"Ich muss mich für nichts schämen!"
Die Theater-AG der Staudinger Gesamtschule in Freiburg zeigte das bewegende Drama um die Transsexuelle "Daniela Duñoz".
Julia Holle
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Wer ist eigentlich Daniela Duñoz? Hauptfigur eines Dramas - auf der Bühne und im "echten" Leben auch. Die Lebensgeschichte der Argentinierin Mariela Muñoz - inklusive Transsexualität und aufopfernder Mutterliebe - hat Suzanne van Lohuizen in dem Theaterstück "Was ist los mit Daniela Duñoz?" dramatisiert. Nun wurde das schwierige Drama mit großem Erfolg an der Staudinger Gesamtschule in Freiburg inszeniert.
"Ein Mann in einem Kleid!" kreischt Rafaela angewidert und blickt entrüstet, um Zustimmung heischend ins Publikum: "Ein Mann der sich hat umbauen lassen, kann doch keine gute Mutter sein!" Gleißendes Licht fällt auf die schwarze Bühne. Ein simpler Holztisch mit drei Stühlen, ein schmaler Spiegel und ein aufgemaltes Fenster mit klarem blauen Himmel dahinter, dem einzigen Hoffnungsschimmer, sind zu sehen. Die leibliche Mutter Rafaela ist gekommen, um ihr abgeschobenes Kind von Daniela Duñoz zurück zu fordern. So leicht machen es sich die beiden Geschwister Emma und Armando nicht: Dramatische argentinische Musik, grelles Licht und dann wieder die abgedunkelte Bühne begleiten den heftigen Wortwechsel der beiden Geschwister. Mit verzweifeltem Blick springt Armando auf: "Ich hasse sie!" Emma darauf nachdenklich: "Daniela ist immer noch Daniela."
Licht aus, Szenenwechsel: im Gerichtssaal. Die Untersuchungsrichterin, eben noch sichtlich um Fassung ringend, gibt mit strengem Zug um den Mund die Ereignisse wieder. Die anderen Akteure verharren im Standbild. Wie ein Leitfaden für den gesamten Handlungsverlauf holt die nüchterne Nacherzählung die Zuschauer in die Gegenwart zurück. Aber bald schon geraten die Ebenen durcheinander: Einer der Darsteller ruft: "Daniela ist eine prachtvolle Mutter!" Und es beginnt ein lebhafter Disput unter den Akteuren, das Publikum ist hautnah mitten im Geschehen.
Szenenwechsel ins Gefängnis: Emma zeigt sich - anders als ihr Bruder - mit ihrer Mutter solidarisch und spricht ihr sehr liebevoll Mut zu, wie sie da in einem Holzkäfig zusammengekrümmt auf einem Stuhl sitzt: "Wir brauchen dich, du musst leben!" Doch die einst so selbstbewusste Frau - "Es gibt nichts wofür ich mich schämen müsste!" - ist zutiefst erschüttert, in erster Linie wegen der Kinder, die nun in Ersatzfamilien untergebracht sind, aber auch wegen ihrer eigenen Geschichte.
Sehr einfühlsam versteht es Kathrin Sharaf, als "Daniela Duñoz" der jungen "Emma" nahe zu bringen, dass sie "schon immer eine Frau" und "nur ihr Körper" ein Mann gewesen sei. Die durchaus anspruchsvolle Rolle einer Transsexuellen bewältigte Kathrin Sharaf, indem sie sich vorurteilsfrei damit auseinander setzte. Dabei half ihr außer sorgfältiger Lektüre auch ein Zufall: sie lernte eine Transsexuelle kennen, die ihr einen eindrucksvollen Einblick in ihre Persönlichkeit mitgab.
"Hattest du einen Pimmel? Mann fühlt sich doch gut damit!" Armando ("Danielas" Sohn)
Im Holzverschlag wird die sensible Situation zwischen Mutter und Tochter unterbrochen: Armando stürzt auf den Käfig zu: "Hattest du einen Pimmel? Mann fühlt sich doch gut damit!" Nikolaus Sigrist bringt in diesem Armando sehr bewegend einen äußerst problematischen Aspekt von Danielas Transsexualität auf die Bühne: schließlich findet das ganze in einem offen machistischen Land statt - da ist einer, der seinen Mann nicht stehen will, eine noch ungeheuerlichere Provokation.
Was ist nun aber dran an dem Vorwurf von Kindesraub und Kindesmissbrauch, die so sehr in Widerspruch zu Danielas Güte und Wärme zu stehen scheinen? Nicht nur die Richterin, sogar Rafaela kann sich der Herzlichkeit dieser Frau in schwachen Momenten kaum entziehen. Im Gegenteil: es ist Rafaela, die einmal bettelt: "Hilf mir, Daniela, hilf mir!" Anfangs noch zögernd berichtet sie in erschreckender Detailgenauigkeit von ihrer Vergewaltigung - und Daniela Duñoz spendet liebevoll Trost. So oder ähnlich hat fast jeder in dieser Geschichte große Qualen am eigenen Leib und Leben erfahren müssen. Dennoch: die eigentlichen Leidtragenden sind letzten Endes Daniela Duñoz, beziehungsweise Mariela Muñoz und deren Zöglinge, die tatsächlich nie wieder Kontakt zu ihrer Mutter haben durften.
Diese erschütternde Geschichte in all ihrer Tragik bühnenreif zu zeigen, muss eine große Herausforderung sein. Der hat sich die Theater-AG der Staudinger Gesamtschule zum Glück gestellt, denn diese reduzierte Form des erzählerischen Dramas mit ihren Perspektivenwechseln von dritter Person zurück zum Dialog haben die Schülerinnen und Schüler sehr gut umgesetzt - und damit hoffentlich einiges Nachdenken und eine wichtige Diskussion angestoßen.
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