CDU
Ist Merkel derzeit gut drauf oder doch eher schlecht?
Die Bundeskanzlerin wirkt derzeit oft lustlos und wenig kämpferisch / Auf den Wahlkampf gegen Martin Schulz scheint sie sich aber zu freuen.
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Am Dienstag schließlich besuchte sie mit dem tunesischen Ministerpräsidenten Youssef Chahed den Berliner Breitscheidplatz, legte Blumen zum Gedenken an die Opfer des Terroranschlags nieder und redete darüber, wie Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber nach Nordafrika künftig einfacher werden könnten. Schließlich war die langwierige Dokumentenbeschaffung der tunesischen Instanzen neben den Koordinationsmängeln deutscher Behörden ein Grund dafür, dass der Berliner Attentäter Anis Amri kurz vor Weihnachten noch nicht aus Deutschland abgeschoben werden und deshalb zur Tat schreiten konnte.
Sind das nicht alles Zeichen dafür, dass sich die Kanzlerin für nichts zu schade ist, um die aus dem Lot geratenen Dinge in Deutschland und Europa wieder gerade zu biegen? Dass sie voller Überzeugung regiert und weiter regieren möchte?
Die Zweifel daran hat Angela Merkel mit ihren Auftritten selbst gesät. Erst ließ sie scheinbar teilnahmslos beim offiziellen Münchner Versöhnungsgipfel den Humor ihres unionsinternen Gegenspielers über sich ergehen, wenige Tage später verkaufte sie den größten CDU-Erfolg seit langer Zeit wie einen Ladenhüter, obwohl die harte Hand gegenüber abgelehnten Asylbewerbern der zuletzt so verstörten konservativen Klientel doch gut gefallen könnte. Währenddessen schoss SPD-Strahlemann Martin Schulz in den Umfragen an ihr vorbei – Demoskopen machen die Anfänge einer Wechselstimmung aus. Worte wie Kanzlerinnendämmerung machen wieder die Runde.
In der Union rumort es angesichts des Wenigen, was die Kanzlerin der sozialdemokratischen Aufbruchstimmung zuletzt entgegenzusetzen hatte. "Bei uns gibt es keine", sagt ein Mitglied des CDU-Bundesvorstands trocken. Ein Bundestagsabgeordneter, der seinen Namen ebenfalls nicht in der Zeitung lesen will, klagt sein Leid darüber, dass Merkel die Punktsiege ihrer Partei gerade in der Asylpolitik kaum an die Leute bringe: "Wir feiern einen Unionserfolg nach dem anderen, aber das Marketing ist einfach grauenhaft – da könntest Du nur heulen."
Auch aus der CSU-Zentrale heißt es: "Wir brauchen eine aktivere, kämpferischere Kandidatin." In einer internen Runde in München, so wird kolportiert, soll der christsoziale Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber Merkels jüngste Auftritte im bayerischen Idiom so bewertet haben: "Die darf net so lätschert sein."
Die Konkurrenz kann ihr Glück kaum fassen. Die SPD verfügt nicht nur über einen Kandidaten, der die SPD wie aus dem Nichts wieder spannend gemacht hat. Sie steht auch einer Kontrahentin gegenüber, die sich nicht zu wehren scheint: "Sie sagt nur, dass sie Kanzlerin bleiben will, sagt aber nicht warum", rätselt ein Stratege im Willy-Brandt-Haus: "Sie unternimmt nicht einmal den Versuch, so zu tun, als ob sie sich freue."
Das Bild von der vielleicht niedergeschlagenen oder demotivierten, zumindest aber uninspirierenden Kanzlerin entspricht aber – wenn man ihrem direkten Umfeld oder den Erzählungen aus internen Sitzungen glauben darf – nicht der Realität. Als Beispiel taucht in vielen Gesprächen das Wochenende der Bundesversammlung auf. Gelöst, humorvoll und fröhlich lauten die Adjektive.
