Zischup-Interview
"Im Krankenhaus gibt es viele starre Strukturen"
Zwei Drittel der derzeit mehr als 100.000 Medizinstudierenden in Deutschland sind weiblich. Ein Gespräch mit Oberärztin Claudia Riedmann über den Mangel an weiblichen Führungskräften in der Medizin. .
Marie Saueressig, Klasse Sg8b, GHSE (Emmendingen)
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Riedmann: Die Hauptgründe sind wahrscheinlich zum einen das Problem, Beruf und Kinder unter einen Hut zu bekommen, andererseits, dass immer noch eine relative klassische Rollenverteilung das Normale ist. Frauen erleiden verzögert bei der ersten Schwangerschaft einen erfolgreichen Karriereknick und haben große Probleme damit, die Betreuung der Kinder und den weiteren Beruf unter einen Hut zu bekommen. Im Krankenhaus gibt es viele starre Strukturen, in die man sich einfügen muss, wie zum Beispiel die sehr unflexiblen Arbeitszeiten.
Zischup: Hatten Sie mehr Probleme als Ihre männlichen Kollegen, eine Führungsposition zu bekommen? Und wenn ja, welche?
Riedmann: An eine Führungsposition zu kommen? Nein, ich habe es nicht erlebt, dass männliche Kollegen vorgezogen wurden.
Zischup: Welche und wie viele Führungspositionen werden am Kreiskrankenhaus Emmendingen noch von Frauen besetzt?
Riedmann: Im Moment gibt es in der Unfallchirurgie noch meine Kollegin Ute Bender, die eine Oberarztstelle hat, gegenüber 18 Oberärzten und nur Chefärzten. Die Pflegedirektion ist weiblich besetzt und die Stellvertretung des Verwaltungsdirektors.
Zischup: Fühlen Sie sich von Patienten und Kollegen weniger als Oberärztin wertgeschätzt, weil Sie eine Frau sind?
Riedmann: Nein, das erlebe ich nicht. Wir haben auch nur weibliche Patienten auf der gynäkologischen Station, das ist vielleicht noch mal etwas anderes als in einem anderen Fachbereich. Wir haben nur selten Kontakt mit männlichen Patienten. Es ist vielleicht auch irgendwann dem Alter geschuldet, je älter man wird, desto mehr Auftreten hat man. Als junge Frau geschieht es eher, dass man mit dem Pflegepersonal verwechselt wird. An der Kleidung kann man die Berufsgruppen nicht gut unterscheiden.
Zischup: Haben Sie bei Ihren Mitstudentinnen erlebt, dass diese dann später einen Karriereknick wegen der Schwangerschaft gehabt haben?
Riedmann: Ja, das ist häufig passiert, zumindest, dass die Frauen dann in Teilzeit gehen und nicht mehr 100 Prozent arbeiten. In meinem Fachbereich ist es auch so sicher, dass weniger Ärztinnen in der Klinik bleiben und viele in eine Praxis gehen, weil dort die Arbeitszeiten geregelt sind. Da fallen die Nachtdienste weg, da fallen die Wochenenddienste weg. Was ich von hier überblicken kann: Die wenigsten streben dauerhaft eine Stelle in der Klinik an, und viele Ärztinnen gehen dann früh nach dem Facharzt in die Praxis.
Zischup: Gibt es Gehaltsunterschiede zwischen Ihnen und anderen männlichen Oberärzten?
Riedmann: Nein, wir haben eine Gehaltstabelle im Tarifvertrag für Ärzte, nach der wir alle gleich bezahlt werden.
Zischup: Wie könnte man das Ungleichgewicht zwischen weiblichem und männlichem Führungspersonal ausgleichen?
Riedmann: Sicher ist es notwendig, was Arbeitszeiten angeht, an flexible Modelle zu denken. Wenn eine Kollegin aus der Elternzeit zurückkommt, sollte man individuell auf die Wünsche der Ärztin eingehen. Wenn Ärztinnen weiter in der Klinik arbeiten wollen, muss man im Einzelfall schauen, wie das funktionieren kann. Wichtig ist, darauf einzugehen und nicht bei diesen starren Modellen zu bleiben, sonst wird die Organisation reine Privatsache. Dann kommt es noch darauf an: Sind beide Partner berufstätig? Wollen beide 100 Prozent arbeiten?
Zischup: Sehen Sie einige Verbesserungen in den vergangenen Jahren?
Riedmann: Ein bisschen etwas hat sich getan, es gibt zum Beispiel immer öfter Frauen in Führungspositionen, die sich Chefarztstellen teilen, "Topsharing" zum Beispiel. Es gibt schon Ansätze, und in der Gynäkologie gibt es wahrscheinlich viele Frauen, die in Führungspositionen angekommen sind.
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