Kino
In "Alles Geld der Welt" geht es um die Getty-Entführung
Schon vor dem Kinostart machte "alles Geld der Welt" Schlagzeilen: Regisseur Ridley Scott schnitt den des Missbrauchs verdächtigen Kevin Spacey heraus. Jetzt kommt der Film nach Deutschland.
Mi, 14. Feb 2018, 20:17 Uhr
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Wobei der fertige Film auch noch anders ist als gemeinhin erwartet. Wo die meisten mit einem Thriller gerechnet haben, der die bekannte Entführungsgeschichte um John Paul Getty III., das Ohr und den geizigen Großvater mit viel Suspense nacherzählt, präsentiert Scott ein widerborstiges psychologisches Drama mit lauter Figuren, die dem Zuschauer nicht wirklich sympathisch sind.
Als Paradox wird in dem Film eingeschrieben bleiben: dass man ihm nichts mehr von seiner komplizierten Entstehung ansieht. Im Gegenteil, und das geht ganz auf das Konto von Christopher Plummer. Man kann sich gar nicht vorstellen, wie der Film ausgesehen hätte mit einem anderen, ist doch Plummers Figur J. Paul Getty sein zentrales Kraftfeld. Was es heißt, ein Getty zu sein, darüber sinniert sein Enkel John Paul Getty III. (Charlie Plummer, nicht verwandt mit Christopher) von den ersten Minuten des Films an über Bildern, die ihn beim Herumstromern im Rom der 1970er Jahre zeigen.
Das "Getty-Sein" aber hat er erschaffen: J. Paul Getty der Erste. In Rückblenden rekonstruiert Scott die Geburt des Ölmagnaten aus dem Geist des amerikanischen Unternehmertums und der Wüste: Man sieht Getty im saudi-arabischen Sand mit Scheichs verhandeln, mit dem Blick gierig den Horizont bemessend. In den sechziger Jahren galt Getty als reichster Mann der Welt. Um seine fünf Söhne aus vier Ehen soll er sich wenig gekümmert haben.
Das ist das eigentliche Thema von "Alles Geld der Welt": wie Reichtum Familien (ver)formt. Weshalb Scott sich auch viel Zeit lässt, bis er zum "Aufreger" der Filmhandlung kommt, der fünf Monate währenden dramatischen Entführung des Enkelsohns. Stattdessen wird zunächst von der Sohnesgeneration erzählt, vom unnützen John Paul II. (Andrew Buchan) und seiner taffen Frau Gail (Michelle Williams), die nach der Scheidung auf Distanz geht zum Familienpatriarchen. Dann gibt es prägende Szenen aus dem Aufwachsen des Lieblingsenkels John Paul III., dem der Opa Lektionen über die Zwiespältigkeiten des Geldhabens erteilt. Zum Beispiel dass es auf die Bittbriefe, in denen Menschen ihn um milde Gaben angehen, nur die eine Antwort gibt: "Wenn ich allen geben würde, hätte ich selbst nichts mehr." Reich sein, so erklärt Getty an anderer Stelle, ist etwas ganz anderes als reich werden. Letzteres sei vergleichsweise einfach, ersteres hingegen . . .
Später gibt es Spannungsmomente und überraschende Wendungen, aber fast scheint es so, als interessiere sich Scott nicht wirklich dafür. Statt das Tauziehen zwischen Entführern (Romain Duris spielt nah an der Verbrecherkarikatur) und Angehörigen (als deren Unterhändler macht Mark Wahlberg eine blasse Figur) zentral zu verhandeln, stellt Scott das Drama zwischen der von Michelle Williams gespielten Mutter und Plummers isoliertem Patriarchen in den Fokus.
Interessant wird dieser Konflikt gerade dadurch, dass er in völliger Unterkühlung und Beherrschtheit ausgefochten wird. Williams’ Gail kennt ihr Gegenüber zu gut, um mit Argumenten anzukommen, sie weiß, dass gegen die Logik des Geldes und den daraus geformten Charakter des alten Getty nicht anzureden ist. Wie sie dennoch, vor Wut bebend, den alten Geizhals mit jeder Pore verachtend, ihn wieder und wieder bitten muss, das von den Entführern geforderte Geld zu zahlen – das ist das eigentliche Thriller-Element dieses Films.
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