Jugend musiziert oft sogar jeden Tag

Jugendliche nehmen ganz schön viel auf sich, um ein Instrument spielen zu lernen und an Wettbewerben teilzunehmen.  

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Während die meisten gerade ewig Weihnachtsferien hatten, gab's für einige richtig viel zu tun. Bald nämlich ist es wieder so weit: Ende Januar werden deutschlandweit über 18 000 junge Musiker am 42. Regionalwettbewerb von "Jugend musiziert" teilnehmen. Warum der ganze Stress? Und was sind das für Leute, die Ferien und Freizeit nutzen, um eines Tages mit Lampenfieber vor einer Jury zu stehen?

So viel ist auf den ersten Blick klar: es sind ganz normale Jugendliche. Vanessa Heinzelmann, 17 Jahre, ist zum ersten Mal dabei. Den Vorschlag, bei "Jugend musiziert" anzutreten, machte letztes Jahr ihre Gesangslehrerin. Der 10-jährige Marius Hörner stellt sich zum zweiten Mal dem Wettbewerb am Klavier. Und Stefanie Gehring ist überhaupt schon ein "alter Hase". Sie nimmt zum dritten Mal mit ihrem Erstinstrument, der Klarinette, teil.

Früher spielte Vanessa wie ihr Vater auch Klavier. Dabei fühlte sie sich jedoch ein bisschen als "ein hoffnungsloser Fall". Ganz anders beim Gesang: nachdem sie von vielen Leuten dazu gedrängt wurde, nimmt Vanessa seit einem Jahr Gesangsunterricht. Seit der 5. Klasse singt sie im Chor des Albert-Schweitzer-Gymnasiums in Gundelfingen - und letztes Jahr trat sie außerdem in den Freiburger Bachchor ein.

Marius hat schon mit fünf einen Treffer gelandet: er wollte Klavierspielen lernen - und er lernt Klavierspielen. Das liegt in der Familie: seine Mutter ist Solistin beim Freiburger Theater und auch sein Vater versteht viel von Musik. Und während Marius "sein" Instrument erlernt, musste Stefanie von ihrem Trauminstrument umschwenken auf ein anderes: Vor fünf Jahren wollte sie mit Saxophonspielen anfangen. Da hatte aber der Musikverein gerade kein Saxophon zum Verleih. Ihr wurde eine Klarinette angeboten; das sei ein ähnliches Instrument, erzählte man ihr. "Damals wusste ich nicht mal, wie eine Klarinette aussieht", erzählt sie.

Drei Stunden verbringt Klarinettenspielerin Stefanie jeden Tag an ihrem Instrument. Und damit nicht genug: bis zu einer Stunde sitzt sie außerdem an ihrem Zweitinstrument, dem Klavier. Warum? Es macht ihr eben Spaß. Und ihre Familie? "Die hat mit Musik nix am Hut!" Vanessa übt nicht unbedingt täglich, sondern am meisten an den Wochenenden. Vor den Halbjahreszeugnissen stehen aber in der Schule so viele Klausuren an, dass sie kaum zum Üben kommt. Marius hingegen übt konsequent jeden Tag Klavier, nicht ewig lange, aber regelmäßig: "Allerhöchstens eine halbe Stunde, außer montags, da habe ich 10 Stunden Schule."

Und was sagen die Nachbarn zum Üben von nebenan? Alle drei Wettbewerbsteilnehmer haben Glück: die Nachbarn haben noch nie gegen die Wand gewummert. Und auch die Familien nehmen das Üben gelassen. Vanessas Schwestern äußern sich manchmal etwas erstaunt über die Übungen, die sie macht. Und Stefanie muss auch schon mal im Keller üben, wenn ihr Bruder Hausaufgaben erledigt. "Da ist es leider etwas kalt", sagt Stefanie. Aber was tut man nicht alles für sein Instrument! Schließlich ist Stefanie fest entschlossen, Musik zu studieren und in ein Sinfonieorchester einzutreten: "Da muss man eben Opfer bringen."

