Nationalmannschaft
Julian Draxler - der Zauberfüßler im deutschen Team
Julian Draxler besitzt tolle fußballerische Möglichkeiten - beim Spiel im Achtelfinale gegen die Slowakei schöpft der Mittelfeldspieler sie erstmals bei einem wichtigen Turnier aus.
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Die Relationen sind ein bisschen durcheinandergeraten bei einem, der mit 17 sein erstes Bundesligaspiel gemacht hat und fortan als kickendes Versprechen galt. Er ist 22 Jahre alt. Aber er fühle sich wie 29, sagt Draxler. 2012 stand er bereits im vorläufigen Kader für die EM in Polen und der Ukraine. 2014, bei der WM, spielte er nur ein paar Minuten. Enttäuschungen für ihn, der keine Grenzen nach oben kennen sollte. "In Brasilien ist es mir nicht leicht gefallen, Spiel für Spiel draußen zu sitzen", gesteht Draxler. Das soll, das darf ihm nicht nochmal passieren. "Dass mit mir zu rechnen ist, wollte ich dem Bundestrainer zeigen", bekräftigt er. Mit dem Ergebnis ist er zufrieden. "Heute war es mal ein Ausrufezeichen bei einem großen Turnier", findet Draxler. Er habe gute Argumente in eigener Sache geliefert. Bei diesem 3:0 gegen die Slowaken ist Draxler der Impuls, den das deutsche Offensivspiel so dringend benötigte, um Fahrt aufzunehmen.
"Du musst dahin kommen, wo eigentlich keine Räume sind", veranschaulicht Mario Gomez die Problemstellung, für die die deutsche Mannschaft im bisherigen Turnierverlauf nur unzureichende Lösungsansätze gefunden hatte. Draxler ist einer der wenigen Spieler im deutschen Kader, für den Platznot kein Hindernis darstellt, der das vermeintlich Unmögliche möglich machen kann. Der Slowake Juraj Kuka kann dies bezeugen. In der 43. Minute wird er im eigenen Strafraum Opfer eines verwirrenden Draxler-Antritts, der in Gomez’ 2:0 mündet. "Wir wissen ja, was der Junge draufhat", sagt der Profiteur über den Vorbereiter. "Er hat zwei brillante Zauberfüße." In der 73. Minute wählt Draxler den rechten der beiden, um aus kurzer Distanz volley zum 3:0 abzuschließen und seine Gesamtleistung zu veredeln.
Einschätzungen wie die von Gomez waren in der Vergangenheit oft zu hören. Dauerhaft gerecht werden kann Draxler ihnen lange nicht. Wohl behütet von der Mutter und einem Vater, der es bisweilen vielleicht etwas zu gut mit dem Sohn meinte, hat der junge Julian Mühe, sich zu emanzipieren. Auch fußballerisch. Da sind immer wieder diese genialen Momente, aber auch Spiele, in denen Draxlers Anwesenheit überhaupt nicht auffällt. Da sind Verletzungen, die ihn immer wieder aus der Bahn werfen.
Der Wechsel von Schalke nach Wolfsburg im vergangenen Sommer ist eine Art Befreiungsversuch. Dass die VW-Stadt nicht die charmanteste Adresse im Profifußball ist, nimmt Draxler ebenso auf sich wie die Last der gewaltigen Ablösesumme (36 Millionen Euro). Tatsächlich setzt er sich durch. In einer für Wolfsburger Verhältnisse verheerenden Saison gelingt es Draxler, Akzente zu setzen. Er schafft es, an den Widerständen zu wachsen. Der erste Schritt in die Selbstständigkeit ist getan.
Am Morgen vor dem Slowakei-Spiel sucht der Bundestrainer das Gespräch mit Draxler. Löw lasse sich generell nicht gerne in die Karten schauen, berichtet dieser. Draxler ist überrascht, dass er anstelle von Mario Götze zurück in die Startelf rutscht. Eine Chance. Wieder eine. Er ist gewillt, sie zu nutzen, will endlich diesen nervigen Ruf, ein ewiges Talent zu sein, abschütteln. Doch er erhält auch unmissverständliche Instruktionen. "Es gab die klare Ansage, dass ich Eins-gegen-Eins-Situationen suchen soll", verrät Draxler. Ihm ist klar: "Heute zählt’s. Wenn man spielen will, sollte man umsetzen, was der Trainer will."
In Jonas Hector hat Draxler den idealen Partner auf der linken Seite gefunden. Einen, der kaum offensive Ambitionen hat, der einem Hochbegabten bereitwillig den Rücken freihält. Das gibt Draxler jene Freiheit und Sicherheit, die er trotz defensiver Verpflichtungen diesmal konsequent nutzt. Es kostet ihn trotzdem Überwindung, sich immer wieder in riskante Dribblings mit ungewissem Ausgang zu stürzen. "Es hat sehr viel mit Selbstvertrauen zu tun", bestätigt Draxler. Besonders in Spielen, in denen man gleich bei den ersten beiden Aktionen hängen bleibe, sei es schwierig, "wieder und wieder da reinzugehen".
Gegen die Slowaken läuft es für Draxler von Beginn an ideal. Die Partie wird für ihn irgendwann zum Selbstläufer, selbst die gefährlichsten Wege besprintet er voller Überzeugung. Kaum vorstellbar, dass Joachim Löw ihn wieder aus der Startformation nimmt. "Das möchte ich so forsch nicht sagen", bremst Draxler.
Auch das gehört zum Erwachsenwerden dazu.
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