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Tag des weißen Stockes

In Bonn gibt es eine Bibliothek für Blinde

Das katholische Blindenwerk in Bonn druckt Bücher in Brailleschrift und verschickt sie an blinde und sehbehinderte Menschen. Ein Besuch zum Aktionstag für blinde Menschen am Dienstag.  

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Lesen mit den Fingern:  In einer Büche...Brailleschrift und digitale Hörbücher.  | Foto: WavebreakMediaMicro  (stock.adobe.com)
Lesen mit den Fingern: In einer Bücherei in Bonn gibt es Lesestoff in Brailleschrift und digitale Hörbücher. Foto: WavebreakMediaMicro  (stock.adobe.com)
Auf den ersten Blick ist es eine Bücherei wie jede andere auch. Buchrücken an Buchrücken. Ein langes Regal reiht sich an das nächste. Doch auf den zweiten Blick wird klar, dass an dieser Bibliothek etwas anders ist. Die Seiten aller Bücher sind weiß. Und doch sprechen sie Bände. In der Bücherei des deutschen katholischen Blindenwerks, das es seit 50 Jahren gibt, stehen die Schmöker in Brailleschrift. Ein Einblick in die Lesewelt für blinde Menschen zum heutigen Aktionstag.

Die Brailleschrift besteht aus Punktmustern, die, meist von hinten in das Papier gepresst, mit den Fingerspitzen als Erhöhungen zu ertasten sind. Blinde Menschen können so lesen. 1825 erfand der Franzose Louis Braille (1809-1852) die heute weltweit verbreitete Blindenschrift. "Wir wollen, dass all die schönen Geschichten Menschen mit Sehbehinderung nicht verschlossen bleiben", sagt die Leiterin der in Bonn ansässigen Blindenwerksgeschäftsstelle, Gundula Ebenig. "Der Bestand in der Bibliothek wächst zwar immer noch, es gibt aber einen eindeutigen Trend hin zu digitalen Hörbüchern", erklärt sie. Stolz zeigt sie das hauseigene Tonstudio.

In Bonn gibt es Bücher in Blindenschrift und spezielle Hörbücher

Dort arbeitet Johannes Nonn. Der Tontechniker produziert zusammen mit teils professionellen Sprechern Hörbücher. "Anders, als man sich das vielleicht vorstellt, stellen wir keine Hörbücher im herkömmlichen Sinn her, sondern schlicht den gesprochenen Text als Audio-Datei", sagt er. Wie viele Werke das Blindenwerk durchschnittlich vertont, sei "schwer zu sagen". Buch sei nicht gleich Buch. Es brauche eben seine Zeit, um einen dicken Wälzer komplett zu vertonen.

Zum Repertoire gehören laut Ebenig Bücher aus allen Bereichen der Weltliteratur. Diese werden als Hörbücher und Blindenschrift-Bücher kostenlos an sehbehinderte und blinde Menschen ausgeliehen und portofrei mit der Post verschickt. Ein Schwerpunkt der Bibliothek sei die religiöse Literatur. Für theologisch Interessierte gibt es ein spezielles Angebot: "Jeden Monat versenden wir eine CD mit den Texten des Stundengebetes sowie eine CD mit religiösen Zeitschriften", erläutert Gundula Ebenig.

Sie läuft an den zahlreichen Regalen vorbei, eine Treppe hinab und betritt die Blindendruckerei. Es wummert und rattert, während Papierbänder aus einem Drucker quellen. Zwischen Stühlen, Kartons und Tischen sitzt Rami Alghawali. Mit seiner Braille-Zeile prüft der blinde Korrektor die in Blindenschrift übersetzten Texte vor dem Druck auf Fehler. Gibt er sein Okay, laufen die Geschichten, Romane und Dramen drei Meter rechts von ihm vom Band. Der rund 30 000 Euro teure Spezialdrucker stanzt das Papier spiegelverkehrt von beiden Seiten.

"Blinde Menschen in Deutschland haben es vergleichsweise noch gut erwischt." Gundula Ebenig
Was gedruckt wird, entscheiden die Lektoren. Eine von ihnen ist Vanessa Klingseis-Wagner. "Wir orientieren uns natürlich an der Nachfrage unserer Leser und Hörer", betont sie. Diese seien eher älter und hätten einen hohen Bildungsstand. "Ein Dauerbrenner sind Heimatromane", verrät sie. Ein Stockwerk weiter oben arbeitet Britta Janaschke als Lektorin. Sie ist ebenfalls blind. Im Alltag habe sie wenig Schwierigkeiten – dank Chelsea, ihrem Blindenhund. Sie fühle sich im Blindenwerk "richtig wohl", sie bewirke etwas für andere, getreu dem Motto "Blinde helfen Blinden", sagt sie.

Das Blindenwerk hilft in Amerika, Europa, Asien und Afrika. "Blinde Menschen in Deutschland haben es vergleichsweise noch gut erwischt", so Ebenig. In Teilen Afrikas gebe es kaum Hilfe für Sehbehinderte. Dort seien die Menschen auf sich allein gestellt. "Um das etwas zu verbessern, koordinieren wir unsere spendenfinanzierten Projekte weltweit." Aber auch in Deutschland sei einem Großteil der Gesellschaft nicht klar, was Blindsein eigentlich bedeute.

Ressort: Panorama

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Di, 15. Oktober 2019: PDF-Version herunterladen

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