Gerichtsbericht
Gil Ofarim schweigt zum Prozessauftakt
Begleitet von großem Medieninteresse ist der Prozess gegen den jüdischen Musiker Gil Ofarim gestartet. Er hatte einem Hotelmitarbeiter Antisemitismus vorgeworfen. Nun muss er sich selbst wegen Verleumdung verantworten.
Karin Wollschläger
Di, 7. Nov 2023, 18:58 Uhr
Panorama
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Anfang Oktober 2021 ging ein Handy-Video von Ofarim viral, in dem er schilderte, dass ihn ein Leipziger Hotelmitarbeiter aufgefordert habe, den Stern "wegzupacken", um einchecken zu können. Der Fall hatte bundesweit für Empörung gesorgt und zunächst zu zahlreichen Solidaritätsbekundungen mit Ofarim geführt. Doch nach ihren Ermittlungen klagte die Staatsanwaltschaft schließlich Ofarim selbst an – unter anderem wegen falscher Verdächtigungen und Verleumdung. Anfängliche Ermittlungen gegen den Hotelangestellten wurden indes eingestellt. Im Prozess tritt er nun als Nebenkläger auf.
Bereits am frühen Morgen hatte sich eine lange Schlange von Medienvertretern und Prozessinteressierten vor dem Gericht gebildet. Aufgrund verschärfter Sicherheitsvorkehrungen vor dem Hintergrund des Nahostkriegs wurde die Zahl der Plätze im Gerichtssaal auf 85 reduziert.
Zu Beginn der Verhandlung verlas Staatsanwalt Andreas Ricken die Anklageschrift. Demnach beschwerte sich der 41-jährige Musiker lautstark beim Hotelmitarbeiter, weil die Wartezeit beim Check-in länger dauerte und zwei Stammgäste vorgezogen wurden. Ofarim sprach – so Ricken – von einem "Scheißladen" und drohte, ein Beschwerde-Video viral gehen zu lassen. Als Ofarim sich nicht entschuldigen wollte, habe man ihm das Einchecken verwehrt. Laut Staatsanwaltschaft Ricken war während des Streits der Davidstern Ofarims unter seinem Jeanshemd und somit gar nicht sichtbar.
Alexander Stevens, einer von vier Anwälten Ofarims, wiederum wies im Anschluss die Vorwürfe zurück. Stevens betonte, es gehe "nicht um den Stern, sondern um die Diskriminierungserfahrung". Es sei auch nicht relevant, ob der Davidstern zu sehen gewesen sei. Sein prominenter Mandant trage ihn stets und mit Selbstbewusstsein, das sei bekannt. Scharf kritisierte Stevens das Hotel und die Medien.
Seines Erachtens werde die öffentliche Meinung durch mehrere Lügen bestimmt und sein Mandant diskreditiert. So sei etwa die Beweislage keinesfalls erdrückend. Dies sei "eine reine Inszenierung". Der Anwalt zog Vergleiche mit MeToo-Fällen. Es handle sich um einen "klassischen Fall von Aussage gegen Aussage". Auch äußerte er Zweifel, ob in dem Prozess die Wahrheit tatsächlich ans Licht kommen werde. "Der Fall war von Anfang an geprägt vom Kampf um die Wahrheit, um die Deutungshoheit über die Wahrheit."
Ofarim selbst äußerte sich beim Verhandlungsauftakt nicht zu den Vorwürfen. Am Wochenende hatte er in einem Interview in der Welt am Sonntag betont, er halte den Vorwurf weiter aufrecht, er sei in dem Hotel antisemitisch angefeindet worden. "Ich weiß, was mir passiert ist. Es ging mir nicht um den Mitarbeiter, sondern um Antisemitismus. Ich bin froh, dass jetzt viel herauskommen wird, was bisher nicht gesagt oder geschrieben worden ist." Im Verlauf des Prozesses sollen rund 30 Zeugen gehört werden.
Am Dienstagnachmittag sagte als erster Zeuge der von Ofarim beschuldigte Hotelmitarbeiter aus. Der 35-Jährige blieb bei seiner Schilderung des Tathergangs, wie ihn bereits die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift dargelegt hatte. Eindrücklich berichtete er, welche gravierenden Auswirkungen Ofarims Antisemitismus-Vorwurf für ihn gehabt habe: Er habe eine Morddrohung erhalten, einige Tage untertauchen müssen und sich in psychotherapeutische Behandlung begeben.
Zuvor war das Handy-Video im Gerichtssaal als Beweismittel abgespielt worden. Darin sagt der Musiker: "Dann ruft einer aus der Ecke: ‚Pack deinen Stern ein.‘ Und dann sagt Herr W: ‚Pack deinen Stern ein.‘ Und dann sagt er, wenn ich den jetzt einpacke, darf ich einchecken."
Vor Prozessbeginn hatte der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, vor Vorverurteilungen gewarnt. "Egal, wie dieser Prozess endet – es gibt darin zu viele, die Schaden genommen haben. Und aus meiner Sicht wird niemand daraus als Gewinner hervorgehen", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Er mahnte, künftig auf Meldungen aus sozialen Netzwerken mit mehr Vorsicht zu reagieren, bis gesicherte Erkenntnisse vorlägen. Auch Klein hatte nach Bekanntwerden des Handy-Videos erklärt, dass Ofarim den "inakzeptablen Vorgang" öffentlich gemacht habe, sei gut und wichtig.
Das Gericht hat bis zum 7. Dezember insgesamt zehn Verhandlungstage angesetzt.