Für die, die noch keinen festen Platz im Leben haben
"Eigentlich sollten wir erwachsen werden" heißt das Motto des Magazins "Neon" - Ausgabe 2 ist nun auf dem Markt.
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Dezember. Kalt und nebelig. Viel Zeit zum Lesen der "Winterausgabe" von "Neon". Auf dem Cover wartet Chefdesigner Mirko Borsche mit einer guten alten Glühlampe auf - nicht wie der Titel des jungen Magazins erwarten lassen könnte, mit einer Neonröhre. Passt aber auch besser zur Titelgeschichte: "Wie komme ich auf gute Ideen?" Die Tipps beeindrucken zwar allenfalls einen Psychologie-Nebenfachstudenten, aber die Redaktion selbst weiß Bescheid: Das Heft ist voll mit eben solchen Ideen.
Neon will auch subjektiv sein; besonders mit den Fotostrecken sollen Stimmungen, Gefühle festgehalten werden. Verben aus der Welt des Fühlens ersetzen die starren Themenrubriken anderer Zeitschriften. Der frühere Arbeitgeber vieler Neon-Macher war das "jetzt:"-Magazin des Süddeutschen Verlages. Und während "jetzt:" (bis es aus Einspargründen eingestellt wurde) noch monothematisch aufwarten konnte, muss Neon für den Wettbewerb am Zeitschriftenkiosk schon als Vollspartenmagazin daherkommen. Das gelingt in der vollen Bandbreite: Von spätpubertären Ratschlägen vom Schlage "Dr. Sommer" über Weihnachtsgeschenke von Prominenten bis hin zur Rentenberatung ist alles dabei.
Praktische Lebenshilfe für den Winter wie das Bauen eines Iglu oder Wiedereinfrieren von Linsensuppe unterhalten genauso wie das Einreisequiz für die Britischen Inseln oder ein Bericht aus Reykjavik: Hier werden Gehsteige im Winter doch tatsächlich beheizt. Gut, dass wir das wissen, sollten wir zum Beispiel mal bei Günther Jauch sitzen. Oder wir verdienen unser Geld anders - Neon weiß, wie man seine Brötchen auch ohne Bürojob und Tarifvertrag verdienen kann: Zum Beispiel durch Konstruktion eines Flugobjektes, mit dem man mindestens 100 Kilometer in den Orbit fliegen kann. Einer amerikanischen Gesellschaft ist das immerhin zehn Millionen Dollar wert. Praktischerweise gleich mit Bewerbungsadresse. Der Informationsgehalt von Neon reicht aber über garantiert und auch propagiert unnützes Wissen weit hinaus: Dafür stehen die Bereiche "Sehen" und "Wissen".
Und während im Pilotheft von Neon die hundert wichtigsten jungen Deutschen im Vordergrund standen, wagt man sich jetzt schon an wirkliche Gesellschaftspolitik heran: Mit dem Bericht über eine junge irakische Übersetzerin, die für die amerikanischen Truppen Todesnachrichten überbringt und am Menschen entstandene "Kollateralschäden" in Hundertdollarscheinen aufwiegt.
Weil Kolumnen Stimmungen transportieren können, gibt es in Neon gleich vier davon. Verstecken sich die Kolumnisten anderer Zeitschriften noch schamhaft hinter anonymen Kürzeln, dienen hier großformatige Fotos der Autoren als Überschrift. Die Kolumnen kommen sehr persönlich daher und sind unaustauschbar mit dem Autor verknüpft, den der Leser vom Foto her nun auch wirklich "kennt". So schreibt die Münchner Studentin Theresa Bäuerlein über Freibadbeziehungen oder den Trip ins Universum - kurz: übers Fremdgehen. Heike Makatsch kolumniert über Erfindungen, die das Leben besser machen könnten und denkt dabei vor allem an das menschliche Miteinander. Klar erkennbar die Idee: Kolumnen als eigenes Markenzeichen in Neon. Es soll ja auch Menschen geben, die sich "Die Welt" nur wegen den Medienbetrachtungen von Horst Zippert kaufen. Oder des Münsterecks wegen die Badische Zeitung.
Das Motto des Magazins - "Eigentlich sollten wir erwachsen werden" - erklärt alles: kein Teeniemagazin mehr, aber auch keine Zeitschrift für Menschen, die ihren festen Platz im Leben schon gefunden haben. Mit ein bisschen "Weißt du noch" - und doch liegt noch so vieles vor einem. Nicht mehr jung genug für naive Träume, aber auch noch nicht so abgeklärt, völlig in der Realität zu verharren.
Carl-Leo v. Hohenthal, Martin Müller
Neon im Zeitschriftenhandel: 2,50 Euro.
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