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Mario Götze oder: Eine Fußball-Karriere gibt Rätsel auf

Wenn seine Kollegen über Mario Götze sprechen, könnte man meinen, dessen Karriere neige sich dem Ende entgegen. Oder er habe seine besten Zeiten bereits hinter sich.  

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Ästhetisch spielender Ballartist: Mario Götze Foto: afp/dpa
ÉVIAN. "Als er bei uns gespielt hat, gingen wir alle davon aus, dass Mario irgendwann der beste Spieler der Welt werden würde", erinnert sich Marcel Schmelzer, früher mit Götze bei Borussia Dortmund aktiv. Die Geschichte des Mario Götze – das entscheidende Tor im WM-Finale 2014 gegen Argentinien inklusive – ist so reich an Facetten, dass diese ausreichend wären für ein erfülltes Fußballerleben. Oft klingt sie wie die Geschichte eines Gescheiterten. Dabei ist Götze gerade erst 24 Jahre alt geworden.

Immer wieder weist er auf seine Jugend hin. Meist klingt es ein wenig entschuldigend, manchmal auch trotzig. Schon früh gilt Götze als eine Art kickendes Versprechen. Er spielt in Dortmund, keine 20 Jahre alt, liefert in 116 Spielen 75 Scorerpunkte. Sein Weg an die Spitze scheint vorgezeichnet. Die Bayern bezahlen 37 Millionen Euro, um das vermeintlich größte Talent im deutschen Fußball ihr Eigen nennen zu können. Die Erwartungen steigen, bald werden sie zur Last.

Nach dem aufsehenerregenden Wechsel des Arbeitgebers kommt Götzes Entwicklung zum Stillstand. Verletzungen häufen sich. Eine Folge des Drucks, vermuten einige. Die Erinnerung an den "alten" Götze droht zu verblassen. Noch ist sie da. Zumindest bei denen, die ihm berufsbedingt nahe sind. Mats Hummels berichtet von einem Gespräch, das er mit Götze im EM-Quartier der Nationalmannschaft in Évian geführt hat. Er könne sich noch gut an Götzes Anfänge als Profi in Dortmund erinnern, erzählt er und gibt den Wortlaut des Austauschs mit Götze wie folgt wieder: "Du hast Super-Dribblings gehabt, du hast 90 Minuten lang deinen Außenverteidiger genervt, mach’ das doch wieder. Du kannst das." Klingt ein bisschen wie jener berühmte Satz, den Bundestrainer Joachim Löw 2014 Götze bei dessen Einwechslung im Endspiel mit auf den Weg gab: "Zeig der Welt, dass Du besser bist als Messi."

Aufforderungen dieser Art belegen, dass das Zutrauen in Götzes außergewöhnliche Fähigkeiten weiter vorhanden ist. Sie deuten aber auch darauf hin, dass er nicht in der Lage ist, sie konstant abzurufen. Die Spiele, in denen Götze sein Können aufblitzen lässt, sind rar geworden. Sie müssen als Ausreißer nach oben gewertet werden. Auch in den drei EM-Vorrundenspielen gegen die Ukraine, Polen und Nordirland fiel Götze mehr ab als auf. In Zweikämpfen prallte er oft an den Gegenspielern ab, in Eins-gegen-Eins-Duellen schien er hoffnungslos unterlegen.

"Fußball ist immer noch

meine Leidenschaft."

Die Ursachenforschung dauert inzwischen Jahre an. Die Sehnsucht nach dem dynamisch-genialen Offensivzauberer war zwischenzeitlich so groß geworden, dass sie aus Enttäuschung zu ungerechten Urteilen führte. Nicht ernsthaft genug sei Götze, hieß es. Keiner, der alles für den Erfolg tue. Ein kleiner Lebemann, affektiert und überheblich dazu. "Ich habe eigene Fehler gemacht, aber auch viele Dinge ertragen müssen, die verdreht wurden", sagte Götze vor einiger Zeit im Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Das Gefühl, ungerecht behandelt zu werden, hatte zwischenzeitlich zum Rückzug geführt. Mit den Medien sprach Götze kaum noch, als Schutzschild trug er stets ein arrogant wirkendes Lächeln vor sich her.

Die Kritik an seiner Person ist geblieben, aber bei dieser Europameisterschaft versucht Götze, anders mit ihr umzugehen. "Auch negative Dinge sind positive Erlebnisse für mich", sagt er, als habe er gerade ein Motivationstraining für angehende Manager hinter sich. Dass ihm in Roland Eitel ein erfahrener Medienberater zur Seite steht, dessen Dienste auch Jürgen Klinsmann und Joachim Löw in Anspruch nehmen, macht sich bemerkbar. Auch durchaus positiv. Spricht man mit Götze, schaut er nicht mehr wie früher gelangweilt oder gleichgültig durch die Gegend, sondern sucht den Blickkontakt. Noch immer sagt er nicht viel, aber er redet wenigstens. Höflich ist Götze obendrein. Bisweilen sogar originell. Sein kecker Spruch bezogen auf die Bewertungen seiner Leistungen ("Mal ist man der Hund, mal ist man der Baum") kam durchaus gut an.

Oliver Bierhoff findet, dass Götze ein bisschen zu oft der Baum ist. Undifferenziert seien die Urteile über den Noch-Münchner. Wie alle, die mit Götze zusammenarbeiten, hebt auch der Teammanager der Nationalmannschaft dessen enormen Trainingsfleiß hervor. Zudem verweist Bierhoff darauf, dass die Rolle, die Götze in der deutschen Elf oft einnehmen müsse, nicht auf ihn zugeschneidert sei. Als sogenannte falsche Neun, ganz vorne drin, zwischen hünenhaften Abwehrrecken, wirkt der 1,76 Meter kleine Angreifer immer wieder verloren. Besonders dann, wenn – wie in den Partien gegen die Ukraine und Polen – um ihn herum Stillstand herrscht.

"Ganz vorn im Zentrum, auf der Acht, hängende Spitze, auf der Zehn, da sehe ich mich." Götzes Beschreibung seiner Idealposition verdeutlicht, wie zerrissen er mittlerweile zu sein scheint. Es ist wohl kein Zufall, dass die Erinnerungen an seine guten Auftritte stets etwas mit Dortmund zu tun haben. Dort spielte er nie in vorderster Linie, war eher der Vorbereiter aus der zweiten Reihe oder über die Flügel. Die falsche Neun, so wirkt es, engt ihn ein in seinen Möglichkeiten, die weiter vorhanden sind. Genau wie seine Motivation. "Fußball", stellt Götze klar, "ist immer noch meine Leidenschaft."

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