Marius hat noch keine konkreten Vorstellungen, was seinen Beruf betrifft. Momentan besucht er die 6. Klasse und hat noch viel Zeit. Sein Traumberuf, rückt er raus, sei eigentlich Restaurant-Testesser. Am meisten interessiert er sich für die Desserts. Ganz weit weg von der Musik liegen Vanessa Heinzelmanns Berufswünsche. Sie möchte im medizinischen Bereich oder im Investmentbanking tätig werden.

Jetzt aber ist für alle drei das Nahziel: "Jugend musiziert". Seit März übt Marius ein Stück von Claude Debussy. Aber, sagt er, man legt ja Stücke auch immer mal wieder weg. Teilnehmen wird er mit drei Stücken in der Kategorie "Klavier solo". Wie letztes Jahr strebt der kleine Pianist den ersten Platz mit Weiterleitung zum Landeswettbewerb an.

Stefanie, die zusammen mit einer Schlagzeugerin teilnimmt, übt seit September für den Wettbewerb. Ein Stück hat sie gerade erst ausgesucht - und bislang gab's drei Proben mit der Schlagzeugerin. Letztes Jahr waren es etwa zehn Proben. Stefanie liebäugelt wieder mit dem ersten Platz plus Weiterleitung zur nächsten Wettbewerbsstufe auf Landesebene. Sollte es nicht klappen, ist das für sie auch in Ordnung. "Aber nächstes Jahr wird's geil!" freut sich Stefanie, denn 2006 wird sie mit der Klarinette bei der Solowertung antreten. Seit Juni übt Vanessa übrigens schon ihre Arie aus Bachs Johannespassion.

Und was zieht man eigentlich für den Wettbewerb an? Marius hat noch keine konkrete Vorstellung. Nur welche Schuhe er anziehen wird, weiß er schon. Vanessa ist sich sicher, dass es weder Jeans, noch hochhackige Schuhe sein werden: "In hohen Schuhen kann ich nicht singen." Wohl aber in einem schicken Pullover und eleganter Hose. Bleibt bei all den Vorbereitungen und all der Überei eigentlich noch Zeit für Freunde und Familie? Unsere drei Wettbewerbsteilnehmer haben noch keinerlei Kritik deswegen zu hören bekommen. Auch der Stress vor dem Wettbewerb hält sich in Grenzen. Gut abschneiden wollen sie alle, aber "unser Leben hängt nicht davon ab, dass wir gewinnen!" Aber: Weniger Einsatz wäre nicht drin, denn ohne die Bereitschaft, viel Zeit zu investieren, sollte man sich gar nicht erst für den Wettbewerb anmelden.

"Unser Leben hängt nicht davon ab, dass wir gewinnen." Vanessa Heinzelmann, Sopranistin

Und gibt es ein Leben jenseits der Musik für die drei eifrigen Musiker/innen? Durchaus: Marius fährt gerne Fahrrad und Inline-Skates. Und er spielt Fußball. Vanessa liebt das Tanzen und unternimmt gerne etwas mit Freunden. Stefanie ist Fußballfan, fährt gerne Fahrrad und geht mit Freundinnen in die Disco.

Was, wenn das alles irgendwann attraktiver ist als die Musik, wenn ein Schüler keinen Bock mehr auf Üben hat? Katrin Winkler, Querflötenlehrerin der Musikschule im Breisgau, lacht: "Ich reiße jedem den Kopf ab, der nicht übt!" Schnell fügt sie hinzu: "Der Schüler soll üben, wenn er Lust hat. Dann soll er aber richtig üben." Sollte man mal nicht geübt haben, ist das für Frau Winkler kein Problem, nur "wenn es sich häuft".

Katrin Winkler zwingt allerdings keinen zum Üben. Man muss es mit seinem eigenen Gewissen vereinbaren, wenn man nicht geübt hat, findet sie. Wichtig, um die Schüler zu motivieren, ist, dass man sie ernst nimmt. Außerdem sollte man auf Wünsche der Schüler eingehen, zum Beispiel, was die Auswahl der Stücke betrifft. Muss man begabt sein, um ein Instrument zu erlernen? Nein, sagt sie, jeder kann ein Instrument erlernen: "Auf jeden Fall, wenn der Wunsch aus dem Herzen kommt." Und das ist auch eine ganz gute Grundlage, um bei "Jugend musiziert" anzutreten.

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