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Held hält nicht

Oliver Kahn, der Star der Fußballweltmeisterschaft Von Bettina Schulte.  

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D ie Helden sterben aus. Auf dem Theater sind sie nur noch Kindsköpfe und kalauernde Spaßvögel der Comedy-Gesellschaft. Und auf der Leinwand seelenlose Bodybuilder oder computeranimierte Kampfmaschinen. Wer Helden sucht, Menschen, die an einer großen Aufgabe wachsen, bis sie sie bezwingen (oder an ihr scheitern), findet sie heute nur noch im Sport. Boris Becker oder, sagen wir, Dieter Baumann - und in diesem Jahr the one and only: Oliver Kahn, Nationaltorwart, wahrer und einziger Sepp-Maier-Erbe auch beim FC Bayern München.

Ein Mann, bei dem der Kommerzsport Fußball noch mit Leidenschaft zu tun hat, mit eruptiver Kraft und maßlosem Siegeswillen. ("Verflucht, das Herz, das sich nicht mäßgen kann", seufzt Heldendichter Kleist; er könnte Kahn gekannt haben.) Ein Achill in der Arena, gefürchtet wegen seiner hemmungslosen Wutausbrüche (wer verfolgt hat, wie er vor einigen Wochen Brdaric wie ein Karnickel am Genick packte, wird dessen Gesicht nicht mehr vergessen), verehrt wegen seiner glanzvollen, oft makellosen, gelegentlich fast übermenschlich anmutenden Paraden zwischen den Pfosten. Einer, der sich auf dem Platz so sehr vergisst, dass ihm egal ist, ob ihn das Publikum wegen seiner Grimassen zur Gattung der Primaten zählt. Und der wie besessen Kaugummi kaut, weil er ständig unter Strom steht. Die Bananenruferfraktion ist seit der Fußballweltmeisterschaft in Japan und Korea übrigens kleinlaut geworden. Denn nie hat Olli Kahn besser gehalten. Ihm allein verdankt Deutschland den Vizeweltmeistertitel. Ihm allein stand das Ziel vor Augen, für das vor der WM niemand einen Pfifferling gegeben hätte. Es verlieh ihm Flügel, ihm allein unter lauter flügellahmen Kollegen. Er war - mit Ronaldo - der beste Spieler des Turniers. Bis zum Finale hat er nur einen Ball ins Tor gelassen. Da hat man angefangen, seine extremistische Auffassung vom Fußballspiel - mit offensiven Übergriffen bis in des Gegners Strafraum - in den Dienst der nationalen Sache zu stellen. Und dann kam dieser blöde Ball, den er nicht festhalten konnte, dieser Anfängerfehler. Im Endspiel, wann sonst. Es kann kein Zufall gewesen sein, dass ausgerechnet Ronaldo es war, der Kahn bezwang. Man malt sich besser nicht aus, was Kahn empfunden hat. Ein inneres Drama von antikem Ausmaß. Aber Helden müssen stürzen, je größer sie sind, desto tiefer. Deshalb ist Oliver Kahn erst in dem Augenblick, als der Ball hinter ihm ins Tor rauschte und die Weltmeisterschaft an Brasilien verloren ging, zum wahren, zum tragischen Helden geworden.

Ressort: Zisch

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