"Ich probiere, ein Imperium zu bauen"
INTERVIEW mit dem britischen Formel-1-Fahrer Lewis Hamilton, der kurz vor seinem nächsten WM-Titel steht, über die USA und seine Anfänge im Fiat Cinquecento.
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AUSTIN. Zehn Jahre nach seinem ersten Formel-1-Titel kann Lewis Hamilton am Sonntag in Austin zum fünften Mal Weltmeister werden. Im Gespräch mit Christian Hollmann von der Deutschen Presse-Agentur spricht der 33 Jahre alte Mercedes-Pilot über das Leben als Star, die Zeit nach der Karriere und seine Sicht auf die USA.
Hamilton: Jeden Tag mache ich mir bewusst, welche Plattform und welche Stimme mir die sozialen Netzwerke geben. Ich versuche zu verstehen, wie ich die richtige Botschaft aussenden kann. Es gibt viele Leute in den sozialen Medien, die einfach nur Unsinn machen. Das ist vielleicht manchmal lustig, aber die größte Kraft liegt darin, aufbauend zu sein. Ich lese immer wieder Kommentare von Menschen, die eine harte Zeit haben und sich dann bedanken und schreiben: Das habe ich wirklich gebraucht. Wenn ich diesen Einfluss verstehe, dann ist das so, wie seine Fähigkeiten zu begreifen und sie besser zu nutzen.
BZ: Wie erleben Sie es, ein Vorbild, sogar eine Inspiration für andere zu sein?
Hamilton: Es macht mir eine Gänsehaut. Nach all diesen Jahren ist es immer noch so, dass ich mir im Alltag des Einflusses, den ich habe, überhaupt nicht bewusst bin. Wenn ich dann sehe, dass andere mich als Inspirationsquelle bezeichnen, dann bestätigt mich das in meiner Arbeit.
BZ: Genießen Sie es, berühmt zu sein?
Hamilton: Man sieht manchmal Leute im Fernsehen, die nur den schnellen Ruhm wollen. Ich habe als Kind an so etwas keinen Gedanken verschwendet. Ich wollte einfach Rennen fahren. Ich habe damals auch Ayrton Senna nur als Rennfahrer gesehen, nicht als berühmten Menschen. Ich habe das nicht in Verbindung gebracht. Jetzt habe ich eine bestimmte Berühmtheit erlangt, so ist es einfach. Also sollte ich es auch irgendwie genießen. Es hat eine lange Zeit gedauert, das zu verstehen. Ob ich es genieße? Es ist schon irgendwie cool, wenn dich plötzlich Kinder und Erwachsene überraschen, dich ansprechen, Fotos mit dir machen wollen. Aber es ist für mich kein Ansporn, es ist Teil des Gesamtpakets und sicher nicht der beste Teil.
BZ: Sie sind über die Formel 1 hinaus ein Star. Hilft Ihnen diese Berühmtheit jetzt dabei, den nächsten Abschnitt Ihres Lebens vorzubereiten?
Hamilton: Ganz sicher. Die Formel 1 hat mich zu dem gemacht, was ich bin, und mir die Chance gegeben, all diese anderen Dinge zu machen. Sie ist die Grundlage, ich könnte meine anderen Projekte nicht angehen, wenn es diese Plattform nicht gäbe. Ich denke sehr viel über die Zukunft nach. Das Rennfahren steht für mich absolut im Mittelpunkt. Wenn das gut läuft, dann können auch andere Dinge blühen. Ich habe auch anderswo Saat ausgebracht, jetzt will ich sehen, was daraus wird. Ich probiere, ein Imperium zu bauen.
BZ: Sie brechen Rekorde, auch die von Michael Schumacher. Wie fühlt man sich unter diesen Legenden?
Hamilton: Das fühlt sich sehr seltsam an. Ich bin immer noch dabei, lebe mittendrin, deswegen sehe ich das nicht so sehr. Aber es ist auf jeden Fall cool, wenn irgendwer eine andere Sportgröße im gleichen Atemzug mit mir erwähnt. Ich erinnere mich, als ich mit meinem Vater an den Rennstrecken ankam und sich niemand für uns interessierte, wir waren Nobodies. Wir schauten die Rennen von Senna im Fernsehen, und ich hätte mir niemals vorstellen können, einmal mit ihm im gleichen Atemzug genannt zu werden. Das ist völlig unwirklich.
BZ: Sie haben sich mit wenigen Mittel über das Kartfahren nach oben gekämpft. Ist so eine Karriere heute noch möglich?
Hamilton: Die Formel 1, der Motorsport wird immer teurer. Wenn ich mich erinnere, was mein Vater verdient hat, dann hätten wir heutzutage vermutlich überhaupt nicht mit dem Kartsport anfangen können. Wenn man an Muhammad Ali, an Mike Tyson denkt, die kamen von der Straße. Sie mussten alles geben, kamen aus einfachsten Verhältnissen, mussten sich durchschlagen, Schmerzen erleiden. Diesen rohen, natürlichen Hunger kannst du nicht schlagen. Damals saßen andere im Lamborghini, während mein Vater und ich im Fiat Cinquecento vorfuhren. Ich habe gedacht: Genießt das, aber das Rennen werdet ihr niemals gewinnen.
BZ: In Austin haben Sie fünf der bisherigen Rennen gewonnen. Was gefällt Ihnen dort?
Hamilton: Die Strecke ist prächtig. Ich bin zwar kein großer Fan der neuen Strecken, aber die mag ich wirklich. Ich liebe Strecken, die Rennen möglich machen, die Wahl verschiedener Linien.
BZ: Die USA sind derzeit ein geteiltes Land. Wie erleben Sie das?
Hamilton: Das war schon immer so, es ist jetzt nur lauter. Die Leute sprechen es nur offener aus, weil sie merken, dass es andere auch tun.
BZ: Würden Sie dort leben wollen?
Hamilton: Ich habe Amerika immer geliebt. Ich wollte dort immer leben, als ich als Kind amerikanische Filme gesehen habe. Ich erinnere mich an meinen ersten Besuch in New York, meine Mutter und ich waren für drei Tage da und sie hatte dafür so viel Geld sparen müssen. Und dann war es wie im Fernsehen. Ich mag es da wirklich. Aber in meiner derzeitigen Situation weiß ich nicht, ob es der richtige Ort für mich wäre.
BZ: Sie meinen den Trump-Faktor?
Hamilton: Nein, das ist es nicht so sehr. Als Formel-1-Fahrer wäre es aber sowieso nicht möglich, es ist zu weit weg von der Rennfabrik.
BZ: Eine wichtige Maxime für Sie ist "Still I Rise" (etwa: Ich wachse weiter). Kommen Ihre besten Zeiten also erst noch?
Hamilton: Ich glaube fest daran, dass ich das Beste noch vor mir habe. Es gibt so viele bessere Tage, auf die man sich freuen kann. Natürlich wenn ich gesund bleibe. Mehr Rennen, mehr Erfolge mit diesem Team, mehr Erlebnisse mit meiner Familie, neue Geschäftsfelder, selbst eine Familie gründen – es gibt so viele großartige Dinge, die mich noch erwarten. Die Chancen zu wachsen, die wir haben, wenn wir älter werden. Ich schätze das Leben und meine Zeit mehr, als ich es je getan habe. Deswegen bemühe ich mich wirklich, das Meiste daraus zu machen. Neulich hatte ich eine Superzeit bei ein paar Stunden Tennis mit meinem Vater und meinem Bruder. Das war einer der Höhepunkte des Jahres für mich.