Glasvitrine statt Bergalm
Vor zehn Jahren wurde Braunbär Bruno erschossen / Er steht nun ausgestopft im Museum / Artgenossen in der Nähe der Grenze.
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MÜNCHEN (dpa). Die einen feierten ihn, die anderen forderten seinen Tod. Braunbär Bruno, eingewandert aus Italien, sorgte vor zehn Jahren weltweit für Schlagzeilen. Weil er zu frech war, endete er ausgestopft im Museum. Kommt jetzt Rudolph?
Wie ein netter Teddy hatte sich Bruno zuvor nicht benommen. Der junge Bär aus Italien fraß Schafe, stahl Honig, plünderte Hühnerställe und lief mitten durch Orte – so kam es zur Abschussgenehmigung für das geschützte Raubtier.
Seither kam kein Bär mehr. Alpenflüsse wie der Inn, aber auch dicht besiedelte Gebiete mögen dazu beigetragen haben, dass nach JJ1, wie Bruno von Biologen genannt wurde, kein weiterer Bär nach Bayern vorgedrungen ist, sagen Experten. In Kärnten tappt gerade Rudolph herum. Er ist weniger frech als Bruno, aber an die 200 Kilometer von der Grenze entfernt. Wahrscheinlich aus Kroatien oder Slowenien eingewandert, ist er der erste Bär in Österreich seit langem: Die dortige Population, die vor zehn Jahren gut 20 Tiere umfasste, gibt es nicht mehr. "Viele sind spurlos verschwunden. Von einigen weiß man, dass sie gewildert wurden", sagt Roland Gramling vom Umweltverband WWF. Nach dem Tod eines Jägers wurde bei der Witwe ein ausgestopfter Bär gefunden. So endete schließlich auch Bruno: Er ist inzwischen ausgestopft im Museum "Mensch und Natur" in München zu sehen.
Anfangs hatte man Bruno regelrecht entgegengefiebert. Minister Schnappauf sprach ihm ein herzliches Willkommen aus. Aus dem Ministerium hieß es: "Wir wollen wirklich ein netter Gastgeber sein." Am Wochenende des 20. und 21. Mai setzte JJ1, Erstgeborener von Mutter Jurka und Vater José, die Tatzen auf bayerischen Boden – und zog gleich eine blutige Spur: Bei Dickelschwaig bei Garmisch-Partenkirchen riss er drei Schafe. Tags darauf werden bei Farchant vier weitere Tiere tot gefunden. Mutter Jurka hatte JJ1 beigebracht, dass sich bei Menschen gut fressen lässt, wenn man nicht an den Tatort zurückkehrt, wie es Bären sonst tun. Bruno ist einfach schlecht erzogen.
"Wir haben einen Unterschied zwischen dem normal sich verhaltenden Bär, dem Schadbär und dem Problembär. Und es ist ganz klar, dass dieser Bär ein Problembär ist", erläutert der damalige Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) die Sache und sorgte damit bis in die heutige Zeit für Spott im Internet.
Doch seine Worte haben Konsequenzen, der Bär wird zum Abschuss frei gegeben. Tierschützer sind empört. "Ich hatte weinende Tierfreunde am Telefon", erinnert sich Jörn Ehlers vom WWF. Der Umweltverband lässt aus den USA eine Bärenfalle einfliegen: Bruno soll in ein Gehege. Weltweit verfolgen Menschen sein Schicksal. Es sei das einzige Mal gewesen, dass er Anrufe von der Washington Post und der New York Times bekommen habe, sagt Ehlers. "Herr Bruno is Having a Picnic", beschrieb die New York Times die Brotzeiten mit Kaninchen, Hühnern und Schafen. Die Behörden ringen um Lösungen. Der damalige Münchner Zoodirektor Henning Wiesner bietet an, Bruno per Blasrohr zu betäuben. Ihn mit einer Bärin zu locken, wird verworfen. Bruno sei erst zwei und interessiere sich nicht dafür. Er sei nur scharf auf Schafe, erklärt ein Ministeriumssprecher. Die Regierung holt finnische Bärenjäger – nach zwei Wochen reisen sie frustriert ab.
Bruno wird erneut zum Abschuss freigegeben. Am 26. Juni wird er im Rotwandgebiet erlegt. Fans halten eine symbolische Trauerfeier auf dem Münchner Marienplatz und schalten Traueranzeigen. "Unser Bruno ist tot", schrieb eine Familie aus der Region. "Statt Kranz- und Blumenspenden bitte Protestbriefe und E-Mails an Stoiber, Schnappauf & Konsorten". Schnappauf selbst spricht von einer der schwersten Entscheidungen, die er je treffen musste. "Ich hätte in der Situation tun können, was ich will, ich wäre immer dafür kritisiert worden."
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