"Jeder Gegenstand ist ein Zeitzeuge"

Früher sammelte Walter Meier Briefmarken, heute historische Exponate für das Ihringer Heimatmuseum, dessen zweiter Vorsitzender er ist. Im Gespräch mit Julia Merkt, Schülerin der Klasse 8a der Breisacher Hugo-Höfler-Realschule, erzählt er, warum es ihm so wichtig ist, die Vergangenheit an jüngere Generationen weiterzugeben.  

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Früher sammelte Walter Meier Briefmarken, heute historische Exponate für das Ihringer Heimatmuseum, dessen zweiter Vorsitzender er ist. Im Gespräch mit Julia Merkt, Schülerin der Klasse 8a der Breisacher Hugo-Höfler-Realschule, erzählt er, warum es ihm so wichtig ist, die Vergangenheit an jüngere Generationen weiterzugeben.

Zischup: Herr Meier, wie kamen Sie eigentlich auf die Idee, alte Gegenstände zu sammeln?
Meier: Früher war ich von Beruf Briefträger und später dann Leiter des Postamtes in Ihringen. Und von Jugend an war ich ein leidenschaftlicher Briefmarkensammler. Auf einem Tauschtag für Briefmarken hat mir ein älterer Herr aus Breisach die Augen dafür geöffnet, dass es viel interessanter ist, ganze Postkarten und Briefe mit den Marken zu sammeln. Immerhin steckt hinter jedem Brief auch eine Geschichte. Und so nahm meine Sammelleidenschaft für Briefe, Postkarten, Rechnungsbelege, überhaupt Belege jeglicher Art samt ihrer Geschichten dahinter ihren Lauf.
Zischup: Und wie kamen Sie zum Heimatmuseum?
Meier: 1997 hörte der Gründer des Museums, Teo Willig, auf. Darum war Martin Obert, der erste Vereinsvorsitzende, auf der Suche nach einem zweiten Vorsitzenden. Und durch Zufall erfuhr er von meinem Interesse an der Geschichte unseres Dorfes. Also fragte er mich. Seither bin ich dabei.
Zischup: Wie sah in den Anfangsjahren Ihre Arbeit für das Ihringer Heimatmuseum aus?
Meier: Ich fing an, die alten Leute im Dorf zu besuchen und fragte sie nach Bildern, auf denen zum Beispiel noch das alte Dorfbild zu sehen war. Bei meinen Besuchen bekam ich jede Geschichte mit – und das kostenlos. Außerdem besuchte ich Flohmärkte und Haushaltsauflösungen.
Zischup: Und sind Sie heute immer noch ein Sammler?
Meier: Natürlich, das ist eine ganz große Leidenschaft. Ein Donnerstag ohne die Kleinanzeigen in der BZ-Beilage Schnapp ist für mich fast nicht mehr denkbar. Aber mittlerweile bin ich hier ja auch für meine Museumsarbeit bekannt und oft kommen die Leute auch einfach so bei mir vorbei und bringen ihr altes Gerümpel gleich mit.
Zischup:
Und was machen Sie mit den vielen Sachen?
Meier: Die wichtigen Gegenstände für das Museum sortiere ich natürlich gleich heraus. Alles, was übrigbleibt und auch noch gut erhalten ist, wird am ersten Sonntag im Oktober auf dem Flohmarkt verkauft. Das hilft uns, das Museum mitzufinanzieren.
Zischup: Der Verein verlangt keinen Eintritt für das Museum?
Meier: Nein, wir wollen, dass gerade auch die Einheimischen gerne und immer wieder bei uns hereinschauen und Neues entdecken. Wir leben von Spenden.
Zischup: Sie investieren sehr viel Zeit in das Heimatmuseum. Was ist Ihr Anliegen?
Meier: Ich glaube, dass keine Generation vor mit und vielleicht auch nach mir so einen Wandel in ihrer Lebensspanne mitgemacht hat wie meine Generation. Mein Vater zum Beispiel hat noch mit der Sense das Getreide gemäht und wir Kinder haben die Ähren von Hand zusammengelesen. Die heutige Jugend kennt nur noch den Mähdrescher und die Vollautomatisierung in fast allen Bereichen. Früher wurde die Stockreben auch noch von Hand großflächig gehackt. Viele Witwen, die im Krieg ihre Männer verloren hatten und keinen Handkarren besaßen, mussten die Feldfrüchte in den Weidenkörben auf dem Kopf nach Hause oder auf den Markt tragen. Man war absoluter Selbstversorger, Bargeld war damals immer rar. Die Kirschen waren die ersten reifen Früchte des Jahres. Sie wurden auf dem Dorfmarkt verkauft. Das sogenannte Kirschengeld war eine heiß begehrte Geldeinnahme und wurde als Notgroschen auf die Seite gelegt.
Zischup: Warum braucht es ein Heimatmuseum?
Meier:
Jeder Gegenstand im Museum ist ein Zeitzeuge, steht also für eine Geschichte. Und ich möchte diese Geschichte gerne an nachfolgende Generationen weitergeben. Die kommenden Generationen sollen erfahren, wie es früher war. Das Dorfleben, der Zusammenhalt, die Handwerkskunst, das Miteinander soll nicht in Vergessenheit geraten. Dazu gehört auch, den Besuchern zu vermitteln, dass zum Beispiel gerade die Handwerkskunst über Generationen mündlich weitergegeben wurde.
Zischup: Die schwere Arbeit, die Sie beschreiben, sind das Ihre eindrücklichsten Kindheitserlebnisse?
Meier: Die Heuernte von damals wird mir ewig in Erinnerung bleiben. Aufgrund fehlender Wiesen in Ihringen haben unsere Vorfahren ab Mitte des 19. Jahrhunderts bei Umkirch die Wiesen gepachtet. Früh am Morgen, so gegen halb vier, sind wir mit dem Kuh-Fuhrwerk los und haben im Morgentau das Wiesengras mit der Sense gemäht. Dann wurde den ganzen Tag über das Gras gewendet, aufgeschüttelt und bei gutem Wetter auch noch gleich aufgeladen. Auf der Heimfahrt haben die Bauern in Gottenheim eine kurze Rast gemacht. Manchmal gönnten sie sich dort auch ein Bier. Und ich bekam 1952 einen gelben Sprudel. Das war das Höchste. Nach der Heimfahrt musste das Heu abgeladen werden und wir Kinder mussten auf dem Heustock noch das Heu trampeln. Das ging oft über viele Tage.
Zischup: Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Meier: Ich wünsche mir einen Nachfolger, dem das Heimatmuseum ebenfalls am Herzen liegt und der auch in der Lage ist, Erlebtes mit Leidenschaft weiterzugeben.

Während meines Gesprächs mit Walter Meier ist mir eine Sache ganz klar geworden: Walter Meier ist ein Mann, der ein wirkliches Anliegen und ein Herz für die Sammlung im Museum hat und einer, der nicht will, dass meine Generation vergisst, wie unsere Uromas und Uropas gelebt haben.

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