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Immer mehr Menschen lassen ihr verstorbenes Haustier präparieren

Ob Jagdtrophäen oder Familienmitglied – der Niedersachse Michael Sens haucht toten Tieren wieder Leben ein. Zumindest optisch.  

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Jede Falte muss stimmen, wenn Präparator Michael Sens ein Haustier konserviert. Foto: Daniel Bockwoldt (dpa)
Jahrelang arbeitete er vor allem für Jäger. Seit einigen Monaten kommt plötzlich eine neue Zielgruppe dazu. Boxer Oscar ist nur acht Monate alt geworden. Dann musste der junge Hund wegen Herzproblemen und Wasser in der Lunge eingeschläfert werden. Sein Besitzer wollte trotzdem nicht auf Oscar verzichten. Dank eines Tierpräparators muss er das nun auch nicht mehr. Seit wenigen Tagen steht der braune Vierbeiner wieder im Wohnzimmer des Lübeckers. "Er ist ein Blickfang. Und wie er uns anschaut. Das ist eine tolle Sache", sagt Lenhard Wagner dazu. Es sei fast so, als stünde er wie früher vor ihnen. "Er wedelt jetzt nur nicht mehr mit dem Schwanz."

Von der Nase bis zur Schwanzspitze hatte Sens zuvor den eingeschläferten Boxer wieder zu einem lebendig wirkenden Haustier gemacht. "Ich bin zufrieden. So wie er aussieht, da ist Leben drin", sagt Sens und reibt mit einem feuchten Wattestäbchen die braunen Glasaugen des Hundes sauber. Dass Haustiere präpariert werden, sieht Sens als neuen Trend. Noch 2018 wurden ihm ausschließlich wilde Tiere gebracht. Von der Antilope und den Leoparden über den Rehbock und den Fuchs bis hin zum Dachs und zum Fasan. In diesem Jahr dagegen hat der 56-Jährige schon zwei Hunde – einen Mops und eben Boxer Oscar – präpariert und eine Katze wartet darauf, in ihrem Körbchen lebensnah drapiert zu werden. Für ihn als Präparator sei die Arbeit an Haustieren aufwändiger als die an wilden Tieren. "Die Jäger wollen nur eine Trophäe. Da kommt es nicht auf einzelne Falten an. Die Besitzer der Haustiere erwarten, dass das Tier danach so aussieht wie vorher." Das Modellieren des Gesichtes sei deshalb auch die aufwändigste Arbeit für ihn. "Das dauert dreimal länger."

Um aus einem toten Tier ein haltbares Abbild machen zu können, braucht Sens nur die Haut mit den Haaren, also das Fell. Knochen und Innereien werden entsorgt oder können von den Besitzern – im Falle von Haustieren – beerdigt werden. Das Fell zieht er den Tieren entweder selbst ab oder er bekommt das abgezogene Fell. Bei nach Deutschland eingeführtem Fell von exotischen Tieren prüft der Zoll, ob das Tier legal geschossen wurde. Der Körper des Tieres wird aus hartem Schaumstoff modelliert. Für die meisten wilden Tiere wie Rehe, Füchse, Wölfe, Antilopen oder Wildkatzen kann Sens die Formen im Fachhandel kaufen. Für Hunde oder Katzen muss er dagegen (noch) selbst Hand anlegen.

Kopf und Körper für den Boxer Oscar formte Sens aus einem Wolfs-Modell. Für die Modellage nutzt er ganz handelsübliche Feilen, eine Schleifmaschine, eine Drahtbürste und Sandpapier. Hier und da wird auch mal gespachtelt. "Da kommt mir meine Ausbildung zum Autolackierer zugute", sagt er. Am Ende wird das gegerbte, also geschmeidig gemachte Fell auf die Schaumstoff-Form gezogen, fixiert und mit Glasaugen und einem leichten Farbauftrag vollendet.

In Deutschland gibt es mehrere hundert Präparatoren

Obwohl der Begriff "Ausstopfen" im Volksmund noch immer üblich ist, hat das tatsächliche Prozedere damit seit mehr als 100 Jahren längst nichts mehr zu tun. Präparator ist ein Beruf, den man auch lernen kann. Dem Verband der Präparatoren in Deutschland zufolge haben im vergangenen Jahr 30 Menschen eine entsprechende Ausbildung abgeschlossen. Bundesweit gibt es mehrere hundert Präparatoren, die sowohl an Menschen als auch an Tieren und Fossilien arbeiten. 240 von ihnen sind im Verband organisiert. Dessen Vorsitzender, Frank-Michael Weigner, geht davon aus, dass mehr als 2000 geologische, zoologische, botanische und medizinische Präparatoren in Deutschland arbeiten – zum Beispiel für Museen oder wissenschaftliche Institute. Gleichzeitig gibt es auch viele privat arbeitende Präparatoren wie Michael Sens aus Maschen (Landkreis Harburg). Wer als Präparator arbeiten möchte, sollte Weigner zufolge Kreativität und eine künstlerische Ader mitbringen. "Das kann nicht jeder. Da muss man schon ein bisschen einen Hang dazu haben."

Den Trends zu mehr Dermoplastiken – so der Fachbegriff – von Haustieren bestätigt auch Weigner. "Das ist mehr geworden, weil die Liebe zu den Tieren immer größer wird. In den 50er/60er Jahren war das sicherlich nicht so ausgeprägt wie im Moment." Für das Lübecker Herrchen von Boxer Oscar war die Entscheidung, sich das Tier präparieren zu lassen, schnell ausgemachte Sache. "Er wurde doch nur acht Monate alt. Wir haben ihn präparieren lassen, weil wir von dem Hund nichts hatten. Und jetzt habe ich wieder was von ihm", sagt der 68-Jährige. "Ich streichele ihn jeden Tag. Das ist wunderbar."
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