Von Mails an die Kette gelegt
JUZ-GLOSSE: Unbedingt weiterleiten
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Heute geht das etwas einfacher. Man bekommt die Briefe per E-Mail und muss sie einfach nur an alle Adressen im Adressbuch weiterleiten. Klick und weg. Es geht um arme Jungs aus Brasilien, denen AOL pro weitergeleitete Mail ein paar Cent für 'ne OP bezahlt. Oder um die UN, die mal wieder Unterschriften gegen irgendeinen Krieg sammelt. (Meistens wissen weder AOL noch die UN davon, aber das wissen wiederum die E-Mail-Schicker nicht.) Solche Kettenmails fangen meist mit einem Satz an wie "Eigentlich hasse ich ja Kettenmails, aber diese hier scheint echt mal seriös zu sein". Mehrere solcher seriösen Mails bekomme ich tagtäglich; offenbar ist meine E-Mail-Adresse beliebter Gast in Hunderten von Adressbüchern. Oder die netten Ketten werden einfach im selben Zirkel umhergeschickt, wie damals in der Grundschulklasse. Jedenfalls bekomme ich immer ein bisschen ein schlechtes Gewissen, wenn ich die Mails einfach lösche - klick und weg - anstatt den armen brasilianischen Jungs zu helfen. Dabei wäre es doch so einfach gewesen, etwas Gutes zu tun, mit nur einem Klick . . . In solchen Momenten merke ich, wie schmerzhaft die Ablösung von meinen Grundschulgewohnheiten ist.
Mit anderen lustigen Kettenmails - die kommen dann meist aus Amerika - kann man seinen Freunden mitteilen, wie einzigartig sie doch sind und dass man gerade in jenem Augenblick an sie denkt. Darüber freue ich mich immer am meisten, besonders über die unglaublichen Gaben jener Freunde, die nur einmal zu klicken brauchen, um an ihr ganzes Adressbuch zu denken. Die neueste Kettenmail, die ich bekommen habe, war eine reine Jungs-Mail, also verboten für Mädchen. Wie spannend! Wenn ich sie nicht weiterschicken würde, würden meine Geschlechtsteile binnen einer Woche verfaulen. Plötzlich wurde ich an all die toten Postboten erinnert und mir wurde ganz schummrig. Schon wollte ich jenen verführerischen Klick tätigen ("Alle auswählen, senden"), um zumindest die Möglichkeit auszuschließen, dass . . . Ich habe widerstanden. Es ist noch alles dran.
Dominic Fritz
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