Heftchen mit geringer Haltbarkeit
SCHÜLERZEITUNGEN 1: Warum die Chefredakteure bisweilen an ihren Lesern verzweifeln und stets Nachwuchssorgen haben.
Bernadette Winter
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Leider erscheint mal wieder keiner der fünf weiteren freien Mitarbeiter. So bleibt die Arbeit an Melanie und ihrem Chefredakteurskollegen Sebastian (16) hängen, die noch dazu von ständig hereinplatzenden Lehrern gestört werden. "Wir hätten gerne einen eigenen Raum, in dem wir ungestört arbeiten können, aber momentan hat die Schule keinen Platz für uns", beschwert sich Melanie.
Per Zufall kam die 17-Jährige zu ihrer Mitarbeit, blieb dabei und wurde als eine der Ältesten bald zur Chefredakteurin: "Ich sage, die machen", verkündet Melanie. Man merkt ihr an, dass sie es nicht so ganz ernst meint. "Eigentlich sind wir schon ein starkes Team und verstehen uns auch gut. Klar, manchmal geht man sich auf den Geist, aber meistens erst nach dem hundertsten schlechten Ausdruck oder dem x-ten Absturz unseres tollen Computers."
"Außer Hohn und Spott gab es nie viel Feedback." Exit-Chefredakteur Christoph
An Zukunftsplänen fehlt es Schülerzeitungen im Allgemeinen nicht und doch überleben sie nicht lange. Die "Nachwuchsförderung" bleibt auf der Strecke, da die Arbeit zum größten Teil immer nur an einigen wenigen Fleißigen hängen bleibt. Sind diese Führungspersonen noch dazu in der Oberstufe, haben sie kurz vor dem Abi genug zu tun und versäumen es, einen Nachfolger festzulegen. Dadurch wird derjenige "Chef", der sich vorher schon stark für die Zeitung engagiert hat - ohne wirklich gewählt zu sein. Eine unangenehme Situation, mit der auch Christoph (16), der Chefredakteur der Freiburger Rotteck-Gymnasium-Postille "Exit", zu kämpfen hatte. "Eine Amtseinführung durch meinen Vorgänger habe ich nie bekommen, ich musste mich erst vor den anderen beweisen."
Bei vielen Schülerzeitungen interessiert sich niemand für die Nachfolge. Die Zeitung stirbt einfach, sobald die Chefredakteure ihre Arbeit niederlegen. So geschehen bei "Annettes Stoßgebet", der Schülerzeitung vom Droste-Hülshoff-Gymnasium in Freiburg. "Zur Zeit existiert diese Zeitung nicht mehr. Vor ihrem Untergang lagen die Aufgaben der Fertigstellung und Korrektur eigentlich immer nur bei mir und einem Freund", sagt Holger (16). Ständig habe er den anderen Schreibern hinterherlaufen müssen. "Eine Zeit lang waren wir echt das lustigste, chaotischste Team, wobei sich die Arbeit doch ganz gut verteilt hat. Aber eben nur anderthalb Jahre lang."
Glücklicherweise verhält es sich mit Schülerzeitungen wie mit allen Dingen des Lebens: Etwas Altes geht, etwas Neues entsteht. "BackGround - das hintergründige Schülermagazin" hat vor kurzem am Berthold Gymnasium in Freiburg seine erste Ausgabe veröffentlicht - mit Erfolg und positiver Resonanz bei den Lesern. Die gesamte Auflage von 350 Exemplaren konnte verkauft werden - davon können Melanie und Sebastian, die "Lise live"-Macher, nur träumen. Viele Schüler wollen bei der Zeitung mitmachen und zeigen Engagement, selbst bei der Renovierung des Redaktionsraums. Es wird sogar darüber nachgedacht, mit der Zeitung des Goethe Gymnasiums "Hermes" zusammenzuarbeiten und eine gemeinsame Zeitung herauszubringen. Es gibt sie also noch, die Redaktionsteams in denen gute Zusammenarbeit herrscht.
Wie gut Schülerzeitungen wirklich sind, liegt vor allem an den Lesern und ihrer Kritik. Wenn man nicht weiß, was die Schüler lesen wollen, kann man sich nicht danach richten. Christoph kann davon ein Liedchen singen. Beim Verkauf der Schülerzeitung "Exit" am Rotteck-Gymnasium durfte er sich einiges anhören: "Außer Hohn und Spott haben wir von den Schülern nie viel Feedback bekommen." Eine Menge Schüler haben zwar etwas an der Zeitung auszusetzen, ihr einziger Kommentar ist aber: "Find' ich Scheiße". Gleichzeitig freuen sie sich trotzdem, über Geschehnisse an ihrer Schule informiert zu werden und den neuesten Klatsch zu erfahren. (Zum Beispiel, dass der Direktor zehn Meter vor seinem Haus mit dem Auto liegen bleibt und mit dem Handy den Abschleppdienst rufen muss.)
Viele wissen gar nicht, was es alles in Schülerzeitungen zu entdecken gibt. Von Buchbesprechungen oder CD-Kritiken, über Portraits und Interviews mit Lehrern, bis hin zu SMV-News. In "Annettes Stoßgebet" fand man die Wahl zur "Goldenen Annette": In verschiedenen Kategorien wählten die Schüler ihren Lieblingslehrer. Die "Annette" bekam der kompetenteste, der kultigste oder der bestgekleidetste Lehrer.
Zurück in Grenzach-Wyhlen finden wir zwei erschöpfte Redakteure vor. Es ist schon spät geworden und noch immer muss an der nächsten "Lise live" gefeilt werden. Frau Kerscher-Becker, eine Lehrerin, die seit Jahren die Zeitung betreut, liest noch die letzten Artikel durch und gibt Anstöße zur Verbesserung. An Sebastians Artikel über das Fernsehen muss noch einiges aufpoliert werden. Es wird noch ein langer Nachmittag für Melanie und Sebastian.
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