Im Gegensatz zum normalen Bundestagsgeschäft hat vor der Bundespräsidentenwahl Angela Merkel als Parteichefin dort den Fraktionsvorsitz innegehabt, mit Horst Seehofer als Stellvertreter an ihrer Seite. "Sie hat mehrfach über diese klare Rollenverteilung gewitzelt", berichtet die Stuttgarter Bundestagsabgeordnete Karin Maag: "Sie war extrem gut drauf, sie hat nach meiner Erinnerung sogar das Wort Spaß benutzt." Ein anderer sagt: "Das war wieder die alte Merkel." Kampfeslust gar wird ihr attestiert.
Als der Baden-Württemberger Konrad Epple an diesem Sonntag aufstand und fragte, warum er jetzt auch noch einen Sozi zum Bundespräsidentenwählen solle, überließ Merkel die Antwort nicht dem Kandidaten Frank-Walter Steinmeier, sondern stieg selbst in die Bütt und verteidigte ihr Vorgehen. "Vielleicht hat sie sich da am Riemen gerissen, weil sie gesehen hat, was so eine Miene bewirken kann", mutmaßt Maag.
Gemeint ist ihre Performance in München, die ihre Partei – zumindest zwischenzeitlich – schon ins Grübeln gebracht hat. In einer zweiten Sitzung, ohne den sozialdemokratischen Gast Steinmeier, hat Merkel Teilnehmern zufolge dann sogar selbst die Motivatorin gegeben: "Wir sollten jetzt keine schlechte Laune haben, nur weil die anderen einmal keine schlechte Laune haben." "Sie hat sich ihre Kandidatur lange überlegt, steht jetzt aber voll dahinter – ich erlebe sie im Moment voll motiviert", sagt jemand aus ihrem engsten Mitarbeiterkreis. Gleichwohl wird auch dort eingeräumt: "Wir hätten uns sicherlich eine bessere Ausrufung der Kanzlerkandidatin vorstellen können."
Im Kanzleramt und den CDU-Gremien streuen sie daher eine Reihe von Erklärungsversuchen für die Darbietungen ihrer Chefin in den vergangenen Wochen: Erstens wären ja einige Dinge vorgefallen, allen voran der Terroranschlag von Berlin, "die einen nicht in Euphorie verfallen lassen". Zweitens sei der distanzierte Auftritt in München bewusst gesetzt worden, weil nach der Vorgeschichte zwischen Merkel und Seehofer eine Friede-Freude-Eierkuchen-Inszenierung unglaubwürdig gewesen wäre: "Sie hat schon vorher gesagt, dass sie sich nicht auf seine Scherzchen einlassen wird."
Eine andere, nicht-öffentliche Erklärung aus dem eher konservativeren Spektrum der CDU geht dahin, dass die Parteivorsitzende weiter mit dem derzeit dominierenden Themenkomplex Innere Sicherheit fremdelt, eigentlich eine Kernkompetenz der Union. Die Unionisten ziehen sich aber daran hoch, dass an dem festgestellten Widerspruch zwischen Innen- und Außendarstellung in den sieben Monaten bis zur Bundestagswahl gearbeitet werden kann. "Das, was sie intern ausstrahlt, muss sie auch öffentlich ausstrahlen", sagt einer aus der Parteispitze.
Teilnehmer der Bundesvorstandssitzung am Montag und der Fraktionssitzung am Dienstag berichten, dass Merkel nicht etwa eingeschüchtert sei vom überraschenden Hoch der Sozialdemokraten unter Martin Schulz, sondern dieser klassischen Auseinandersetzung freudig entgegensehe. Die kühle Denkerin sieht nicht nur die eigene Partei durch das Aufkommen eines ernsthaften Gegenkandidaten wieder zusammenrücken, sondern auch die politischen Ränder durch das Duell der großen Parteien potenziell geschwächt. Ihr neues Credo in beiden Sitzungen: "Konkurrenz belebt das Geschäft." Beleben muss sich Angela Merkel nun selbst ein wenig. Die Gefahr, dass ihre Ruhe und Nüchternheit von vielen Wählern nicht mehr geschätzt, sondern im Vergleich zu Schulz als altbacken und langweilig empfunden werden könnten, ist vielleicht noch nie so groß gewesen.
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