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Schulprojekt

In der Günterstäler Turnhalle gibt's richtig Zirkus

  • Fr, 11. November 2016
    Freiburg

     

Seit fünf Jahren probt die Zirkus-AG der Schule Günterstal und der Maria-Montessori-Grundschule regelmäßig in der Turnhalle Günterstal.

Keine Angst vorm Trapez: Nela (9) macht Kunststücke vor, danach kommen die anderen dran – Ilona Scharpf (links hinten) schaut zu. Foto: Thomas Kunz
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GÜNTERSTAL. So sieht’s im Zirkus aus: Überall liegen Matten, mittendrin hängt eine Schaukel als Trapez, auf zwei bunten Tonnen ist eine umgedrehte Bank aufgebaut – zum Balancieren. Mittwochs, wenn zwölf Dritt- und Viertklässler der Maria-Montessori-Grundschule in die Turnhalle der Schule Günterstal kommen, wird die Halle zur Arena. Mit zwölf Jugendlichen der Schule Günterstal proben die Maria-Montessori-Kinder in der Zirkus-AG für ihren Auftritt am 8. Dezember: alle zusammen, zwischen 8 und 15 Jahren, manche mit und manche ohne Handicap.

Los geht’s hoch oben in der Luft, am Trapez. Dirk Maibauer-Scharpf ist Zirkuspädagoge, er ruft alle auf, nacheinander legen sie los: Die Jungs von der Schule Günterstal am Klosterplatz, einem "Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum mit Förderschwerpunkt geistige Entwicklung", und die Kinder von der Maria-Montessori-Grundschule an der Günterstalstraße (Wiehre).

Die Kleinsten sind besonders wendig, so wie Maite (8) und Nela (9): Beide schwingen erst ihre Beine auf die Schaukel und ziehen sich dann hoch. Nela setzt sich schräg auf die Seite und streckt die Hände aus, danach hängt sie sich mit den Beinen an der Schaukel fest und streckt ein Bein in die Luft. Bei manchen hilft Dirk Maibauer-Scharpf ein bisschen, zum Beispiel bei Alina (10) von der Maria-Montessori-Schule, die eine halbseitige Lähmung hat. Das hält sie weder vom Trapez noch vom Balancieren ab – und das gilt auch für die anderen mit Handicaps: Alle machen bei irgendwas mit. Ein Kind von der Montessori-Schule hat ein Down-Syndrom, eines eine Sehbehinderung, die Jugendlichen von der Schule Günterstal haben geistige Behinderungen.

Spaß haben sie alle: Alina mag das Balancieren am liebsten, Maite läuft gern auf Rollen, Nela lebt Klettern. Und Laurin (8) von der Maria-Montessori-Schule findet es am Tollsten, zusammen mit seinem großen neuen Freund Camillo (15) am Diabolo herumzuspielen. Die beiden werden am 8. Dezember zusammen eine eigene Nummer zeigen. Camillo ist einer der Jungs von der Schule Günterstal, mit seinem Freund Akim (14) ist er schon seit 2014 in der Zirkus-AG dabei. Die Kinder aus der Maria-Montessori-Schule dagegen dürfen meist nur ein halbes Schuljahr mitmachen, damit alle mal drankommen, erzählt die Lehrerin Ilona Scharpf. Manche würden schon ab der ersten Klasse drauf warten – es können immer nur Dritt- und Viertklässler teilnehmen.

Ilona Scharpf hat die Zirkus-AG vor fünf Jahren an beiden Schulen verankert, nachdem ihr Mann Dirk Maibauer-Scharpf mit einem Projekt als Zirkuspädagoge in der Maria-Montessori-Schule eingestiegen war. Weil die Maria-Montessori-Schüler die Turnhalle der Schule Günterstal nutzen, ergab sich die Zusammenarbeit. Manchmal haben die Kleinen von der Maria-Montessori-Schule anfangs ein bisschen Angst vor den Jugendlichen. Nela und Alina erzählen, dass die Jungs ihnen anfangs so groß vorkamen – "und so wild!", sagt Nela.

Laurin hatte nie Bedenken bei Camillo, und auch bei den anderen haben sich alle Sorgen längst gelegt. Camillo und Akim finden es gut mit den Kleinen: "Die sind nett", sagt Camillo.

Die unterschiedlichen Größen sind oft praktisch, zum Beispiel, als alle Pyramiden bilden: Camillo und Akim knien auf dem Boden und lassen Alina und Laurin auf ihre Rücken klettern. "Das kitzelt", sagt Camillo und lacht. Ganz am Schluss klettert dann noch Franka (8) auf die Beine von Laurin – fertig ist die Pyramide. Die Zirkusarbeit macht alle Schüler selbstbewusster, beobachtet Ilona Scharpf. Besonders gut aber ist sie für Kinder und Jugendliche mit Handicap: Weil im Zirkus vieles gefragt ist, was sonst nirgends Raum findet – wie unter anderem die große Humorbegabung, die ihrer Einschätzung nach viele Schüler mit geistigem Handicap haben. Im Unterricht störe das, im Zirkus dagegen sei es unverzichtbar, zum Beispiel für die Clowns. Weil der Zirkus so viel Spaß macht, gehen alle an ihre Grenzen und lernen Neues. Außerdem stärken die Proben das Gemeinschaftsgefühl und schaffen Kontakte.

Und der Auftritt am Ende ermöglicht allen, sich auf einer Bühne zu präsentieren und im Mittelpunkt zu stehen: "Das gibt einen ungeheueren Schub fürs Selbstbewusstsein."

Ressort: Freiburg

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