"Schüler*innen"
Gendern in der Schule: Placebo oder Beitrag zur Gleichstellung?
Soll die geschlechtergerechte Sprache an den Schulen eine größere Rolle spielen? Ja, denn Sprache schafft Realitäten, sagen die einen. Nein, denn das bringt die Gleichstellung nicht voran, sagen die anderen.
dpa
Do, 18. Jun 2020, 12:23 Uhr
Südwest
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"Die gendergerechte Sprache allein ist ein Placebo", findet Kultusministerin Susanne Eisenmann. "Die Frage, ob ein Wort jetzt mit einem Sternchen oder einem Unterstrich geschrieben wird, bringt uns beim Thema Gleichstellung nicht weiter." Viel wichtiger sei ihr, dass die Menschen danach leben, als nur formal richtig zu schreiben. Diversität spiele in vielen Bereichen eine entscheidende Rolle, sagt die CDU-Politikerin. Gerade bei Unternehmen seien unterschiedlich zusammengesetzte Gruppen immer wichtiger, "weil es eine Bereicherung ist".
LSBTTIQ steht für lesbische, schwule, bisexuelle, transsexuelle, transgender, intersexuelle und queere Menschen. Das Netzwerk ist ein Dachverband von mehr als 110 queeren Gruppen im Südwesten. "Queer" ist ein Überbegriff für Menschen, die in der Geschlechtsidentität von einer gesellschaftlich verbreiteten heterosexuellen Norm abweichen. Alms hält konkrete Regelungen für sinnvoll. Geschlechtergerechte Sprache berge durchaus Stolperfallen - wie Sprache allgemein mit ihren zahlreichen Regeln zu Rechtschreibung und Grammatik.
Der Philologenverband Baden-Württemberg hält tendenziell wenig vom "Gendern". Es gebe zwar bisher keine einheitliche Position des Verbandes dazu, sagt der Vorsitzende Ralf Scholl. Aber: "Es gibt bei vielen (insbesondere älteren) Mitgliedern ganz erhebliche Vorbehalte gegen ein "sprachentstellendes" Gendern, sei es mit Gender-Stern, oder -gap oder Binnen-I." Wichtiger als ein "rein formal-sprachliches Gendern" sei es, gegen Geschlechterstereotype und Rollenzuschreibungen anzugehen.
Der Landesschülerbeirat wäre hingegen offen für Neuerungen. "Beim Thema gendergerechte Sprache im Unterricht ist uns extrem wichtig, dass das Behandeln von Sprache einen größeren Raum bekommt. Dabei geht es grundsätzlich darum, aufzuklären, was Sprache anrichten kann und wie Sprache verwendet werden kann", sagt Pressesprecher Roman Jauch. Auch er hält Stereotype hinter nicht gendergerechten Ausdrücken für das Hauptproblem - etwa welche Vorurteile Ausdrücke wie "Krankenschwester" oder "Putzfrau" oder Sätze wie "fünf starke Jungs zum Tische tragen" beinhalten.
"Wer immer nur von Ärzten, Politikern und Ingenieuren redet, erzeugt Bilder von Männern", findet Grünen-Landtagsabgeordnete Brigitte Lösch. Frauen und alle anderen Geschlechter blieben so ausgeschlossen. "Sprache zementiert dadurch auch einen längst überholten gesellschaftlichen Status." Schule sei kein geschlechtsneutraler Raum. "Ob gewollt oder ungewollt, werden auch hier Geschlechterstereotype vermittelt und gelebt", sagt Lösch. Es sei Genderkompetenz angesagt, etwa bei der Lehrerausbildung, aber auch in Unterrichtseinheiten zu dem Thema.
Mit Hilfe geschlechtergerechter Sprache sollen alle Geschlechter gleichberechtigt in der Sprache abgebildet werden. Dagegen wird beim "generischen Maskulinum" nur die grammatisch männliche Form - zum Beispiel "die Schüler" - benutzt, selbst wenn es sich um gemischte Gruppen handelt; alle biologischen Geschlechter sollen dabei "mitgemeint" sein. Schreibweisen mit Gendersternchen oder Gendergap - also "Schüler*innen" oder "Schüler_innen" - sollen auch Menschen einbeziehen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen.
Das Onlinewörterbuch "Geschickt Gendern" hat sich auf alternative Ausdrücke spezialisiert. Oft ließen sich Doppelnennungen - wie etwa "Schülerinnen und Schüler" - oder Genderstern vermeiden, indem Sätze umgestellt oder Worte kreativ umformuliert werden, heißt es auf der Seite. Nach den Vorschlägen des Wörterbuchs könnten im Unterricht zum Beispiel "Schulkinder" oder "Lernende" von "Lehrkräften" etwas beigebracht bekommen.
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