Techno
Hunderttausende feiern bei "Rave The Planet" mit Dr. Motte in Berlin
Dröhnende Bässe, tanzende Massen: Nach zwei Corona-Jahren feiert Berlin eine riesige Technoparty - fast wie bei der Loveparade in den 1990er Jahren. Ganz ohne Misstöne geht es diesmal aber nicht.
dpa
So, 10. Jul 2022, 16:11 Uhr
Panorama
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Die Polizei zog am Sonntag eine gemischte Bilanz. Zwar beschrieb sie den Verlauf des Umzugs als "überwiegend störungsfrei". Am Ende sei es jedoch auf der Straße des 17. Juni so voll geworden, dass es zu "Gefahrensituationen" kam. Sperren hätten das Nachrücken weiterer Menschen verhindert. Die Polizei habe das Abstellen der Musik gefordert, was der Veranstalter aber nicht habe durchsetzen können. Dieser habe den Umzug dann um 21.20 Uhr beendet. Die Polizei meldete 35 Freiheitsbeschränkungen sowie 41 Ermittlungsverfahren, unter anderem wegen Körperverletzung, sexueller Belästigung, Drogen oder Sachbeschädigung.
Kritik gab es am Sonntag auch auf Twitter, weil Dr. Motte während der Parade ein Symbol der sogenannten Freedom Parade von "Querdenkern" hochhielt. Der DJ reagierte in einem Tweet: "Ich wusste das nicht. Ich entschuldige mich." Eine Sprecherin der Veranstaltung sagte auf Anfrage, es habe sich um eine Verwechslung gehandelt, die Dr. Motte "mega-peinlich" sei. "Motte ist kein Querdenker und hat nichts damit zu tun", sagte sie.
Dr. Motte, mit bürgerlichem Namen Matthias Roeingh, war erstmals 1989 mit einigen Mitstreitern und einem Musiklaster unter dem Motto "Friede, Freude, Eierkuchen" über den Ku’damm gezogen. In den 1990er Jahren entwickelte sich die Loveparade zum Magneten für Hunderttausende. Dann gab der Gründer die Marke ab. 2010 endete die völlig überfüllte Loveparade anderer Organisatoren in Duisburg in einer Katastrophe: 21 Menschen starben, mehr als 500 wurden verletzt.
Die Neugründung habe mit der Ursprungsveranstaltung nichts zu tun, betonten die Veranstalter. Doch der Geist der Loveparade schwebte mit, zumal Dr. Motte das Motto "Together again" ausgab. Wie früher war die neue Parade als politische Demonstration angemeldet - eigentlich nur für 25 000 Teilnehmer. Die Polizei sicherte den Umzug mit bis zu 600 Beamten.
Dr. Motte hielt zu Beginn eine kurze Rede mit politischen Forderungen. Er plädierte unter anderem für ein bedingungsloses Grundeinkommen für Künstler, für die Aufnahme der Berliner Technokultur ins immaterielle Unesco-Kulturerbe und gegen Tanzverbote an christlichen Feiertagen. Der DJ betonte, die friedliche Feier richte sich gegen Krieg und Gewalt. Auch DJs aus der Ukraine nahmen teil.
Für Dr. Motte war es aber auch eine gigantische Geburtstagsfeier: Der DJ wurde am Samstag 62 Jahre alt. Auch die Teilnehmer schienen vor allem die ausgelassene Atmosphäre und das Tanzen zu genießen. Darunter waren fast alle Altersklassen - viele über 40, aber auch viele Jüngere. Vereinzelt liefen Leute mit Kinderwagen mit. Der Müll wurde nach Angaben der Veranstalter am Sonntag in einer Sammelaktion mit Freiwilligen aus dem Tiergarten geklaubt.
Am Rande der Parade war auch der selbst ernannte Captain Future zu sehen, Symbolfigur von sogenannten Querdenkern beziehungsweise Querravern, also Kritikern der staatlichen Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie. Ein Teilnehmer trug ein Schild mit dem Slogan "Nie wieder Lockdown". Doch schien es sich um eine kleine Gruppe zu handeln. Die Sprecherin des Veranstalters sagte, Dr. Motte distanziere sich ausdrücklich von Querdenkern. "Er möchte die Gesellschaft zusammenführen."
Auf Twitter wurde jedoch daran erinnert, dass der DJ früher mehrfach mit Kommentaren Kritik auf sich gezogen hatte. 2012 war Strafbefehl gegen ihn erlassen worden, weil er in einem Streit mit Polizisten "Heil Hitler" gesagt haben soll. Kritisiert wurde er auch wegen Interview-Äußerungen über "Juden in aller Welt" und einer Rede über die "schwule Politik" des damals Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit. 2014 veröffentlichte Dr. Motte eine Stellungnahme zu all diesen Vorwürfen und bat ebenfalls um Entschuldigung.
- Rückblick: Prozess um das Loveparade-Unglück nach 184 Tagen eingestellt (BZ, 4. Mai 2020)
- Nachtleben in Südbaden: Zehn verschwundene Clubs, an die sich viele erinnern
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