Wintersport
Fabian Rießle im Interview: "Die Rolle des Jägers liegt mir"
Vor der Nordischen Ski-Weltmeisterschaft im finnischen Lahti: Der Breitnauer Kombinierer Fabian Rießle über deutsche Dominierer, befreundete Feinde und Mut zur Schlafmützigkeit.
Mi, 22. Feb 2017, 0:01 Uhr
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Rießle: Die Mama kennt mich. Ich bin kein bisschen hibbelig. Alles passt. Die Hektik kommt wohl erst kurz vor dem ersten Wettkampf am Freitag.
BZ: Sie haben jüngst zwei Weltcupsiege gefeiert, sind Dritter der Gesamtwertung, vor Ihnen rangieren nur Ihre Teamkollegen Johannes Rydzek und Eric Frenzel.
Rießle: (lacht) Der Weltcup ist in diesem Winter eine deutsche Meisterschaft.
BZ: Diese Dominanz ist unheimlich.
Rießle: Nicht die Spur. Wir profitieren vom sehr guten Training im Sommer. Die harte Arbeit hat sich gelohnt. Das spiegelt sich jetzt in den Wettkämpfen wieder.
BZ: Liegt der Schlüssel auf der Schanze?
Rießle: Vor ein paar Jahren hatte ich ordentlich Probleme beim Springen. Im vergangenen Sommer hab’ ich hartnäckig darauf hingearbeitet, dauerhaft stabile Flüge zu zeigen. Das klappt jetzt im Winter.
BZ: Kommen Sie mit jeder Schanze klar?
Rießle: Jetzt ja. Früher war das oft eine Lotterie. Ich hab’ immer viel zu lange gebraucht, um mich auf einen Bakken einzustellen. Das geht heute fixer. Mein Grundlevel ist höher, die Zuversicht größer. Ich weiß, dass meine Sprünge gelingen. Ich muss mich jetzt nicht mehr nach schwachen Sprüngen voran tasten.
BZ: Früher sind Sie nach dem Sprung oft mit 1:30 Minuten Rückstand auf die Skatingpiste, jetzt sind es 45 Sekunden.
Rießle: Das macht es leichter. Ich weiß, wie’s geht und hab’ im Lauf Reserven.
BZ: Sie sind der lachende Dritte im Team.
Rießle: Gut beobachtet. Das ist die Rolle des Jägers. Das liegt mir. Vorne kämpfen Rydzek und Frenzel und ich kann mir das aus dem Windschatten anschauen.
BZ: Hand aufs Herz, Sie wollen bei der WM doch nicht nur Dritter sein.
Rießle: Wenn die anderen besser sind, muss man das anerkennen. Aber wenn ich starte, will ich gewinnen. Mit jeder Faser.
Rießle: Ich wollte diesen Sieg wirklich ganz arg. Da ist mir alles, was ich erträumt hatte, gelungen. So wie schon Anfang Januar bei meinem ersten Weltcupsieg in diesem Winter auf der Großschanze in Lahti.
BZ: Rydzek hat acht, Frenzel sieben, Sie zwei Saison-Einzelsiege. Überwältigend.
Rießle: Das liest sich richtig gut. Aber es kommt der Tag, an dem kein Deutscher ganz oben steht.
BZ: Bei der WM muss das nicht sein.
Rießle: Auf keinen Fall. Da sind wir die Favoriten. Wir sind bereit.
BZ: Im Wettkampf rangeln Sie wie drei Musketiere. Das wirkt wie Feindschaft.
Rießle: Das mag ein bisschen stimmen. Aber wir sind im DSV-Team alle Kumpel. Wir verstehen uns richtig gut. Klar, im Rennen schaut jeder auf sich. Dann fightet man halt mit allem, was man hat. Aber der eine gönnt dem anderen den Erfolg. Wenn das nicht so wäre, würde es im Team momentan gewaltig knirschen.
BZ: Sie sind Titelverteidiger im Teamwettkampf.
Rießle: Wir schielen im Team auf Gold. Aber ein WM-Wettkampf ist kein Selbstläufer. Medaillen kann man nicht abholen, die muss man hart erkämpfen. Das haben wir vor vier Jahren bei der WM in Val di Fiemme erlebt. Da waren wir hoher Favorit. Dann hat man uns auf der Schanze ordentlich verladen. Auf der Skatingpiste war ich damals Schlussläufer. Allein hinterherzulaufen und nur Sechster zu werden, war hart.
Rießle: Nö. Kein Problem. Das belastet mich nicht. Ich bin in Lahti, um mein Bestes zu geben. An einem guten Tag kann ich um den Sieg mitkämpfen. Ich geh’ ganz locker an die WM ran und hoffe, dass Fortuna mitspielt. Punkt.
BZ: Sie haben Olympia-Bronze und Silber. Was fehlt, ist ein WM-Einzeltitel.
Rießle: Sieht ganz so aus. Ja, der fehlt in der Sammlung. Ja, das will ich schaffen.
BZ: Wer sind die WM-Favoriten?
Rießle: Viele Jungs wollen Weltmeister werden. Die Norweger, irgendwelche Österreicher. Wir Deutschen sind schlagbar, das wissen wir.
BZ: Wie stimmt Bundestrainer Hermann Weinbuch das Team auf die WM ein?
Rießle: Die jüngste Siegesserie ist für ihn nicht das Thema. In jedem Wettkampf werden die Karten neu gemischt. Das versucht er uns Athleten zu vermitteln.
Rießle: Was die Lauftaktik angeht, bin ich schlauer geworden. Früher bin ich, wenn ich mit viel Rückstand ins Skatingrennen bin, einfach volle Pulle losgerannt. Heute teile ich mir meine Kräfte klüger ein.
BZ: Also nix mehr mit drinnischießen?
Rießle: Nö. Ich bin einfach viel ausgebuffter als früher.
BZ: Liegen Ihnen die Schanzen in Lahti?
Rießle: Den großen Bakken mag ich, auf der kleinen Schanze sind wir noch nie gesprungen. Die wurde vor zwei Jahren umgebaut. Der Wettkampf am Freitag und das Teamspringen am Sonntag auf dem kleinen Bakken sind eine Wundertüte.
BZ: Ihre Eltern sind in Lahti. Ihr Vater will am steilsten Teil der Strecke stehen.
Rießle: Das sieht ihm ähnlich. Im Wettkampf ist man fokussiert, wie in einem Tunnel. Aber ich werd’ ihn hören. Der Papa kann richtig johlen. Ich krieg das schon mit auf der Strecke. Das gibt mir Kraft.
BZ: Sie sind bekennende Schlafmütze.
Rießle: Mittagsschlaf muss sein, auch am Wettkampftag. Zeit für ein Nickerchen find’ ich fast immer. Da fahr’ ich alles runter und lass die Seele baumeln, um dann alle Energie zu sammeln fürs Langlauf-Rennen.
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