanischen Tigers entspricht. "Wir bauen im Wesentlichen unser Maus-Genom in einer lebenden Zelle in einen Beutelwolf-Code um", sagt Professor Pask. Sollte das Team damit Erfolg haben, könnte mithilfe von Klon-Technologie ein ganzer Beutelwolf-Embryo geschaffen werden, der dann von der nur etwa elf Zentimeter großen Schmalfußbeutelmaus ausgetragen würde.

"Eine der großartigen Eigenschaften von Beuteltieren ist, dass sie winzige Babys zur Welt bringen", sagt Pask. Die Babys des Tasmanischen Tigers seien bei der Geburt etwa so groß wie ein Reiskorn. Somit könne auch eine Maus das Baby eines Tasmanischen Tigers austragen. Aufgezogen würde das Junge dann im Labor, anschließend soll das Raubtier – falls alles glatt läuft – wieder in seinen natürlichen Lebensraum in Tasmanien ausgewildert werden.

"Teil unserer Mission ist es, das Unrecht ungeschehen zu machen, das bei der Ausrottung des Beutelwolfs allein durch den Menschen begangen wurde", sagt Ben Lamm, Gründer und Firmenchef des texanischen Biotech-Unternehmens Colossal Biosciences.

"Colossal unterstützt das Projekt in den Bereichen Computerbiologie und Genetic Engineering und arbeitet an einem langfristigen Plan für die Auswilderung", so Lamm. Finanziell ist das Unternehmen mit zehn Millionen Dollar an dem Projekt beteiligt. Weitere Millionenspenden erreichten das Projekt von privaten Investoren, darunter die australischen Schauspieler Luke und Chris Hemsworth.

Manche Wissenschaftler bezweifeln aber, dass das Projekt tatsächlich gelingen kann. "Ich glaube immer noch nicht, dass wir auch nur annähernd über die Technologie verfügen, die ein ausgestorbenes Tier wirklich wiedererschaffen kann", sagte Jeremy Austin vom Australian Centre for Ancient DNA der australischen Zeitung Sydney Morning Herald. De-Extinction sei nur eine "Märchen-Wissenschaft". Es gehe dabei vorrangig eher um Publicity für die beteiligten Forscher des Projekts.

Ressort: Panorama

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Mi, 02. November 2022: PDF-Version herunterladen

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